Erst am 13 März löste die Polizei ein NationalSocialistBlackMetal NSBM Konzert auf

Erst am 13. März löste die Polizei ein National-Socialist-Black-Metal (NSBM) Konzert auf. Das Freie Wort berichtete am 14. März 2010 davon, dass im Rahmen der Verhinderung dieses Konzerts auch Ermittlungsverfahren wegen rechtsextremer Propaganda eingeleitet wurden. Auch für dieses Jahr sind bereits mehrere Neonazi-Konzerte in Kirchheim angekündigt. Die Konzerte werden mittlerweile öffentlich beworben.

Nur die wenigsten derartigen Veranstaltungen in Kirchheim werden von der Polizei aufgelöst.

In Thüringen finden zudem jährlich mindestens drei größere neonazistische Open-Air-Konzerte statt: das so genannte Rock für Deutschland in Gera, das Fest der Völker und der Thüringentag der nationalen Jugend. Auch 2010 liegen für alle drei Konzertveranstaltungen Anmeldungen vor.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche aktiven neonazistischen Musikgruppen und Liedermacher gibt es derzeit in Thüringen und aus welchen Städten kommen ihre Mitglieder, wo sind die Musikgruppen bisher in Erscheinung getreten?

2. Wo bestehen Proberäume, die neonazistische Musiker nutzen bzw. wo proben die zu Frage 1 genannten neonazistischen Musikgruppen und Liedermacher?

3. Welche/n neonazistischen Musikversand und -labels gibt es derzeit in Thüringen und welche politische und finanzielle Bedeutung haben diese nach Kenntnissen der Landesregierung für die neonazistische Szene in Thüringen?

4. Wo in Thüringen bestehen nach Information der Landesregierung derzeit durch Neonazis genutzte Auftrittsorte bzw. Veranstaltungsräume und in welcher Häufigkeit werden diese frequentiert?

5. Würde die Landesregierung zustimmen, dass es sich bei der aktuellen Praxis, dass nämlich mittlerweile Neonazi-Konzerte öffentlich beworben werden, um eine neue Dimension neonazistischen Selbstbewusstseins in Thüringen handelt und wie begründet die Landesregierung 6. Welche Handlungsspielräume sieht die Landesregierung in Thüringen, insbesondere auch in Kirchheim, um zukünftige Neonazi-Konzerte zu verhindern (bitte aufgliedern in

a) angemeldete öffentliche Open-Air Veranstaltungen,

b) angemeldete öffentliche Veranstaltungen in geschlossenen Räumen,

c) geschlossene Veranstaltungen, die aufgrund der Einlasspraxis als öffentlich gelten können,

d) geschlossene Veranstaltungen)?

Wie begründet die Landesregierung jeweils ihre Auffassung?

7. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass der vom Innenministerium verabschiedete so genannte Skinhead-Konzert-Erlass in Thüringen, insbesondere in Kirchheim, in ausreichendem Maße umgesetzt wird? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

8. Welchen Einfluss hat nach Ansicht der Landesregierung die neonazistische Musikkultur in Thüringen auf Jugendliche und welche Handlungsempfehlungen zur Zurückdrängung des Einflusses kann die Landesregierung lokalen Akteuren unterbreiten?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 10. Mai 2010 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die Landesregierung sieht unter Verweis auf Art. 67 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen davon ab, Anfragen insoweit öffentlich zu beantworten, als sie auf die Ausforschung des Kenntnisstands der Sicherheitsbehörden und insbesondere des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz gerichtet sind. Die nachfolgenden Angaben beziehen sich ausschließlich auf solche Erkenntnisse, die offen verwertbar sind.

Für weiter gehende Auskünfte steht die Landesregierung gegebenenfalls der Parlamentarischen Kontrollkommission zur Verfügung.

Zu 1.

Folgende Liedermacher sind derzeit in Thüringen aktiv:

- Robert STANGE alias Julmond, Gera

- Jürgen VOIGT alias Jürgen V., Geschwenda

- Maximilian LEMKE alias Max, Jena

- Novus Ordo Mundi, Raum Südthüringen

- Torsten HERING alias Torstein, Sondershausen

Darüber hinaus treten Mitglieder von rechtsextremistischen Bands mitunter als Liedermacher in Erscheinung.

