Um- und Ausbau der Bundesstraße (B) 88 mit Gewerbegebietsanbindung Maua und Neubau Ortsumgehung Rothenstein

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Gründe sprechen dafür, dass entgegen dem durchgeführten Raumordnungsverfahren die o.g. Ortsumgehung Rothenstein bis zur Höhe des Tunnelportals vierstreifig ausgeführt wird und sodann auf zwei Fahrspuren eingeschnürt wird?

2. Ist die Feststellung zutreffend, dass etwa 50 Prozent des Verkehrsaufkommens am Knotenpunkt Rothenstein die B 88 verlässt? Wenn ja, wurden Untersuchungen angestellt, wohin diese Verkehrsströme im Sinne eines Ziel- und Quellverkehrs fließen und wenn ja, welche und mit welchem Ergebnis?

3. Wurde eine der Interessen der anliegenden Bevölkerung und des Naturschutzes hinsichtlich der Ausformung des Bauwerks 2.3 (Dammschüttung mit zu groß geplantem Durchlass/Durchlass als Flugtunnel für Fledermäuse vorgesehen) vorgenommen, wenn ja, mit welchem Ergebnis und wie wurde dies hinsichtlich der abzuwägenden Belange im Einzelnen begründet? (Die Frage richtet sich insbesondere auch auf die Besonderheiten des Hochwasserschutzes für die anliegende Bevölkerung.)

4. Entspricht es den Grundsätzen der Kostenersparnis, wenn nach Abschluss der Bauarbeiten und Inbetriebnahme der Ortsumgehung die Bestandsstraße der B 88 zurückgebaut werden soll, wo in den bekannten Planwerken, wie z. B. Masterplan, die Flächen zwischen den Straßen als perspektivische Gewerbeflächen ausgewiesen sind und wenn ja, wie wird dies begründet? Wie erfolgt nach dem Rückbau die Erschließung des gesamten Gebietes?

5. Soll sowohl bauzeitlich als auch über die Bauzeit hinaus der Umgehungsverkehr über zu errichtende Brückenbauwerke über die Saale durch die Ortslage Oelknitz geführt werden? Wenn ja, wurde die Lebensqualität der Bevölkerung des genannten Gebietes sowie der Fluss des Umgehungsverkehrs über die dicht befahrene Bahnstrecke Berlin­München (durch geschlossene Bahnschranken erhebliche Stauerscheinungen und hieraus entstehende weitere Belastungen) bei der Abwägung und Entscheidung berücksichtigt? Wie wurde der zu erwartende Umgehungsverkehr in der Ortslage Oelknitz und die daraus resultierenden erheblichen Einsprüche der betroffenen Bevölkerung bei der Abwägung berücksichtigt?

6. Ist die Feststellung zutreffend, dass nach einer Gesamtbetrachtung des vorliegenden Planfeststellungsbeschlusses mit einem Aufwand von etwa neun Brücken, unzähligen Durchlässen und einem erheblichen Landschaftsverbrauch der gleiche Zustand erreicht wird, wie er zum jetzigen Zeitpunkt festzustellen ist (morgendlicher Stau in Fahrtrichtung Jena und abendlicher Stau in Fahrtrichtung Kahla auf Grund der Einschnürung von vier auf zwei Spuren) und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

Falls nein, warum nicht?

7. Plant die Landesregierung zum Abbau der in Frage 6 genannten Staus die Errichtung einer zweiten Tunnelröhre?

8. Ist die Feststellung zutreffend, dass ein Planwerk mit Mängeln bezüglich

- des Standes der Technik,

- der Lösungen zum Lärmschutz,

- der Beeinträchtigungen der betroffenen Bevölkerung an der gesamten Strecke, beginnend in Maua bis hin zur Ortslage Schöps, sowie

- der Abwägungsprozesse insgesamt nicht planfestgestellt werden sollte? Falls nein, warum nicht?

Das Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 28. Januar 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Im Raumordnungsverfahren wird nur über die grundsätzliche Linienführung entschieden und nicht über die Anzahl der Fahrstreifen. Die Anzahl der Fahrstreifen ergibt sich aus den Festlegungen des Bedarfsplans sowie aus der prognostizierten Verkehrsbelegung. Die B 88 Ortsumgehung Rothenstein ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen mit einem zweistreifigen Querschnitt in den vordringlichen Bedarf eingestuft. Für die B 88 nördlich Rothenstein bis zur Bundesautobahn (BAB) 4 ist im weiteren Bedarf des Bedarfsplans ein 4-streifiger Ausbau festgeschrieben.

Aufgrund der für den Prognosehorizont 2020 ermittelten Verkehrsbelegung von ca. 24 400 bis 25 500 Kfz/24h im Abschnitt von der BAB 4 bis zum Knoten Rothenstein wurde vom Bundesverkehrsministerium die Zustimmung für einen vorgezogenen 4-streifigen Ausbau der B 88 in diesem Abschnitt erteilt.

Für den Abschnitt südlich des Knotenpunkts Rothenstein bis zum südlichen Ende der Ortsumgehung bewegen sich die ermittelten Prognosewerte zwischen 21 600 und 20 900 Kfz/24h. Hierfür wurden auf der Basis des verkehrstechnischen Gesamtkonzepts eine Abschätzung der praktischen Leistungsfähigkeit und eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt. Im Ergebnis wurde ein im Rahmen der Bedarfsplanfestlegung liegender 2- bzw. 3-streifiger Querschnitt (abschnittsweise Anordnung eines Zusatzfahrstreifens) als ausreichend nachgewiesen und vom Bund bestätigt.

