Bezieher von Arbeitslosengeld II

Die Bezieher von Arbeitslosengeld II haben gemäß Zweitem Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Anspruch auf angemessenen Wohnraum. Die Kosten dafür sind von den Kommunen zu tragen, die in eigener Verantwortung darüber entscheiden, was als angemessener Wohnraum gilt. Die derzeitigen Vorschriften der Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte sind sehr differenziert in Umfang und Ausgestaltung. Dies hat zur Folge, dass gleiche Sachverhalte unterschiedlich behandelt und entschieden werden.

In seiner Entscheidung vom 7. November 2006 hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft anhand der Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilen und in mehreren Schritten zu prüfen ist. Es gilt die so genannte Produkttheorie, nach der es unzulässig ist, wenn die Behörde die angemessene Miete aus den Einzelfaktoren (Quadratmeter - Nebenkosten - Heizkosten) bildet und bei Überschreitung eines Faktors die Wohnung als unangemessen ablehnt.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welchen Landkreisen und kreisfreien Städten haben die jeweiligen Kreistage bzw. Stadträte über die Höhe der angemessenen Wohnkosten entschieden und in welchen Landkreisen und kreisfreien Städten lediglich die Landräte bzw. die Oberbürgermeister?

2. Welche Möglichkeiten gibt es sowohl für Leistungsbezieher als auch Nichtleistungsbezieher in Kenntnis und Besitz der verwaltungsinternen Richtlinie zu kommen?

3. In welchen Landkreisen und kreisfreien Städten wird hinsichtlich der angemessenen Wohnkosten die oben genannte Produkttheorie angewandt und welche kommunalen Träger legen andere Bemessungskriterien zu Grunde und wie wird dies begründet?

4. Welche Landkreise und kreisfreien Städte haben ihre Verwaltungsvorschriften hinsichtlich der Betriebskosten entsprechend den rapiden Preissteigerungen angepasst?

5. Wie erfolgen die Überprüfung und die Feststellung der Angemessenheit der Betriebs- und Heizkosten?

6. Bis zu welcher Höhe der Kaltmiete pro Quadratmeter übernehmen die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte die Kosten (bitte Aufstellung nach jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten)?

7. Bis zu welcher Höhe der Heiz- und anderen Betriebskosten pro Quadratmeter übernehmen die Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte die Kosten (bitte Aufstellung nach jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten)?

8. Bis zu welcher Höhe werden in den Thüringer Landkreisen und kreisfreien Städten die Kosten für Erstausstattungen gewährt (bitte Aufstellung nach jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten)?

9. In welcher Höhe und aus welchen Gründen wurden in den vergangenen drei Jahren an Leistungsempfänger Nachzahlungen der Kosten der Unterkunft getätigt (bitte Aufstellung nach jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten)? 10.In welcher Höhe und aus welchen Gründen wurden in den vergangenen drei Jahren von Leistungsempfängern Rückzahlungen der Kosten der Unterkunft getätigt (bitte Aufstellung nach jeweiligen Landkreisen und kreisfreien Städten)? 11.In welchen Landkreisen und kreisfreien Städten erfolgt eine Pauschalierung der Heizkosten und wie wird dies von der Landesregierung bewertet?

12.Ist der Landesregierung bekannt, dass die in einigen Thüringer Verwaltungsvorschriften festgelegten angemessenen Miethöhen tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt nicht zu realisieren sind? Wenn ja, um welche Verwaltungsvorschriften welcher Landkreise bzw. kreisfreier Städte handelt es sich und wie bewertet die Landesregierung diese Situation?

13.Ist der Landesregierung bekannt, dass der Landkreis Saalfeld-Rudolstadt mit Kreistagsbeschluss vom September 2008 die Unterkunftsrichtlinie und damit die Pauschalierung von Leistungen in der Zahlung von Unterkunftskosten aufgehoben hat und dadurch der individuellen Prüfung den Vorrang einräumt und wie bewertet sie das?

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Juni 2009 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: In den Landkreisen Altenburger Land, Eichsfeld, Hildburghausen, Ilm-Kreis, Kyffhäuserkreis, Nordhausen, Unstrut-Hainich-Kreis, Saale-Orla-Kreis, Sömmerda, Sonneberg, Wartburgkreis und in den kreisfreien Städten Jena und Suhl haben die jeweiligen Kreistage bzw. der Stadtrat über die in den Unterkunftsrichtlinien genannten Richtwerte/Nichtprüfungsgrenzen der angemessenen Wohnkosten entschieden.

