Bericht

Darüber hinaus habe Herr Ballentin vierteljährlich dem Referat 44 des Thüringer Ministeriums für Bau und Verkehr seine Passagierstatistik zur Kenntnis geschickt. Er habe dann mit Herrn Ballentin über die Verkehrsentwicklung der Flughafen Erfurt diskutiert und über mögliche Maßnahmen nachgedacht. Er sei aber nie auf den Gedanken gekommen, dass da etwas inszeniert werde und insbesondere daran, dass Passagiere hinzu gedichtet würden. Es habe auch von außen keine Hinweise gegeben. Soweit behauptet werde, dass andere Stellen, etwa das Bundesamt für Statistik oder die ADV Nachfragen hinsichtlich der Anzahl von Passagieren einzelner Maschinen gehabt hätten, seien ihm diese Nachfragen nicht bekannt geworden. Die Nachfragen seien vermutlich nur an den Flughafen gegangen, er habe solche nicht erhalten.

Der Zeuge Richwien, der neben seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats auch Staatssekretär in dem für die Luftaufsicht zuständigen Ministerium war, wies darauf hin, dass er die beiden Funktionen strikt getrennt habe. Er habe sich in erster Linie um das Aufsichtsratsmandat gekümmert. Die Fachaufsicht hätte die zuständige Abteilung ausgeübt, dort habe er sich wegen der Gefahr der Interessenkollision herausgehalten. Auch aus seiner Sicht habe es keine Verpflichtung der Luftverkehrsverwaltung gegeben, die übermittelten Passagierzahlen zu kontrollieren. Hierfür sei das Statistische Bundesamt zuständig, das diese Daten erfasse. Aufgrund der Erfassung durch den Flughafen Erfurt und der Weiterleitung an ADV bzw. das Statistische Bundesamt sei das Ministerium in diesen Vorgang nicht involviert gewesen. Die Ermittlung der Passagierzahlen sei eine Aufgabe der Geschäftsführung gewesen aber nicht des Aufsichtsrats bzw. des für Luftaufsicht zuständigen Ministeriums.

(2) Kenntnis von der möglichen Fehlerhaftigkeit der Passagierzahlen

[a] Aufsichtsrat (aa) Verdachtsmomente durch anonyme Schreiben

Die Mehrzahl der Mitglieder des Aufsichtsrats erhielt nach ihren Bekundungen erst mit den Pressemeldungen vom 6. August 2005 Kenntnis davon, dass die Passagierzahlen manipuliert seien könnten. Dies haben übereinstimmend die Zeugen Schober, Kallenbach, Dr. Wolkwitz, Kuhne, Drissen und Kokott geschildert.

Frau Schober führte aus, dass sie von den vorangegangenen anonymen Schreiben an das Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr keine Kenntnis gehabt habe. Sie habe mit dem Pressebericht vom 6. August 2005 das erste Mal von den Manipulationen erfahren. Von anonymen Briefen habe sie erst erfahren, nachdem bereits in der Presse berichtet worden war. Daraufhin habe der Aufsichtsrat die Schreiben vom Ministerium angefordert.

Der Zeuge Kallenbach bestätigte, es habe nach seinem Wissen keine anonymen Schreiben an den Aufsichtsrat gegeben. Er habe erst durch die Presse Kenntnis von den falschen Zahlen erhalten. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass die anonymen Schreiben dem Aufsichtsrat später zur Verfügung gestellt worden seien.

Der Zeuge Kuhne ergänzte, dass er im August des Jahres 2005 von einem Journalisten angerufen worden sei, der ihn nach den Passagierzahlen hinsichtlich Erfurt gefragt habe.

Danach sei es einige Zeit hin und her gegangen in den Medien. Von den zeitlich davor liegenden Schreiben habe er nichts gewusst. Ferner führte er aus, dass der Aufsichtsrat auch nach Bekannt werden der Vorwürfe durch die Presse und Erhalt der anonymen Schreiben den Vorwürfen zunächst keinen Glauben geschenkt habe. Man habe den Geschäftsführer Herrn Ballentin zu einer Stellungnahme aufgefordert und dieser habe sehr geschickt die Beschuldigungen bestritten. Erst als der Verkehrsleiter, Herr Schäfer, die Vorwürfe eingeräumt habe, sei ihnen das ganze Ausmaß der Manipulationen bekannt geworden.

