Nach § 115 ZPO hat die bedürftige Partei dabei ihr Einkommen einzusetzen

Nach § 115 ZPO hat die bedürftige Partei dabei ihr Einkommen einzusetzen. Davon sind die in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 ZPO aufgeführten Posten abzusetzen. Von dem nach den Abzügen verbleibenden monatlichen Einkommen wird sodann festgesetzt, ob die bedürftige Partei PKH erhält. Dies geschieht nach einem in § 115 Abs. 2 ZPO geregelten Schlüssel.

Wird die Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt, werden nach diesem Schlüssel die Gerichtskosten sowie die Anwaltsgebühren des eigenen Rechtsanwaltes nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz dann durch die Staatskasse getragen, wenn der Antragsteller den Prozess verliert.

Aufgrund zu knapp bemessener Haushaltsmittel soll es in Thüringen in der Vergangenheit zu faktischen Haushaltssperren mit einem Auszahlungsstopp für die PKH gekommen sein.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie haben sich die Ausgaben für PKH in den letzten fünf Jahren entwickelt (Auflistung nach Kalenderjahr und Gerichtsstandorten)?

2. Wie viel Zeit beansprucht die durchschnittliche Bearbeitung bis zur Auszahlung der PKH bei den Amtsund Landgerichten in Thüringen (Auflistung nach Gerichtsstandorten)?

3. An welchen Gerichten in Thüringen gab oder gibt es faktische Auszahlungsstopps in solchen PKHProzessen (Auflistung nach Gerichtsstandorten mit der Dauer des faktischen Auszahlungsstopps)?

4. Ist der Landesregierung bekannt, dass Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen trotz bewilligter PKH aufgrund von faktischen Auszahlungsstopps teilweise über mehrere Monate auf die Auszahlung des Geldes warten müssen?

5. Wenn die Frage 4 mit Ja beantwortet wird, in wie vielen Fällen wurde so verfahren (Staffelung der Fälle nach Gerichtsstandorten)? Wie lang war die Bearbeitungsdauer (Staffelung dieser Fälle nach Dauer, und zwar zwei Monate bis sechs Monate, sechs Monate bis zwölf Monate, zwölf Monate bis 18 Monate, 18 Monate oder länger)?

19. Juni 2009

6. Wie hoch ist nach Kenntnisstand der Landesregierung das Risiko einzuschätzen, dass aufgrund dieser Auszahlungspraxis Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Mandate, bei denen PKH zu beantragen ist, nicht mehr annehmen?

7. Inwieweit ist der Landesregierung bekannt, dass durch den Betrag, der den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen für einen PKH-Prozess aus der Staatskasse gezahlt wird, nicht die realen Kosten, die durch eben diesen Prozess entstehen, gedeckt werden?

8. Wie hoch ist nach dem Kenntnisstand der Landesregierung das Verlustgeschäft der Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen bei PKH-Prozessen einzuschätzen?

9. Ist es auch im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Meinung der Landesregierung vertretbar, wenn die anwaltliche Vertretung in PKH-Prozessen für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen wirtschaftlich unrentabel ist?

10.Welche Kontakte hat die Landesregierung mit der Rechtsanwaltskammer Thüringen und dem Thüringer Anwaltsverein aufgenommen, um das in der Praxis bestehende Problem der faktischen Auszahlungsstopps bei PKH-Prozessen zu einer Lösung zu führen?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 10. Juni 2009 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: für PKH haben sich in Thüringen in den letzten fünf Jahren wie in beigefügter Übersicht (Anlage

1) dargestellt entwickelt.

Zu 2.: Eine amtliche Statistik über die Dauer von Verfahren zur Festsetzung der Vergütung wird nicht geführt.

Zu 3.: Lediglich bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit kam es in der Vergangenheit kurzfristig zu Auszahlungsverzögerungen, so vom 7. August bis 25. September 2007, vom 2. August bis 23. Juli 2008 und vom 22. Oktober bis 13. November 2008. Diese waren zur Vermeidung ungenehmigter Ausgabeüberschreitungen notwendig, weil sich zu den genannten Zeitpunkten abzeichnete, dass die im Haushaltsplan veranschlagten Mittel aufgrund des unvorhergesehenen Anwachsens der Geschäftszahlen nicht ausreichen würde und damit zunächst Deckungsmittel bereitzustellen bzw. das Finanzministerium um Einwilligung in überplanmäßige Ausgaben zu ersuchen war.

Daneben konnte es in der Vergangenheit zu kurzfristigen Auszahlungsverzögerungen im Zusammenhang mit den Formalitäten des Jahresabschlusses bei den Staatskassen kommen. Diese durch den Jahresabschluss bedingten Verzögerungen werden jedoch mit der vollständigen Einführung von HAMASYS entfallen. Auszahlungen können dann verzögerungsfrei angeordnet werden.

Zu 4.: Nein; allerdings könnte es unter den zu Frage 3 geschilderten Umständen in einzelnen Fällen zu entsprechenden Wartezeiten gekommen sein.

Zu 5.: Eine Ermittlung der Anzahl der Fälle ist mangels statistischer Erhebungen zur Dauer der Bearbeitung von Anträgen auf Festsetzung der Vergütung nicht möglich.

Zu 6.: Die Landesregierung schätzt das Risiko der Mandatsablehnung durch Rechtsanwälte bei Prozesskostenhilfe als äußerst gering ein.

Zu 7.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, inwieweit die bundesgesetzlich festgelegten PKH-Gebühren die Aufwendungen der Rechtsanwälte nicht decken. Solche wurden bislang nicht von den Berufsvertretungen der Rechtsanwälte gegenüber der Landesregierung thematisiert.

Zu 8.: Es wird auf die Beantwortung der Frage 7 verwiesen.

Zu 9.: Es wird auf die Beantwortung der Frage 7 verwiesen.

Zu 10.: Die Landesregierung steht in einem ständigen Kontakt mit der Rechtsanwaltskammer Thüringen und dem Thüringer Anwaltsverein. Bei den regelmäßig stattfindenden Gesprächen wurde jedoch der hier nachgefragte Sachverhalt bislang nicht thematisiert.