In den Landkreisen Gotha, Greiz, Saale-Holzland-Kreis und in den kreisfreien Städten Eisenach, Erfurt, Gera haben die jeweiligen Landräte bzw. Oberbürgermeister die in den verwaltungsinternen Richtlinien/Unterkunftsrichtlinien genannten Richtwerte/Nichtprüfungsgrenzen der angemessenen Wohnkosten in Kraft gesetzt.

Die Landkreise Schmalkalden-Meiningen, Saalfeld-Rudolstadt, Weimarer Land sowie die Stadt Weimar verfügen aktuell über keine durch den Kreistag bzw. den Landrat/die Landrätin/dem Oberbürgermeister verabschiedete Unterkunftsrichtlinie.

Zu 2.: In den Landkreisen Altenburger Land, Eichsfeld, Hildburghausen, Ilm-Kreis, Nordhausen, Saale-Orla-Kreis, Sonneberg und in den kreisfreien Städten Eisenach, Erfurt, Gera und Jena erfolgt eine Veröffentlichung der Unterkunftsrichtlinie bzw. der Beschlüsse der lokalen Gremien über das Amtsblatt und/oder im Internet.

Der Landkreis Sömmerda hat Informationsmaterialien zu den Kosten für Unterkunft und Heizung erstellt.

In den Landkreisen Gotha, Greiz, Kyffhäuserkreis, Saale-Holzland-Kreis, Unstrut-Hainich-Kreis, Wartburgkreis und in der kreisfreien Stadt Suhl ist eine Veröffentlichung der Unterkunftsrichtlinie nicht erfolgt. Die Bürger können sich dort über die Bestimmung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung beim Landratsamt/der Stadtverwaltung und der örtlichen ARGE informieren.

Die Landkreise Saalfeld-Rudolstadt, Schmalkalden-Meiningen, Weimarer Land und die kreisfreie Stadt Weimar verfügen aktuell über keine Unterkunftsrichtlinie. Die Hilfebedürftigen erhalten dort fallbezogene Auskünfte zur Bestimmung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung.

Zu 3.: Nach den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006, Az.: B 18/06 R und B 10/06 R, ist zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft die Produkttheorie anzuwenden. Diese meint das Produkt aus angemessener Wohnungsgröße und Wohnungsstandard. Der Wohnungsstandard schlägt sich regelmäßig im Quadratmeterpreis der Kaltmiete nieder. Leistungsberechtigte können daher beispielsweise wählen, ob sie zugunsten eines höheren Wohnungsstandards eine kleinere Wohnfläche in Kauf nehmen, soweit das Produkt angemessen ist. Die Produkttheorie wird von allen kommunalen Trägern angewendet.

Zu 4. und 5.: Nach § 22 SGB II sind Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Entscheidend für die Bestimmung der Angemessenheit ist somit der jeweilige Einzelfall (siehe auch Antwort zur Frage 11). Zur Bestimmung der Angemessenheit verweise ich auf die Antwort zu den Fragen 4 und 5 in der Kleinen Anfrage Nr. 2132 vom 1. Oktober 2007 (Drucksache 4/3536) und auf die Antwort zu der Frage 6 in der Kleinen Anfrage Nr. 1070 vom 24. November 2006 (Drucksache 4/2601). Die kommunalen Träger führen regelmäßig Prüfungen zur Realisierbarkeit der in den Unterkunftsrichtlinien/verwaltungsinternen Handlungsempfehlungen genannten Richt- bzw. Orientierungsgrößen durch (z.B. Auswertung der Betriebs- und Heizkostenabrechnungen, Umfragen bei Energieanbietern und Wohnungsunternehmen zur Kostenentwicklung). Im Ergebnis der Prüfungen werden die in den Unterkunftsrichtlinien/verwaltungsinternen Handlungsempfehlungen genannten Richt- bzw. Orientierungsgrößen bei Bedarf angepasst. Insofern wird auch die Preisentwicklung insbesondere auf dem Energiesektor berücksichtigt. Im Landkreis Altenburger Land erfolgte bisher noch keine Änderung der in der Unterkunftsrichtlinie genannten Werte.

Zu 6. und 7.: Es wird auf die Anlage verwiesen. Die darin aufgeführten Werte (Spalte 2 - Kaltmiete und Spalte 3 - Heizund Betriebskosten) sind lediglich als Richt- bzw. Orientierungsgrößen zu bewerten.

Zu 8.: Bei den nachstehend aufgeführten Werten handelt sich um Orientierungsgrößen. Auch hier ist der tatsächliche Bedarf im Einzelfall zu bestimmen.