Die Kriterien zur Bewertung der dauernden Leistungsfähigkeit werden somit von der Gemeinde nicht

April 2010 hat folgenden Wortlaut:

Die Gemeinde Liebenstein (ca. 400 Einwohner) hat für 2010 noch keinen beschlossenen Haushalt. 2009 musste eine Haushaltssperre verhängt werden. Die Gemeinde verfügt nur über eine sehr geringe kommunale Steuerkraft, die deutlich unter dem Landesdurchschnitt liegt. Die Gemeinde verfügt über keine Rücklagen mehr. Der Sockelbetrag für die allgemeine Rücklage ist zurzeit nicht vorhanden. Die so genannte Pflichtzuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt in Höhe der ordentlichen Tilgung für Kredite kann nicht erwirtschaftet werden. Der Haushaltsentwurf 2010 weist einen Fehlbetrag von 16 000 Euro aus.

Auch für 2011 und 2012 werden in der Finanzplanung Fehlbeträge ausgewiesen.

Die Kriterien zur Bewertung der dauernden Leistungsfähigkeit werden somit von der Gemeinde nicht erfüllt.

Insofern muss davon ausgegangen werden, dass die Gemeinde keine weiteren Kredite durch die Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt bekommt. Die Kriterien für die kommunale Kreditgenehmigung sind in einer Verwaltungsvorschrift bestimmt. Der Haushaltsentwurf 2010 der Gemeinde sieht eine Kreditaufnahme von 440 000 Euro zur Finanzierung des grundhaften Ausbaus von Verkehrsanlagen vor.

Der Gemeinderat hat die Zustimmung zum Haushaltsentwurf 2010 abgelehnt, weil eine zusätzliche Kreditaufnahme für die Gemeinde mit Blick auf die fehlende finanzielle Leistungskraft unzumutbar erscheint.

Der Landrat des Ilm-Kreises, der für Liebenstein als Rechtsaufsichtsbehörde fungiert, erklärte in der Thüringer Allgemeinen, Lokalausgabe Arnstadt, am 27. April 2010, dass der Haushaltsentwurf der Gemeinde Liebenstein trotz der angespannten finanziellen Lage und des umstrittenen geplanten Kredites genehmigungsfähig sei. Dies sei der Fall, weil die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen vorgesehen wäre.

Darüber hinaus gibt der Landrat im besagten Pressebeitrag politische Bewertungen ab, in dem er u. a. sinngemäß formuliert, dass die linke Minderheit im Gemeinderat mit der Verweigerung der Zustimmung zum Haushaltsentwurf 2010 den geplanten Straßenausbau in der Ortslage Liebenstein verhindert habe.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Finanzlage der Gemeinde Liebenstein, auch unter Berücksichtigung des Haushaltsentwurfs 2010?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der Finanzsituation der Gemeinden im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung, auch unter Berücksichtigung des Entwurfs des Finanzplans der Gemeinde für den Zeitraum bis 2013?

3. An welchen einzelnen Kriterien wird die dauernde Leistungsfähigkeit einer Gemeinde bemessen und wie erfüllt die Gemeinde Liebenstein gegenwärtig diese Kriterien (bitte Einzelaufstellung nach Kriterien)?

4. Welche einzelnen Voraussetzungen müssen auf Grundlage der Verwaltungsvorschrift für die Genehmigung kommunaler Kredite vorliegen, damit die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde eine vorgesehene Kreditaufnahme einer Gemeinde genehmigen kann? Inwieweit liegen diese Voraussetzungen im Fall der Gemeinde Liebenstein für den Haushalt 2010 vor (bitte Einzelaufstellung nach den einzelnen Voraussetzungen)?

5. Aufgrund welcher Informationen oder Dokumente kommt der Landrat des Ilm-Kreises als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde zu der Bewertung, dass der Haushaltsentwurf 2010 der Gemeinde Liebenstein genehmigungsfähig sei und wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang die Aussage des Landrates?

6. Teilt die Landesregierung die Aussage des Landrates des Ilm-Kreises, wonach der Haushaltsentwurf 2010 der Gemeinde Liebenstein, insbesondere die geplante Kreditaufnahme von 440 000 Euro, genehmigungsfähig sei, auch weil Straßenausbaubeiträge erhoben werden könnten und wie wird dies begründet?