Zu 2.: nein.

Zu 3.: Ja - der Durchflugtunnel für Fledermäuse resultiert aus den Forderungen des Naturschutzes, die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen zum Europäischen Artenschutz und der durchgeführten Speziellen Artenschutzrechtlichen Prüfung ableiten. Das Tal wird von einer Vielzahl von Fledermäusen, die unter Artenschutz stehen, durchflogen. Der geplante Durchlass trägt dazu bei, die ökologische Funktionalität des Lebensraums der Fledermäuse zu erhalten.

Im Rahmen der Planung wurde eine hydraulische Berechnung durchgeführt, die auch die Hochwasserschutzproblematik berücksichtigt und Bestandteil der planfestgestellten Unterlagen ist. Sie wurde durch die zuständigen Wasserbehörden geprüft und bestätigt. Es wurden keine Bedenken hinsichtlich eines unzureichenden Hochwasserschutzes geltend gemacht.

Zu 4.: Es erfolgt ein Rückbau der B 88 alt zwischen dem Knotenpunkt Rothenstein und dem Knotenpunkt Maua zu einem Wirtschafts- und Verbindungsweg auf ca. 3,50 m Breite, der insbesondere für die Landwirtschaft und anderen Langsamfahrverkehr erforderlich ist, da die B 88 n als Kraftfahrstraße ausgebaut werden soll.

Der Rückbau (Entsiegelung) ist Teil einer landschaftspflegerischen Maßnahme zum Ausgleich der Versiegelung und Teilversiegelung produktiver Böden durch den Straßenausbau und -neubau.

Die Erschließung des zukünftigen Gewerbegebietes zwischen B 88 alt und neu ist Aufgabe des Investors.

Nach des Investors, die mit der Straßenbauverwaltung abgestimmt sind, soll die Erschließung der Kreisstraße (K) 166 erfolgen. Gegenwärtig endet die K 166 aus Ölknitz kommend an der B 88 in Rothenstein und wird zukünftig über die B 88 alt in Rothenstein bis zum Knotenpunkt Rothenstein zur Herstellung des Netzschlusses verlängert. Für das geplante Gewerbegebiet liegt keine Bebauungsplanung vor. Deshalb beinhaltet die Planfeststellung keine Verkehrsanbindung der Vorbehaltsfläche des Gewerbegebietes.

Zu 5.: Die Wirtschaftswegebrücke über die Saale dient während der Bauzeit der Verkehrsführung dem Umleitungsverkehr. Die Umleitungsstrecke wird nach der Baumaßnahme zurückgebaut. Die Wirtschaftswegebrücke über die Saale dient nach der Bauzeit lediglich dem langsamfahrenden Verkehr. Gleichzeitig wird der Saaleradweg über diese Brücke geführt.

Der Vorhabenträger hat aufgrund der im Planfeststellungsverfahren vorgebrachten Einwendungen im Zuge der Planungsfortschreibung (1. und 2. Planänderung) die Behelfsumfahrung optimiert. Insbesondere wurden die Zu- zum Wohngebiet Ölknitz neu geregelt, um Schleichverkehr zu unterbinden. Ebenso wurde ein paralleler Gehweg und eine Querungshilfe im Bereich der K 166 vorgesehen sowie verkehrsregulierende Maßnahmen berücksichtigt. Für die Zeit der Behelfsumfahrung bzw. des Ausbaus der K 166 wurden im Planfeststellungsbeschluss Schallschutzmaßnahmen für die Ortslage von Ölknitz (geschlossener Bauzaun, Lärmschutzwall) festgelegt.

Zu 6.: Nein - der Verkehrszustand wird sich durch den geplanten Aus- und Neubau der B 88 erheblich verbessern.

Die Führung der B 88 von Kahla über die BAB 4 auf die Stadtrodaer Straße und in Gegenrichtung erfolgt zukünftig völlig kreuzungs- und ampelfrei. Im Rahmen einer detaillierten Verkehrsuntersuchung und einer Verkehrsflusssimulation wurde nachgewiesen, dass der im Zusammenwirken mit den nördlich und südlich angrenzenden vier- und dreistreifigen Abschnitten auch bei der ermittelten Prognosebelegung noch eine ausreichende Leistungsfähigkeit besitzt.

Zu 7.: Die Planung berücksichtigt, dass gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt eine zweite Tunnelröhre nachgerüstet werden kann, wenn ein entsprechender Verkehrsbedarf nachgewiesen wird. Die Entscheidung über den Bau wird durch den Bund getroffen.

Zu 8.: Das Landesverwaltungsamt hat als zuständige Planfeststellungsbehörde die im Planfeststellungsverfahren vorgebrachten öffentlichen und privaten Belange geprüft und gegeneinander abgewogen. Ebenso wurde geprüft, ob das geplante Straßenbauvorhaben mit den geltenden Gesetzen, Vorschriften und Richtlinien vereinbar ist. Im Ergebnis wurde der Plan festgestellt und nach Abwägung der öffentlichen und privaten Belange sowie der Umweltauswirkungen die Straßenbaumaßnahme für vertretbar gehalten. Die getroffene Entscheidung unterliegt nunmehr nur noch in den Fällen, in denen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss eingereicht worden sind, der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht.