Absicherung eines erfolgreichen Übergangs ins Alltagsleben nach der Haft

Die Kleine Anfrage 405 vom 24. Februar 2010 hat folgenden Wortlaut:

Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass der Verlauf der unmittelbaren Phase nach Entlassung aus der Haft entscheidend ist für die Frage, ob Betroffene wieder rückfällig werden oder ob eine erfolgreiche Resozialisierung auf Dauer gelingt. In der Diskussion um das Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz wurde auch von der damaligen CDU-Landesregierung betont, dass deshalb das neue Gesetz ein besonderes Augenmerk auf diese Übergangsphase richten werde und hier insbesondere die sozialen Unterstützungsangebote von besonderer Bedeutung seien. Dazu müsste auch schon während der Haftzeit an der Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Leben danach gearbeitet werden (z. B. durch Maßnahmen der Schuldenregulierung).

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Strukturen, Maßnahmen und Angebote der sozialen Hilfen gemäß § 8 Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetz gibt es derzeit in Thüringer Jugendstrafanstalten (JSA) und wie haben sich diese in Anzahl, Umfang und Ausgestaltung seit dem Jahr 2004 jeweils verändert (bitte nach Maßnahme/Angebot und Träger/Anbieter und Jahreszeitraum/Maßnahmezeitraum aufschlüsseln)?

2. Inwiefern machen sich allgemeine Probleme bei Trägern/Anbietern und deren Angebote im Sinne des § 8 auch im Rahmen der Dienstleistungen für Gefangene im Jugendstrafvollzug bemerkbar (z. B. Arbeitsüberlastung der Schuldnerberatungsstellen)? Welche Unterstützung geben hier die JSA oder andere Organisationen, um eine wirksame Dienstleistung für die betroffenen Gefangenen sicherzustellen? Gab es in der Vergangenheit Beschwerden über Mängel des Angebots an sozialen Hilfen?

3. Was bedeutet im praktischen Vollzugsalltag frühzeitige Zusammenarbeit bei der Entlassvorbereitung im Sinne des § 19 und in welcher Form findet diese statt? Findet diese nur auf der administrativen Ebene statt oder auch durch Kontaktaufnahme mit den Gefangenen und Angehörigen des Gefangenen (z. B. von Seiten der Bewährungs- und Straffälligenhilfe)?

4. Wie wird derzeit in der Praxis die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 - Lockerung des Vollzugs zur Entlassvorbereitung - umgesetzt? Wie viele Gefangene hatten seit Inkrafttreten des Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetzes bis zum Stichtag 31. Dezember 2009 Vollzugslockerungen bewilligt bekommen? Wie viele davon zur Vorbereitung der Entlassung? Wie viele Fälle von Entlassvorbereitungs-Urlaub im Sinne des § 19 Abs. 3 gab es seit Inkrafttreten des Thüringer Jugendstrafvollzugsgesetzes bis zum Stichtag 31. Dezember 2009 und wie viele Ablehnungen gab es?

5. Welche Maßnahmen und Angebote der Hilfen bei Entlassung und der Nachsorge gibt es derzeit in Thüringen insbesondere mit Blick auf einen erfolgreichen Übergang in Ausbildung bzw. Weiterbildung und Arbeit nach der Haftzeit? Wie ist daran die Jugendstrafanstalt beteiligt? Welche Einrichtungen und Organisationen sind in Thüringen derzeit in Unterstützungsleistungen bei Entlassung und in die Nachsorge einbezogen? Gibt es für diesen Bereich Evaluierungsaktivitäten? Welches Ergebnis hatten diese?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 3. Mai 2010 wie folgt beantwortet:

Im Rahmen der sozialen Hilfe (§ 8 werden die Gefangenen durch die Vollzugseinrichtung, gemeinnützig tätige Träger sowie ehrenamtliche Vollzugshelfer darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Das Jugendamt wird über die Aufnahme informiert; Personensorgeberechtigte erhalten Gelegenheit, sich aktiv in den Behandlungsprozess einzubringen

Die soziale Hilfe erstreckt sich von der Aufnahme des Gefangenen in die Vollzugseinrichtung

Die nach vorstehender Struktur getroffenen Feststellungen bzw. Maßnahmen (Teilziele) werden schrittweise, d.h. in Abhängigkeit von Haftdauer und (erfolgreichem) Verlauf, in täglicher Arbeit mit dem Gefangenen umgesetzt. Dabei stehen den Gefangenen folgende Angebote zur Verfügung:

