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Sitzung am 26. Februar 2010 folgenden Beschluss gefasst:

In der Wahlanfechtungssache des NPD-Landesverbandes Thüringen, Postfach 10 16 39, 99817 Eisenach

- vertreten durch den Landesvorsitzenden Herrn Frank Schwerdt - AZ: 1215-1/2009-3/09 gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Thüringer Landtag am 30. August 2009 beschließt der Landtag:

Der Einspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2009, beim Landtag eingegangen am 14. Oktober 2009, hat der Einspruchsführer Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 5. Thüringer Landtag eingelegt.

Zur Begründung hat der Einspruchsführer folgendes vorgetragen:

In der Stadt Weimar (Wahlkreis 32) sei im Wahlbezirk 17 von den Wählern kein Personalausweis verlangt worden und die Wahlurne sei vor 18.00 Uhr bereits geöffnet gewesen. Dies ergebe sich aus zwei von ihm beigefügten eidesstattlichen Versicherungen.

Als Beleg legte der Einspruchführer Kopien eidesstattlicher Versicherungen zweier Wähler vor. Darin wird von einem Wähler Martin R. angegeben, dass er um 13.30 Uhr wählen war und zu diesem Zeitpunkt das amtliche Siegel noch ungebrochen war, von einer Wählerin Sabine R wird angegeben, dass sie um 17.45 Uhr wählen war und zu diesem Zeitpunkt das amtliche Siegel bereits gebrochen war. Gleichzeitig wird von ihr jedoch bestätigt, dass die Wahlurne lediglich mit einem Kabelbinder verschlossen war.

Beide Wähler bekunden darüber hinaus in ihren Schreiben, dass von ihnen vor dem Wahlgang kein Personalausweis verlangt wurde.

Bezüglich des Weimarer Wahlbezirks 44 führt der Einspruchsführer aus, dass dort offiziell festgestellt worden sei, dass es keine Stimmen für die NPD gegeben habe, obwohl aus drei von ihm in Kopie beigefügten eidesstattlichen Versicherungen von Wählern aus dem Bezirk hervorgehe, dass diese Personen die NPD gewählt hätten.

Als Beleg fügte der Einspruchsführer die Schreiben dreier Personen bei, die jeweils gleichlautend die Aussage enthalten, dass die Unterzeichner im Stimmbezirk 44 ihre Landes- sowie Wahlkreisstimme der NPD gege ben hätten und man den Stimmzettel sachgemäß angekreuzt habe, so dass eine Ungültigkeit des Stimmzettels nicht möglich sei.

Der über den Landeswahlleiter um Stellungnahme gebetene Kreiswahlleiter von Weimar sowie die Wahlvorsteher haben zu den Vorgängen in den Stimmbezirken 17 und 44 dargelegt, dass die Wahlurnen mit verschließbaren Deckeln versehen gewesen seien. Die Urnen seien aber nicht versiegelt, sondern mit Kabelbindern verschlossen worden, die erst nach 18.00 Uhr geöffnet worden seien. Für die Landtagswahlen seien weder Siegelmarken noch Klebeetiketten für die Urnen verwendet worden, teilweise seien aber noch die alten Klebeetiketten vorangegangener Wahlen auf den Urnen verblieben.

Auf die Vorlage der Personalausweise vor der Wahlhandlung habe verzichtet werden können, da dies vom Gesetz nicht gefordert werde.

Im Wahlbezirk 44 entfielen nach dem offiziellen Endergebnis insgesamt 28 Wahlkreisstimmen auf die NPD, es wurden jedoch für die NPD keine Landesstimmen festgestellt. Zu den Vorgängen im Stimmbezirk 44 teilte der Kreiswahlleiter des Stimmbezirks nach Befragung der Wahlvorsteher und seines Stellvertreters mit, dass die Stimmenauszählung ordnungsgemäß erfolgt sei und durch den Wahlvorstand keine Landesstimmen für die NPD festgestellt worden seien. Die Anzahl der abgegebenen Stimmen habe mit der Zahl der Wähler übereingestimmt. Es sei anzunehmen, dass die Stimmen der drei NPD-Wähler, von denen die eidesstattlichen Versicherungen vorgelegt wurden, als ungültig gewertet worden seien. Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Stimmen dieser drei Wähler nicht ungültig gewesen wären, würde dies nichts am Wahlergebnis für die Landesstimme ändern, weil dadurch die Verteilung der Sitze nicht beeinflusst worden wäre.

Entscheidungsgründe:

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet.

Nach § 57 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 des Thüringer Landeswahlgesetzes kann der Wahlprüfungsausschuss vor seiner Beschlussfassung von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Einspruch offensichtlich unbegründet ist. Ein Antrag ist dann offensichtlich unbegründet, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung kein Gesichtspunkt erkennbar ist, der ihm zum Erfolg verhelfen kann. Dabei setzt die Beurteilung nicht voraus, dass die Unbegründetheit des Rechtsbehelfs auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein 89, 243, 250).

