Grundstück

Der Petitionsausschuss forderte das Innenministerium auf, zu der Petition Stellung zu nehmen. Dieses hat in seinen Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass ein Beitrag für Teile der öffentlichen Entwässerungseinrichtung nach § 7 Abs. 1 Satz 5 und 6 Thüringer Kommunalabgabengesetz selbständig erhoben werden könne (so genannte Kostenspaltung). Bei leitungsgebundenen Einrichtungen könnten Beiträge für Teile einer Einrichtung selbständig erhoben werden, wenn diese Teile nutzbar seien. Nach der Beitrags- und Gebührensatzung des Zweckverbandes werde der Beitrag zum einen für das Kanalnetz und zum anderen für die Kläranlage gesondert erhoben. Die Beitragspflicht entstehe für die nutzbare Teileinrichtung im Falle der Kostenspaltung auch dann, wenn der vorgesehene Anschluss an die übrige Einrichtung (Kläranlage) noch nicht erfolgt sei.

Für den Petitionsausschuss war zunächst nicht ersichtlich, warum der Zweckverband den Teilbeitrag für das Kanalnetz erhoben hat, obwohl gegenwärtig nur ein Teilanschluss (nur ein Teil des Schmutzwassers und das Regenwasser können in den öffentlichen Kanal eingeleitet werden) besteht und die Abwasserkonzeption des Zweckverbandes demgegenüber einen Vollanschluss (Einleitung des gesamten Schmutzwassers) vorsieht.

Hierzu ergänzte das Innenministerium, dass sich der Zweckverband mit seiner Beitragserhebung den Vorteil abgelten lasse, den das Gründstück durch die erstmalige Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung erhalte. Die Petenten seien mit ihrem Beitrag nicht für den Schmutzwasserkanal und den Regenkanal im Bereich des Marktes herangezogen worden. Der Beitrag sei die Gegenleistung für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung im gesamten Verbandsgebiet.

Der Petitionsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass die Beitragserhebung des Zweckverbandes zu beanstanden ist, da die sachliche Beitragspflicht für das öffentliche Kanalnetz noch nicht entstanden ist. Er hat die Petition deshalb nach § 17 Nr. 1 a) Thüringer Petitionsgesetz der Thüringer Landesregierung mit der Bitte überwiesen, der Beschwerde der Petenten zu folgen, soweit sie sich gegen die Beitragspflicht für das öffentliche Kanalnetz richtet.

Beiträge für Teile einer leitungsgebundenen öffentlichen Einrichtung können nach § 7 Abs. 1 Satz 5 und 6 selbständig erhoben werden (Kostenspaltung), wenn diese Teile nutzbar sind. Eine Kostenspaltung für die funktionellen Teileinrichtungen, wie Kanalnetz, Kläranlage, Haupt- und Verbindungssammler ist von den Thüringer Verwaltungsgerichten bisher nicht beanstandet worden. Dementsprechend können im Falle der Kostenspaltung (Teil-)beiträge für das öffentliche Kanalnetz und die Kläranlage selbständig erhoben werden, wenn diese Teile nutzbar sind. Dies bezieht sich nach der überwiegenden Rechtsprechung in anderen Bundesländern auch auf die Teile einer leitungsgebundenen Einrichtung, die nicht selbständig nutzbar sind, sondern nur im technischen und funktionellen Verbund funktionieren und funktionell voneinander abhängig sind, wie das Kanalnetz und die Kläranlage einer Entwässerungseinrichtung.

(Vgl. etwa OVG Mecklenburg-Vorpommern - Urteil vom 15. November 2000 - Az.: 4

K 8/99, VGH Baden-Württemberg - Beschluss vom 15. Januar 1990 - Az.: 2 S 2767/89, VGH Hessen - Beschluss vom 5. Mai 1989 - Az.: 5 TH 2098/85; anders jedoch OVG Nordrhein-Westfalen - Urteil vom 21. Februar 1991 - Az.: 2 A 2455/89, wonach nur die Schmutz- und die Oberflächenentwässerung als unterschiedliche Funktionen einer Entwässerungseinrichtung in Betracht kommen, die Kläranlage oder das öffentliche Kanalnetz dagegen nicht als selbständig nutzbare Teile der leitungsgebundenen Gesamteinrichtung angesehen werden.)

Für das Entstehen der Teilbeitragspflicht kommt es nicht allein auf die (technische) Nutzbarkeit der Teileinrichtungen an. Die Voraussetzungen für das Entstehen einer Beitragspflicht ergeben sich auch für Teilbeiträge aus § 7 Abs. 7 Satz 1, 1. Halbsatz Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung oder Teileinrichtung angeschlossen werden kann und eine wirksame Satzung vorliegt. Die hiernach erforderliche Anschlussmöglichkeit beinhaltet jedoch, dass die Teileinrichtung vor dem betreffenden Grundstück betriebsfertig hergestellt sein muss und damit in ihrer vollen Funktionstüchtigkeit in Anspruch genommen werden kann. Das ist der Fall, wenn die Teileinrichtung in Bezug auf das betreffende Grundstück so genutzt werden kann, wie es die der Teileinrichtung zugrunde liegende Planung vorsieht. Denn das Planungskonzept ist dafür maßgeblich, ob die beitragsfähige Maßnahme für das anschließbare Grundstück beendet ist und wegen der dadurch gewährten besonderen Vorteile die sachliche Beitragspflicht entstanden ist.