Ergänzend bekundete der Zeuge Drissen, dass er bereits vorher von einem Mitarbeiter von klimatischen Verstimmungen am Flughafen gehört habe. Der Mitarbeiter sei ausdrücklich auf ihn in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied zugekommen. Er habe daraufhin versucht, das Thema mit Herrn Ballentin und Herrn Schmidt zu klären, was aber keinen Erfolg gehabt habe. Kurze Zeit später habe er von einem Flugblatt gehört, das oben am Flughafen verteilt worden sei und in dem Vorwürfe hinsichtlich der Mitarbeiterführung geschildert wurden.

Schließlich habe auch er dann die gesammelten Vorwürfe den Medien entnommen. Von den anonymen Schreiben an das Ministerium hatte auch er nach seinen Bekundungen keine Kenntnis. Ferner bekundete der Zeuge Drissen, dass es nach Aufkommen der Vorwürfe eine Sitzung mit Herrn Ballentin gegeben habe.

Dort habe dieser den Aufsichtsrat gebeten, ihm das Vertrauen auszusprechen. Die anonymen Schreiben habe der Aufsichtsrat mit Vorsicht genossen. Es sei ein großes Problem, solche Schreiben inhaltlich zu bewerten und zu beurteilen, wie es mit der Seriosität des Verfassers bestellt sei. Er und auch die anderen Aufsichtsratsmitglieder seien vorsichtig gewesen, auf Basis von anonymen Schreiben nachhaltige Maßnahmen zu empfehlen oder für sinnvoll zu halten. Zudem sei es in den Schreiben eher um Personalangelegenheiten gegangen und weniger um Passagierzahlen.

Die Zeugen Kokott und Wolkwitz konnten schon deshalb nur über die Presse von den Vorwürfen erfahren, da sie beide im Jahre 2005 nicht mehr Mitglied des Aufsichtsrats waren.

Lediglich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende, der Zeuge Richwien, hatte in seiner Funktion als Staatssekretär des Thüringer Ministeriums für Bau und Verkehr Kenntnis von den anonymen Schreiben.

Eine Weiterleitung an die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats oder eine kurzfristig anberaumte Sitzung war nach seiner Ansicht nicht erforderlich. Da die Schreiben anonym gewesen wären, sei man ihnen nur mit Vorsicht begegnet.

Herr Dr. Nelles sei auf ihn zugekommen und habe ihm ein Schreiben vorgelegt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung im Folgeabschnitt Bezug genommen.

Am 7. Juli und 11. Juli 2005 habe es weitere anonyme Schreiben gegeben, die an die Opposition und an die Presse gegangen sind. Diese seien seinem Haus zunächst nicht bekannt gewesen.

Übereinstimmend bestätigten die Aufsichtsratsmitglieder Schober, Dr. Wolkwitz und Schade, dass sie von den oben durch den Zeugen Hübsch geschilderten Softwareänderungen keine Kenntnis hatten. Weder habe die Geschäftsführung ihnen davon berichtet, noch hätten sie auf sonstige Art und Weise von der Entkoppelung der Module Kenntnis erlangt. Die sei ihnen erst durch die Presseberichte bekannt geworden.

(bb) Mögliche Kenntnis des Aufsichtsrats oder des Freistaats Thüringen durch die Geschehnisse in der 5. Finanzausschuss-Sitzung vom 27. November 2000

Von Teilen des Untersuchungsausschusses wurde hinterfragt, inwieweit die Annahme einer Kenntnis des Aufsichtsrats oder des Freistaats Thüringen durch die Geschehnisse in der

5. Finanzausschuss-Sitzung vom 27. November 2000 und denen der Aufsichtsratssitzung vom 6. Dezember 2000 ableiten ließe. Zur Klärung dieser Frage wurden aufgrund der Beweisanträge vom 9. April 2008 (Vorlage UA 4/3 - 73) und vom 18. Juni 2008 (Vorlage UA 4/3 - 84) mehrere Zeugen vernommen, namentlich Frau Doris Schober, Herrn Dr. Hans Nelles, Herrn Staatssekretär Roland Richwien, Herrn Jörg Kallenbach und Herrn Johannes Kokott.

Die Zeugin Doris Schober, welche zur damaligen Zeit Vorsitzende des Finanzausschusses des Flughafens war und dem Aufsichtsrat angehörte, führte in ihrer Zeugenaussage aus, der Finanzausschuss habe am 27. November 2000 getagt.