Der Wahlprüfungsausschuss des Thüringer Landtags kam nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass der Einspruch gegen das Vorliegen des Ergebnisses der Landtagswahl zum 5. Thüringer Landtag offensichtlich unbegründet ist und hat deshalb nach § 54 Abs. 1 Nr. 3 durch einstimmigen Beschluss von einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Der Einspruch ist entsprechend den Voraussetzungen des § 52 Abs. Satz 1 und Abs. 3 beim Thüringer Landtag rechtzeitig und formgerecht eingegangen. Er ist nach § 53 i. V. m. § 54 zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet.

Zu dem Vorbringen des Einspruchsführers, dass die Wahlurne im Wahlbezirk 17 bereits vor 18.00 Uhr geöffnet worden sei, ist festzustellen, dass sowohl die vom Kreiswahlleiter nach Befragung des Wahlvorstehers und seiner Stellvertreterin getroffene Aussage, dass die Wahlurne erst nach 18.00 Uhr geöffnet worden sei, als auch die Wahlniederschrift, wonach die Wahlurne vor Beginn der Stimmabgabe verschlossen wurde (Wahlniederschrift Ziff. 2.2), besondere Vorfälle während der Wahlhandlung nicht zu verzeichnen waren (Wahlniederschrift Ziff. 2.6) und unmittelbar im Anschluss an die Stimmabgabe die Wahlurne geöffnet wurde (Wahlniederschrift Ziff. 3.1), die Behauptung des Einspruchsführers, dass die Wahlurne bereits vor 18.00 Uhr geöffnet worden sei, widerlegen. Auch die vorgelegten Kopien eidesstattlicher Versicherungen bezeugen nicht die vorzeitige Öffnung der Wahlurne an sich, sondern sagen nur aus, dass ein amtliches Siegel auf der Wahlurne um 13.30 Uhr noch ungebrochen, um 17.45 Uhr bereits gebrochen gewesen sein soll. Diesem Erklärungsinhalt stehen allerdings die Angaben des Kreiswahlleiters und des Wahlvorstehers und der stellvertretenden Wahlvorsteherin des Wahlbezirks 17 sowie des stellvertretenden Wahlvorstehers des Wahlbezirks 44 entgegen, wonach die Wahlurnen nicht versiegelt, sondern mit Kabelbindern verschlossen waren und weitere sicherheitsrelevante Vorkehrungen neben den Kabelbindern nicht angebracht waren.

Da die geltende Landeswahlordnung das Verschließen der Wahlurnen, aber nicht deren Versiegelung vorschreibt, steht der Verschluss der Wahlurne mittels Kabelbindern nicht im Widerspruch zu den Wahlvorschriften.

Dass diese Form des Verschlusses hier für den gesamten Zeitraum der Stimmabgabe erfolgt ist, kann auch mit den beiden vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nicht in Zweifel gezogen werden. Denn aus der Versicherung der Wählerin Sabine R. geht hervor, dass die Wahlurne um 17.45 Uhr mit einem Kabelbinder verschlossen war und die Erklärung des Wählers Martin R. geht auf die Frage, ob die Wahlurne mit einem Kabelbinder verschlossen war, überhaupt nicht ein. Beide Versicherungen stehen also nicht im Widerspruch zu den Erklärungen des Wahlvorstands und seiner Stellvertreterin im Wahlbezirk 17, dass die Wahlurnen mit Kabelbindern verschlossen waren und nicht vor 18.00 Uhr geöffnet wurden. Die Frage, was die beiden Wähler als gebrochenes oder ungebrochenes Siegel wahrgenommen haben, kann dahingestellt bleiben, da jedenfalls der - ausreichende - Verschluss mittels Kabelbindern nicht bestritten wird und sich damit aus den vorgelegten Versicherungen und den Stellungnahmen der Wahlorgane kein Widerspruch ergibt, der einen Wahlfehler belegen könnte.

Nachdem keine weiteren Hinweise auf eine tatsächliche Öffnung vorliegen und sowohl die Stellungnahme des Kreiswahlleiters nach Rücksprache mit dem Wahlvorsteher und seiner Stellvertreterin als auch die Wahlniederschrift des Wahlbezirks 17 die Öffnung der Wahlurne erst im Anschluss an die Schließung der Wahl um 18.00 Uhr bestätigen, liegt im Ergebnis hier kein Wahlfehler vor.

Gleichwohl sollte sowohl im Falle der Versiegelung von Wahlurnen als auch bei dem anderweitigem Verschluss von Wahlurnen der Urnenverschluss selbst für flüchtige Betrachter eindeutig nachvollziehbar sein, indem die Wahlurnen vor Beginn der Wahlhandlung von den Siegelresten und Klebeetiketten vorangegangener Wahlen befreit werden oder diese vollständig durch das jeweils aktuelle Siegel/Etikett überdeckt werden. Dies war bei den - mit Kabelbindern verschlossenen - Wahlurnen im Wahlbezirk Weimar nicht der Fall, so dass dort der falsche Anschein entstehen konnte, ein für die laufende Wahl relevantes Siegel/Etikett sei während der Wahlzeit gebrochen worden.