Jahresrechnungen der Gemeinde Reichenbach

Dem Gemeinderat von Reichenbach (Saale-Holzland-Kreis) sind erst im Mai 2009 die Jahresrechnungen der Haushaltsjahre 2000 bis 2007 vorgelegt worden. Gemäß den gesetzlichen Grundlagen hätten die einzelnen Jahresrechnungen jeweils innerhalb eines Jahres vorgelegt werden müssen. Im Zusammenhang mit den vorgelegten Jahresrechnungen sollen für einzelne Haushaltsjahre gravierende Mängel festgestellt worden sein, weshalb für die Haushaltsjahre 2004 bis 2007 durch den Gemeinderat keine Feststellungen erfolgten und die Entlastungen des Bürgermeisters verweigert wurden. Zwischenzeitlich soll der Bürgermeister der Gemeinde Reichenbach, Uwe Hädrich (CDU), von seinem Amt zurückgetreten sein (vgl. Berichterstattungen der Ostthüringer Tageszeitung, Lokalausgabe Hermsdorf, am 8. Mai 2009 und 10. Mai 2009).

Der Erste Beigeordnete der Gemeinde Reichenbach ist beruflich als Kämmerer des Saale-Holzland-Kreises tätig.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Aus welchen Gründen erfolgte die Vorlage der Jahresrechnungen der Gemeinde Reichenbach für die Haushaltsjahre 2000 bis 2007 entgegen der Bestimmungen des § 82 Abs. 2 Thüringer Kommunalordnung mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von mehreren Jahren?

2. Welche Maßnahmen wurden bisher durch das Landratsamt des Saale-Holzland-Kreises in seiner Eigenschaft als untere staatliche Verwaltungsbehörde eingeleitet, um die Fristen des § 82 Abs. 2 zu wahren? Weshalb hat möglicherweise der Landrat bisher auf die Einleitung zur Fristenwahrung verzichtet? Mit welchen Maßnahmen soll künftig im Landratsamt Saale-Holzland-Kreis als untere staatliche Verwaltungsbehörde unter Verantwortung des Landrates die Einhaltung der gesetzlichen Frist zur jährlichen Rechnungsprüfung gesichert werden?

3. Welche wesentlichen Prüfergebnisse wurden durch die zuständige Rechnungsprüfung im Zusammenhang mit den Jahresrechnungen der Gemeinde Reichenbach in den Haushaltsjahren 2000 bis 2007 festgestellt (bitte Angabe nach Haushaltsjahren)?

4. Inwieweit wurde im Zusammenhang mit den festgestellten Prüfergebnissen der Jahresrechnungen der Gemeinde Reichenbach für die Haushaltsjahre 2000 bis 2007 die Einleitung haushaltsrechtlicher, disziplinarischer oder strafrechtlicher Maßnahmen geprüft und zu welchen Prüfergebnissen ist dabei die zuständige Behörde gekommen? Wie werden diese Prüffeststellungen durch die zuständige Behörde begründet? (bitte Einzelaufstellung nach Haushaltsjahren)

5. Welche weiteren Hinweise und Empfehlungen wurden der Gemeinde Reichenbach im Zusammenhang mit den festgestellten Prüfergebnissen der einzelnen Jahresrechnungen gegeben und inwieweit wurden diese Hinweise durch die Gemeinde zur Kenntnis genommen (bitte Einzelaufstellung nach Haushaltsjahren)?

6. Welche rechtlichen Folgen ergeben sich nach Auffassung der Landesregierung aus dem Verstoß gegen § 82 Abs. 2 und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

7. Mit welcher Begründung hat der Gemeinderat Reichenbach die Entlastung des Bürgermeisters verweigert und welche Rechtsfolgen können daraus mit welcher Begründung resultieren bzw. sind bisher eingetreten?

8. Zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Begründung hat der Bürgermeister der Gemeinde Reichenbach sein Amt niedergelegt und inwiefern besteht dabei ein sachlicher und/oder zeitlicher Zusammenhang zur Entscheidung des Gemeinderates, dem Bürgermeister die Entlastung zu verweigern?