Da nach dem Planungskonzept des Zweckverbandes für das Grundstück der Petenten ein Vollanschluss (Ableitung des gesamten Schmutzwassers über das Kanalnetz zur Kläranlage) vorgesehen ist, entsteht der beitragsrelevante Vorteil in Bezug auf das öffentliche Kanalnetz und damit die sachliche Beitragspflicht für das öffentliche Kanalnetz erst mit der Möglichkeit des Vollanschlusses. Die bereits dem Planungskonzept des Zweckverbandes entsprechende Ableitung des Niederschlagswassers könnte nur eine darauf beschränkte Beitragspflicht begründen.

Die bestehende Teilanschlussmöglichkeit (Einleitung nur eines Teils des Schmutzwassers bzw. des Überlaufs der Grundstückskläranlage in die Vorflut) entspricht nicht dem Planungskonzept des WAVH und stellt deshalb lediglich ein Provisorium dar. Die Umwandlung eines Teilanschlusses in einen Vollanschluss im Zuge derselben beitragsfähigen Maßnahme kann aber nur einmal eine Beitragspflicht für den Vollanschluss auslösen und nicht zunächst eine Beitragspflicht für den Teilanschluss und dann eine Beitragspflicht für den Vollanschluss entstehen lassen. Die Erhebung von Ergänzungsbeiträgen bei der Ersetzung des Teilanschlusses durch einen Vollanschluss würde gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung verstoßen. (Vgl. Thüringer OVG, Urteil vom 18. Dezember 2000, Az.: 4 N 472/00; Mildner und Blomenkamp in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 2008, § 8 Rn. 1369 a, 1480.)

Aus diesen Gründen hat der Petitionsausschuss beschlossen, die Petition nach § 17 Nr. 1 a) Thüringer Petitionsgesetz der Landesregierung mit der Bitte zu überweisen, der Beschwerde zu folgen, soweit sie sich gegen die Beitragspflicht für das öffentliche Kanalnetz richtet.

Festsetzungsverjährung beginnt erst mit wirksamer Beitragssatzung

Der Eigentümer eines Grundstücks beanstandete die Beitragserhebung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung.

Der Petent wurde im November 2000 zu einem Herstellungsbeitrag für die Kläranlage, die Verbindungssammler und die Sonderbauwerke herangezogen. Die Beitragserhebung beruhte auf der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Abwasserzweckverbandes aus dem Jahr 1997 in der Fassung der dritten Änderungssatzung von 1998. Im August 2002 trat eine neue Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung in Kraft. Diese neue Satzung wurde beschlossen, nachdem der Zweckverband aufgrund des Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2002 zur Tiefenbegrenzungsregelung von der Rechtswidrigkeit der Beitrags- und Gebührensatzung von 1997 in der Fassung der dritten Änderungssatzung von 1998 ausgegangen war.

Mit einem Nacherhebungsbescheid wurde der Petent im Februar 2007 wegen einer bisher nicht berücksichtigten Grundstücksfläche zu einem weiteren Beitrag für die Kläranlage, die Verbindungssammler und die Sonderbauwerke und mit einem weiteren Bescheid im Februar 2007 zu einem Herstellungsbeitrag für das Kanalnetz herangezogen. Der neuerlichen Beitragserhebung wurde die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom August 2002 zugrunde gelegt.

Der Petitionsausschuss forderte die Thüringer Landesregierung auf, dazu Stellung zu nehmen, ob der Nacherhebungsbescheid vom Februar 2007 mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung vereinbar ist. Soweit dies der Fall sei und der Bescheid eine zulässige Nachveranlagung beinhalte, sollte die Landesregierung mitteilen, wann die sachliche Beitragspflicht für die Teilmaßnahmen Kläranlage, Verbindungssammler und Sonderbauwerke entstanden und die Festsetzungsverjährung nach § 15 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Thüringer Kommunalabgabengesetz in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung eingetreten ist.

Der Petitionsausschuss kam letztlich zu dem Ergebnis, dass die Beitragserhebung nicht zu beanstanden ist. Der Bescheid vom Februar 2007 beinhaltet eine grundsätzlich zulässige Nachveranlagung, da der Beitrag nicht doppelt, sondern lediglich der Beitrag für die bisher nicht berücksichtigte Grundstücksfläche und somit lediglich die bereits entstandene Beitragspflicht vollständig geltend gemacht wurde.