1. individuelle Unterstützung bei der Klärung sozialer Belange,

2. Schuldenregulierung,

3. Deliktaufarbeitung, Antigewalttraining -AGT- (Projekt Alpha),

4. Deliktaufarbeitung beim psychologischen Dienst und sozialen Dienst in Einzelgesprächen,

5. Suchtbehandlung,

6. Einzelbetreuung familiengelöster Gefangener (Verein DO - Projekt Beratung in sozialen Fragen),

7. Aidshilfe,

8. im Rahmen der Entlassungsvorbereitung

a) begleitete Ausgänge (Projekt DO - Wege ohne Gewalt),

b) Vermittlung in betreute Wohnformen,

c) Integration in den ersten Arbeitsmarkt (Arbeit oder eine weiterführende Ausbildungsmaßnahme) einschließlich sechsmonatiges Nachsorgeangebot durch den Bildungsträger (Projekt B.I.S.S. - (Berufs-) Bildung und Integration Strafgefangener und Strafentlassener -). Strukturen, Maßnahmen und Angebote der sozialen Hilfen haben sich in Anzahl, Umfang und Ausgestaltung seit dem Jahr 2004 wie folgt verändert: Maßnahme/ Träger/ Jahres-/ Veränderung seit 2004

Angebot Anbieter Maßnahmezeitraum Strukturelle Veränderung:

Zu 3) JSA ganzjährig 2008 Einrichtung einer sozial therapeutischen Abteilung Veränderungen bei Maßnahmen/Angeboten:

Zu 1) JSA ganzjährig Bedarfszunahme

Zu 2)

a) JSA

a) ganzjährig

a) Bedarfszunahme

b) Bewährungs- und b) 1x monatlich b) seit 1. Februar 2007

Straffälligenhilfe Erfurt vier Stunden

Maßnahme/ Träger/ Jahres-/ Veränderung seit 2004

Angebot Anbieter Maßnahmezeitraum Veränderungen bei Maßnahmen/Angeboten:

Zu 4) JSA ganzjährig Bedarfszunahme,einzelfallbe zogene Maßnahmen

Zu 5)

a) JSA

a) ganzjährig a+b) Bedarfszunahme

b) Suchtberatung in Thüringen b) seit 1. Juni 2000

Zu 6) Verein DO von 2000 bis 2008 Projektwechsel (vgl. Nr. 8a)

Zu 7) Aidshilfe Erfurt seit 2007 Maßnahme 2008 beendet, da nach Bedarf kein Bedarf mehr bestand

Zu 8a) Verein DO ganzjährig seit Januar 2009

Zu 8b) JSA ganzjährig Bedarfszunahme Veränderungen, die in die Struktur und zugleich in das Maßnahmeangebot eingegriffen haben:

Zu 8c) Grone Bildungszentren ganzjährig seit November 2007 sechs Thüringen bis Dezember 2012 monatiges Nachsorgeangebot (B.I.S.S.)

Den Trägern bereitet oftmals der nahtlose Übergang (vorzeitig) Entlassener

- in eine anschließende Bildungsmaßnahme oder

- in eine betreute Wohnform Schwierigkeiten. Beispielsweise beriefen sich in der Vergangenheit verschiedene Arbeitsagenturen/ARGEN darauf, dass konkrete Vermittlungsbemühungen erst mit der persönlichen Meldung des Entlassenen beim Amt beginnen konnten.

In diesem Kontext steht auch das Problem der Arbeitsberatung im Rahmen der Entlassungsvorbereitung.

So hat das Bemühen der Vollzugsverwaltung, wonach auch diejenigen Gefangenen von der für den Sitz der Vollzugsanstalt zuständigen Arbeitsagentur/ARGE beraten werden sollten, die außerhalb deren Zuständigkeitsbereiches gemeldet sind, noch nicht die erhofften Ergebnisse getragen.

Die Gewinnung ehrenamtlicher Vollzugshelfer gestaltet sich schwierig, weil finanzielle Aufwandsentschädigungen nicht gewährt werden können.

Schriftliche Beschwerden über ein mangelndes soziales Hilfsangebot hat es bislang nicht gegeben.

Zu 3.: Jede Vollzugsmaßnahme dient de facto der Entlassungsvorbereitung (z. B. Schuldnerberatung, Berufsausbildung für die Aufnahme einer bestimmten Arbeit nach der Entlassung, Antigewalttraining), sodass bei entsprechendem Bedarf gegebenenfalls schon zu Haftbeginn eine Zusammenarbeit des Gefangenen mit dem Träger erfolgt.

Um zu erreichen, dass jedem Gefangenen am Entlassungstag eine Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle (§ 19 Abs. 1 zur Verfügung steht, wird jedem Gefangenen bei Bedarf entsprechende Hilfe im Rahmen der unmittelbaren Entlassungsvorbereitung angeboten, die in der Regel sechs Monate vor der Entlassung einsetzt.

Die Vollzugsanstalt bedient sich dabei ihrer Netzwerkpartner (insbesondere Arbeitsagentur/ARGE, Sozialamt, Bildungsträger, Bewährungshilfe, Jugendgerichtshilfe); Bewährungs- und Jugendgerichtshilfen nehmen auch ohne vorausgegangener Initiative der Vollzugsanstalt Kontakt zu Inhaftierten und/oder ihren Angehörigen auf.