Nachhaltigkeit

8. Tätigkeitsbericht 2008-2009

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz

- Existenzsichernde Leistungen dürfen nicht auf Grund bloßer Mutmaßungen verweigert werden vom 12. Mai 2005

1 569/05).

- Eine Rechtsvorschrift, die dem Leistungsempfänger auferlegt, eine Wohnungsbesichtigung zu dulden, existiert nicht, auch nicht in den §§ 20, 21 SGB X (SG Lübeck vom 14. Februar 2008; S 27 AS 106/ 08 ER).

- Das Vorliegen einer Einstehensgemeinschaft (Bedarfsgemeinschaft) muss im Vorfeld der gesetzlichen Fiktion des § 7 Abs. 3a SGB II als anspruchsvernichtende Tatsache bewiesen sein.

Hierfür trägt die Behörde die objektive Beweislast (LSG Baden-Württemberg vom 12. Januar 2006, L 7 AS 5532/05 ER-B; LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.). Das SG Lübeck (a. a. O.) fügt erläuternd hinzu, der Gesetzesbegründung zu § 7 Abs. 3a SGB II (BT-Drs. 16/1410, Seite 40, 48 f.) sei zu entnehmen, dass erst mit Vorliegen der mit dieser Norm eingeführten Vermutungstatbestände eine Beweislastumkehr zu Lasten des Leistungsempfängers eintreten soll. Daher trage vor Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion (Beweislastumkehr) nicht der Antragsteller die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen, sondern der Leistungsträger für das Vorliegen der anspruchsvernichtenden Tatsachen.

- Eine Darlegungslast trifft den Leistungsempfänger erst dann, wenn gewichtige Tatsachen für eine Verantwortungsgemeinschaft vorliegen. Erst dann hat der Leistungsempfänger plausible Gründe darzulegen, die das Zusammenwohnen lediglich als reine Zweck- /Wohngemeinschaft erkennen lassen (SG Lübeck, a. a. O.). Als solche gewichtigen Tatsachen reichen z. B. weder das Zusammenleben unter einer Meldeanschrift noch das gemeinsame Nutzen von Teilen der Wohnungseinrichtung allein aus, weil dies auch für eine Wohngemeinschaft typisch ist.

Auch geschlechtliche Beziehungen sind nicht maßgeblich, da die Intimsphäre zur Feststellung einer Verantwortungsgemeinschaft gar nicht ausgeforscht werden darf (LSG a. a. O.). Mithin darf die Leistungsgewährung vor Eintreten der gesetzlichen Fiktion des § 7 Abs. 3a SGB II nicht wegen Unaufklärbarkeit des Sachverhalts quasi automatisch eingestellt werden.

8. Tätigkeitsbericht 2008-2009

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz

Die Arbeitshilfe Außendienst sollte auch als Arbeitsgrundlage der ARGEn die differenzierende Rechtsprechung zum zeitlichen Vorfeld der gesetzlichen Fiktion des § 7 Abs. 3a SGB II aufnehmen, um damit sowohl Außendienstmitarbeitern als auch Sachbearbeitern eine Grundlage zur rechtssicheren Behandlung von Leistungsanträgen an die Hand zu geben