9. Wie begründen der zwischenzeitlich zurückgetretene Bürgermeister und der Erste Beigeordnete der Gemeinde Reichenbach, von den offensichtlich gravierenden Verstößen im Zusammenhang mit der Haushaltswirtschaft der Haushaltsjahre 2004 bis 2007 keine Kenntnisse gehabt zu haben?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 2. Juli 2009 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Prüfung der Jahresrechnungen der Gemeinde Reichenbach erfolgte turnusgemäß mit anderen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Hermsdorf. Um den allgemeinen Prüfungsrückstand zu minimieren, erfolgte die Prüfung mehrerer Jahre in einem Prüfvorgang.

Zu 2.: Dem Landratsamt ist der allgemeine Prüfungsrückstand bekannt und es ist daher bemüht, diesen weiter abzubauen. In den letzten Jahren konnten bestehende Rückstände bereits erheblich reduziert werden.

Maßnahmen wie verstärkter Personaleinsatz, Prüfung mehrerer Jahre und der Einsatz fachspezifischer Software haben sich als erfolgreich erwiesen.

Zu 3.: Der Prüfungsbericht des Rechnungsprüfungsamtes vom 7. April 2009 wurde der Gemeinde zur Erledigung der darin genannten Beanstandungen vorgelegt. So wurden seitens der Gemeinde bei Abschluss von kreditähnlichen Rechtsgeschäften in den Haushaltsjahren 2002 und 2004 die hierfür geltenden Vorschriften nur ungenügend beachtet, Einnahmen und Ausgaben wurden teilweise nicht ordnungsgemäß im Haushalt der Gemeinde veranschlagt, geleistete Zahlungen der Gemeinde haben nicht immer einen dienstlichen Anlass erkennen lassen etc. Dies führte im Ergebnis dazu, dass die ordnungsgemäße Buchführung der Gemeinde und die Ergebnisse des kassenmäßigen Abschlusses für die Haushaltsjahre 2004 bis 2007 nicht bestätigt werden konnten.

Zu 4.: Gegen den Bürgermeister wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Prüfungsfeststellungen wurden der Staatsanwaltschaft vorgelegt.

Zu 5.: Der Prüfbericht liegt der Gemeinde und deren Verwaltung zur Erledigung der Beanstandungen vor.

Zu 6.: Derzeit wird keine Veranlassung gesehen, auf Grund der Nichteinhaltung der Sollvorschrift des § 82 Abs. 2 rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.

Zu 7.: Der Gemeinderat der Gemeinde Reichenbach hat die Entlastung für die Jahre 2004 bis 2007 nicht erteilt.

Grund hierfür sind die Feststellungen des Prüfberichtes für diese Jahre. Eine Rechtsfolge aus der Versagung der Entlastung durch den Gemeinderat ergibt sich nicht. Die Entlastung nach § 80 Abs. 3 ist vielmehr eine Maßnahme, die im Kommunalverfassungsrecht wurzelt und nur die Innenbeziehung der Gemeinde betrifft. Soweit keine Entlastung erteilt wird, kommt hierüber zum Ausdruck, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Gemeindeorganen Bürgermeister und Gemeinderat insgesamt gestört ist.

Zu 8.: Der Rücktritt des Bürgermeisters erfolgte mit Schreiben vom 24. Februar 2009 zum 7. Juni 2009. Für den Rücktritt wurden gesundheitliche Gründe angegeben. Die Verweigerung der Entlastung war nicht Grund für den Rücktritt, da diese erst am 7. Mai 2009 erfolgte.

Zu 9.: Vom Bürgermeister liegt auf Grund seiner Erkrankung keine Stellungnahme zu den Prüfungsfeststellungen vor. Der Erste Beigeordnete verweist darauf, dass es sich bei den Beanstandungen um den alleinigen Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters handelt.