Neben der Teilnahme an rechtsextremistischen Konzertveranstaltungen in Thüringen erlangten mehrere Bands mit diversen Auftritten außerhalb des Freistaates überregionale Bedeutung bzw. setzten diese fort.

Andere traten wiederum ausschließlich in den angrenzenden Bundesländern auf, einige absolvierten auch Auftritte im Ausland. Rechtsextremistische Liedermacher bestreiten meist das musikalische Rahmenprogramm von Kameradschaftsabenden, NPD-Parteiveranstaltungen oder auch Demonstrationen. Insgesamt agieren sie weniger öffentlichkeitswirksam als einschlägige Bands.

Zu 2.: Bei den Proberäumen der in der Antwort zu Frage 1 genannten Bands und Liedermacher handelt es sich zumeist um eigene oder angemietete Objekte in Form von Kellern, Garagen oder leer stehenden Hallen beispielsweise in Gewerbegebieten an den Wohnorten der Bandmitglieder. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 3. Außerdem vertreiben mehrere, zumeist als kleine Ladengeschäfte geführte Szeneläden in geringerem Umfang auch rechtsextremistische Musik und Banddevotionalien als Zusatzgeschäft über den Versand.

Neben der Sicherung rein wirtschaftlicher Interessen der Vertriebsinhaber tragen die über den Vertrieb von Musik bzw. Musikdevotionalien erzielten Erlöse zur Finanzierung des rechtsextremistischen Spektrums bei.

Die erzielten Gewinne verbleiben teilweise in der Szene, stabilisieren die Musikvertriebswege und ermöglichen z. B. die Finanzierung größerer Musikveranstaltungen, die ihrerseits wiederum eine entsprechende Bindungswirkung für die rechtsextremistische Szene haben.

Zu 4.: Rechtsextremistische Musikveranstaltungen fanden im vergangenen Jahr und bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt vornehmlich in der von Rechtsextremisten genutzten Erlebnisscheune in Kirchheim statt. Während die Zahl rechtsextremistischer Konzertveranstaltungen in der zweiten Jahreshälfte 2008 mangels geeigneter Veranstaltungsstätten deutlich zurückging, war im Jahr 2009 eine Zunahme festzustellen, nachdem mit der Erlebnisscheune in Kirchheim wieder ein aus Szenesicht geeignetes Objekt zur Verfügung stand. Allein sieben der zehn rechtsextremistischen Konzerte im Jahr 2009 fanden in Kirchheim statt. Für das Jahr 2010 setzt sich die Entwicklung offensichtlich fort, demnach fanden dort bereits drei rechtsextremistische Konzertveranstaltungen - davon wurde ein Konzert aufgelöst - statt. Neben dem Schützenhaus in Pößneck kam es auch an anderen Orten in Thüringen zu Konzertveranstaltungen von Rechtsextremisten, ohne dass es sich hierbei um Örtlichkeiten im Sinne der Fragestellung handelt. Es wird ergänzend auf die Antworten zu den Kleinen Anfragen Nr. 58 (Drucksache 5/203), Nr. 162 (Drucksache 5/429) und Nr. 298 (Drucksache 5/712) verwiesen.

Zu 5.: Die Landesregierung sieht darin, dass Neonazi-Konzerte öffentlich beworben werden, keine neue Dimension neonazistischen Selbstbewusstseins und Auftretens in Thüringen. Seit vergangenem Jahr gehen Veranstalter rechtsextremistischer Konzerte vermehrt dazu über, diese ordnungsgemäß anzuzeigen und öffentlich zu bewerben. Ziel ist es, einem etwaigen Verbot oder der Konzertauflösung zu entgehen und dem damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Risiko vorzubeugen. Abseits dieser, insbesondere bei Musikveranstaltungen in Kirchheim angewandten Praxis, dürfte sich aber auch in Thüringen das Bestreben fortsetzen, kleinere, konspirativ organisierte Konzerte durchzuführen.

Zu 6.: Der Handlungsspielraum der Landesregierung sowie der jeweils zuständigen Behörde ergibt sich aus den rechtlichen Vorgaben. Diese Behörden, insbesondere auch die für Kirchheim zuständige Verwaltungsgemeinschaft, sind als Teil der vollziehenden Gewalt an das Rechtsstaatsprinzip gebunden und haben anhand der Gesetze alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen. Die Landesregierung geht davon aus, dass dies, wie bereits im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Konzertveranstaltungen geschehen, auch in Zukunft umgesetzt wird.