DDR-Heimkinder

Der Runde Tisch Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren verfolgt das Ziel, bei der Heimerziehung in Deutschland begangenes Unrecht umfassend aufzuarbeiten. Dabei ist es zentrales Anliegen der ehemaligen Heimkinder, Einsicht in die sie betreffenden Akten nehmen zu können. Mit diesem Anliegen setzt sich auch der Arbeitskreis Gesundheit und Soziales der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auseinander. Ein Auskunftsanspruch der Betroffenen ist in § 83 SBG X spezialgesetzlich geregelt. Nach dieser Vorschrift ist dem Betroffenen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, deren mögliche Empfänger und den Zweck der Speicherung zu erteilen. Auf welche Art und Weise die Behörde ­ i. d. R. das Jugendamt - diese Informationen zur Verfügung zu stellen hat, lässt § 83 SGB X offen. In der Praxis kann neben der Einsicht vor Ort auch die Zusendung der Unterlagen in Betracht kommen. Vor dem Hintergrund einer bestmöglichen Zweckerfüllung hat das Jugendamt über die Art des Auskunftsersuchens zu entscheiden. Das Einsichtsrecht findet ausschließlich dort seine Schranken, wo diesem Begehren bei der Akten führenden Behörde ein unverhältnismäßiger Aufwand gegenüber stehen würde. Das Jugendamt wird sich nur ausnahmsweise hierauf zurückziehen können, da dieses Kriterium eng auszulegen ist, denn das Recht auf Auskunft ist Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Keinen unverhältnismäßigen Aufwand stellt vor diesem Hintergrund dar, dass im Rahmen des Auskunftsrechts die Rechte Dritter an ihren personenbezogenen Daten und deren Geheimhaltung u. U. arbeitsaufwendig zu berücksichtigen sind. Für die Praxis bedeutet dies, dass die entsprechenden Daten von anderen ehemaligen Heimkindern unkenntlich zu machen sind. Dies gilt indes nach allgemeiner Auffassung nicht für Erzieher oder sonstige Angestellte der Heime, sofern sie in Ausübung und Funktion ihres Berufes genannt werden, denn das Informationsinteresse des Betroffenen überwiegt das Geheimhaltungsinteresse eines Funktionsträgers.

8. Tätigkeitsbericht 2008-2009

Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz

Der Auskunftsanspruch kann nach § 13 SGB X auch durch einen Bevollmächtigten geltend gemacht werden. Der konkrete Umfang der Vollmacht ist dabei in schriftlicher Form ausdrücklich zu regeln. Die Auskunft an sich hat unentgeltlich zu erfolgen (§ 83 Abs. 7 SGB X).

Eine Löschung der fraglichen Daten ist nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Thüringer Datenschutzgesetz solange unzulässig, als hierdurch schutzwürdige Interessen der Auskunftssuchenden beeinträchtigt würden.

In Kooperation mit dem Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit verfolgt der auch künftig die Entwicklungen in diesem sensiblen Bereich und wird in Abstimmung mit den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Lösungen finden, die den beteiligten Personen die Wahrnehmung ihres Auskunftsrechts und den Behörden datenschutzrechtssicheres Handeln weiterhin ermöglichen.

Thüringer Initiative zur Integration und Armutsbekämpfung

- Nachhaltigkeit (TIZIAN) Ziel des TIZIAN-Projektes soll zur Armutsbekämpfung insbesondere die Steigerung der Erwerbsfähigkeit von Bedarfsgemeinschaften und Alleinerziehenden mit Kindern sein. Die für das Projekt geeigneten Personen werden von den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) und Jugendämtern ermittelt und sodann von einem sogenannten Projektträger näher betreut. Die Datenverarbeitung - hier vor allem die Erhebung und Übermittlung von sensiblen Sozialdaten - zwischen den beteiligten Stellen ist Gegenstand von Beratungen, in die der frühzeitig eingebunden wurde. Die datenschutzrechtlichen Fragen erscheinen derzeit lösbar, sodass erneut deutlich wird: Kinderschutz und Datenschutz von Kindern und Eltern stellen keine Gegensätze dar, sondern sind zur Verfolgung sinnvoller Ziele regelmäßig auch miteinander vereinbar.

Durch die konstruktive Kooperation des TMSFG mit dem wird auch das Projekt TIZIAN datenschutzrechtskonform ausgestaltet werden können.

Gemeinsame Empfehlung zur Verbesserung der ressortübergreifenden Kooperation beim Kinderschutz in Thüringen Kinderschutz und Datenschutz sind dank der guten Zusammenarbeit zwischen und dem Thüringer Ministerium für Soziales.