Bildung

Der Gemeinderat hat bei seiner Ausschussbildung ein hohes Ermessen. Die Thüringer Kommunalordnung regelt nicht, wann Ausschüsse zu bilden sind und für welchen Zeitraum sie arbeiten müssen.

Nach § 22 Abs. 3 hat der Gemeinderat gegenüber dem Bürgermeister ein Informations- und Akteneinsichtsrecht im Zusammenhang mit der Überwachung und Kontrolle der Erfüllung von Gemeinderatsbeschlüssen. Das Recht ist zu gewähren, wenn es mindestens ein Viertel der Gemeinderatsmitglieder verlangt. Zur Wahrnehmung dieser Rechte kann der Gemeinderat einzelne Gemeinderatsmitglieder oder einen Ausschuss beauftragen. Damit hätte, auch entsprechend dem Kommentar zur Thüringer Kommunalordnung durch die Kommentatoren Uckel/Hauth/Hoffmann, ein solcher (zeitweilig) beauftragter Ausschuss den Charakter eines Untersuchungsausschusses.

Der Gemeinderat von Liebenstein (Ilm-Kreis) hat in seiner Sitzung am 23. September 2009 die Bildung eines Untersuchungsausschusses Verkauf Kindergarten beschlossen. Der Beschluss nimmt auf § 22Abs. 3 Bezug. Der zuständige Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende hat diesen Beschluss beanstandet, weil aus seiner Sicht die Thüringer Kommunalordnung keine Ermächtigung für die Bildung von Untersuchungsausschüssen in Gemeinden enthalte. Solche Ausschüsse könnten nur Landtage und der Bundestag bilden.

Das Thüringer Innenministerium ist oberste Rechtsaufsicht der Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welchen rechtlichen Beschränkungen unterliegt ein Gemeinderat bei der Bildung eines Ausschusses?

2. Unter welchen Voraussetzungen kann ein Gemeinderat einen zeitweiligen Ausschuss bilden?

3. Inwieweit hat der Gemeinderat bei der Bezeichnung von Ausschüssen ein Ermessen? Welche rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Bezeichnung Untersuchungsausschuss für einen gemeindlichen Ausschuss, der nach § 22 Abs. 3 das Informations- und Akteneinsichtsrecht wahrnimmt? Wie werden diese Bedenken durch die Landesregierung begründet? Inwieweit führt die Bezeichnung Untersuchungsausschuss zur Unwirksamkeit des Gemeinderatsbeschlusses über die Bildung des Ausschusses? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassungen?

4. Wie begründet der zuständige Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende die Beanstandung des dargestellten Beschlusses des Gemeinderates Liebenstein und wie wird diese Begründung rechtsaufsichtlich durch die Landesregierung bewertet?

5. Wann hat die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde über die Beanstandung des dargestellten Gemeinderatsbeschlusses durch den Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzenden entschieden? Welche Entscheidung wurde dabei getroffen und wie wurde diese Entscheidung begründet? Mit welcher Begründung wurde ggf. über die Beanstandung bisher noch nicht entschieden und wann soll nach bisherigem Kenntnisstand der Behörde eine Entscheidung getroffen werden?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Januar 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Nach § 26 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung kann der Gemeinderat für bestimmte Aufgabenbereiche, für die er die Organzuständigkeit besitzt, Ausschüsse zur Vorbereitung seiner Beschlüsse (vorberatende Ausschüsse) oder zur abschließenden Entscheidung (beschließende Ausschüsse) bilden.

Die Bildung der Ausschüsse steht grundsätzlich im Ermessen des Gemeinderats, soweit nicht durch Gesetz die Ausschussbildung bindend vorgeschrieben ist (Pflichtausschüsse).

Zu 2.: Die Bildung von zeitlich begrenzten Ausschüssen kommt in Betracht, wenn eine bestimmte zeitlich begrenzte Aufgabe durchgeführt werden soll.

Zu 3.: Die Bezeichnung seiner Ausschüsse steht grundsätzlich im Ermessen des Gemeinderats. In der Regel wird sich die Benennung nach dem übertragenen Aufgabengebiet richten. Zur Vermeidung von Missverständnissen sollte die Bezeichnung die Organzuständigkeit des Gemeinderats erkennen lassen.

Ein gemeindlicher Ausschuss, der nach § 22 Abs. 3 das Informations- und Akteneinsichtrecht wahrnimmt, kann auch als Untersuchungsausschuss bezeichnet werden. Eine solche Bezeichnung allein führt noch nicht zur Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses über die Bildung des Ausschusses. Es dürfen dem Ausschuss jedoch keine über die Organzuständigkeit des Gemeinderats hinausgehenden Befugnisse eingeräumt werden. Dem nach § 22 Abs. 3 mit der Akteneinsicht beauftragten Ausschuss stehen die Rechte eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses nach Artikel 64 Verfassung des Freistaats Thüringen nicht zu. Die kommunalen Vertretungen sind als Verwaltungsorgane auf den Rahmen der Kompetenzen nach der Thüringer Kommunalordnung beschränkt.

Zu 4.: Der Gemeinschaftsvorsitzende hat die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 47 Abs. 2 Satz 5 darüber unterrichtet, dass er den Beschluss Nr. 010-23/09/09 des Gemeinderats der Gemeinde Liebenstein für rechtswidrig halte, weil die Thüringer Kommunalordnung die Bildung von Untersuchungsausschüssen zur Überprüfung von bereits getroffenen Gemeinderatsentscheidungen nicht vorsehe.

Die Begründung des Gemeinschaftsvorsitzenden ist durch die Landesregierung nicht rechtsaufsichtlich zu bewerten. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 5 verwiesen.

Zu 5.: Die Prüfung und Bewertung des fraglichen Gemeinderatsbeschlusses obliegt der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde. Die Rechtsaufsichtsbehörde hat in der Sache noch keine Entscheidung getroffen. Sie hat mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 die Gemeinde Liebenstein gebeten, den Beschluss nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Die Gemeinde hat Gelegenheit, im Rahmen der Anhörung darzulegen, dass sich die Aufgaben des Ausschusses auf die Rechte nach § 22 Abs. 3 beschränken. Über die Aufhebung soll in der Gemeinderatssitzung am 18. Februar 2010 beraten werden.