Zu 7.: Die Erlasslage des Thüringer Innenministeriums zur Polizeilichen Behandlung von Skinheadkonzerten wird im gesamten Freistaat Thüringen konsequent und im ausreichenden Maße umgesetzt. Dabei werden alle rechtlichen Möglichkeiten, insbesondere hinsichtlich der Verhinderung oder Auflösung von Skinheadkonzerten, geprüft und ausgeschöpft. Dies schließt auch die intensive Zusammenarbeit mit den jeweils zuständigen kommunalen Behörden ein. Allerdings existiert keine Handhabe, Musikveranstaltungen, deren rechtsextremistischer Charakter im Vorfeld nicht klar ersichtlich ist und erst im Laufe der Durchführung zu Tage tritt, im Vorhinein zu verbieten. Es wird ergänzend auf die Antwort zur Frage 10 der Kleinen Anfrage Nr. 58 (Drucksache 5/203) und auf die Antwort zur Frage 6 der Kleinen Anfrage Nr. 227 (Drucksache 5/648) verwiesen.

Zu 8.: Rechtsextremistische Musik übt auf einen Teil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine starke Anziehungskraft aus. Deshalb wird die Szene auch künftig bestrebt sein, dieses Personenpotenzial u. a. über rechtsextremistische Konzerte an sich zu binden. Dementsprechend führt die Landesregierung ihre Aktivitäten, die auf die Verdrängung von Rechtsextremisten und rechtsextremistischem Gedankengut in der Gesellschaft gerichtet sind, auch weiterhin fort. Diese fließen aktuell in das Landesprogramm mit Maßnahmen für ein demokratisches, tolerantes und weltoffenes Thüringen ein, mit deren Erarbeitung der Thüringer Landtag fraktionsübergreifend die Landesregierung beauftragt hat. Ein erster Sofortbericht der Landesregierung mit wesentlichen Eckpunkten zur Vorgehensweise war bereits am 26. Februar 2010 in einer öffentlichen Plenarsitzung Tagesordnungspunkt. Klar hervorgehoben wurde, dass der Schwerpunkt des Landesprogramms, welches im Herbst 2010 vorgestellt werden soll, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus liegt (Plenarprotokoll 5/13, S. 976 - 985). Außerdem wirkt das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit an der Betreuung Lokaler Aktionspläne (LAP) mit, welche Bestandteil des Bundesprogramms VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sind. Zu den konkreten vor Ort präventiv durchgeführten Projekten und Maßnahmen wird auf die Kleine Anfrage Nr. 181 (Drucksache 5/509) verwiesen.

Bereits in der Vergangenheit hat die Landesregierung mit dem Handlungsleitfaden für kommunale Entscheidungsträger in Thüringen, vorgestellt am 19. Juni 2008, eine Hilfestellung für die wichtigsten Problembereiche im Umgang mit Rechtsextremismus angeboten. Darüber hinaus stellte das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit dem Landtag am 30. März 2009 einen in Form einer Landesstrategie zusammengefassten Bericht über Aktivitäten im Kampf gegen Rechtsextremismus vor. Der Bericht (Drucksache 4/5052) sollte befähigen, sich kritisch und in angemessener Form mit rechtsextremistischen Denkweisen auseinanderzusetzen sowie darüber informieren, welche präventiven und repressiven Maßnahmen der Bekämpfung des Rechtsextremismus im engeren Sinne dienen und auf welche Weise das zivilgesellschaftliche Engagement in der Auseinandersetzung mit Extremismus und Gewalt gestärkt werden kann.

Damit bot er den kommunalen Verantwortungsträgern auch die Grundlage für den Umgang mit der konkret angesprochenen Problematik.

Ergänzend wird auf die Antwort zur Frage 5 der Kleinen Anfrage Nr. 2589 (Drucksache 4/4773) und auf die Antwort zur Frage 4 der Kleinen Anfrage Nr. 162 (Drucksache 5/429) verwiesen.

Prof. Dr. Huber Minister.