7. In welcher Höhe müssen Straßenausbaubeiträge im nachgefragten Fall erhoben werden, damit mit der Begründung der Erhebung von Beiträgen ein Kredit von 440 000 Euro rechtsaufsichtlich genehmigt werden kann (bitte konkrete Zahlen nennen)?

8. Unter welchen Voraussetzungen darf der Landrat des Ilm-Kreises Entscheidungen in Gemeinderäten kreisangehöriger Gemeinden, auch unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Verhaltensregeln, bewerten, wie im nachgefragten Fall geschehen?

9. Wie kann aus Sicht der Landesregierung verhindert werden, dass der Landrat durch öffentliche Äußerungen in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde Liebenstein und die Zuständigkeit des Gemeinderates unzulässig eingreift? Stellt in diesem Zusammenhang die öffentliche Äußerung des Landrates in der Thüringer Allgemeinen, Arnstadt, vom 27. April 2010 einen solchen Eingriff dar? Wie begründet die Landesregierung ihre Auffassungen?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 15. Juni 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Haushaltslage der Gemeinde Liebenstein ist als angespannt zu bezeichnen. Der Rechtsaufsichtsbehörde liegt eine Übersicht über die dauernde Leistungsfähigkeit als Anlage der Haushaltssatzung 2010 in einer Entwurfsfassung vor. Danach weisen die Finanzplanungsjahre 2010, 2011 und 2012 einen Fehlbetrag in der laufenden Rechnung aus. So genannte freie Finanzspitzen sind im den Jahren 2008, 2009 und 2013 zu verzeichnen. In allen Finanzplanungsjahren ist eine Zuführung vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt vorgesehen. Allerdings genügt der Zuführungsbetrag nicht, um die entsprechenden Tilgungsleistungen des Vermögenshaushalts zu erwirtschaften.

Zu 2.: Unter der Maßgabe, dass der Fehlbetrag im Finanzplanungszeitraum abgebaut werden kann, wird sich die Haushaltslage bei entsprechender sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung unter Einbeziehung eines Haushaltssicherungskonzepts wieder stabilisieren.

Zu 3.: Die dauernde Leistungsfähigkeit einer Gemeinde wird anhand der Anlage 9, Muster zu § 4 Nr. 4 Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung berechnet. Wesentliches Kriterium der Beurteilung ist der Vergleich der Höhe der saldierten Zuführung des Verwaltungshaushaltes an den Vermögenshaushalt mit der ordentlichen Tilgung im Vermögenshaushalt. Ist die Zuführung an den Vermögenshaushalt größer als die ordentliche Tilgung, errechnet sich ein Überschuss in der Berechnung der dauernden Leistungsfähigkeit, die so genannte freie Finanzspitze.

Die Gemeinde Liebenstein weist in den Haushaltsjahren 2010, 2011, 2012 keine freie Finanzspitze aus. Erst im Jahre 2013 wäre plangemäß wieder von einer freien Finanzspitze auszugehen.

Zu 4.: Eine Kreditaufnahme ist nach der Bekanntmachung über das Kreditwesen der Gemeinden und Landkreise 7/2010, S. 187) - im Folgenden VV genannt - dann genehmigungsfähig, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Kredite dürfen nur für Investitionen, Investitionsfördermaßnahmen und zur Umschuldung aufgenommen werden (Ziffer I Nr. 1.2 und 3 der VV). Diese Voraussetzung liegt vor.

Die Grundsätze der Einnahmebeschaffung nach § 54 Thüringer Kommunalordnung müssen beachtet werden. Kredite dürfen grundsätzlich erst nach Ausschöpfung anderer Deckungsmöglichkeiten aufgenommen werden; eine Kreditaufnahme kommt aber auch dann in Frage, wenn eine andere Finanzierung wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Diese Voraussetzung liegt vor.

Die Aufnahme der Kredite muss zur Aufgabenerfüllung der Gemeinde notwendig sein (Ziffer I Nr. 2.3 der VV). Diese Voraussetzung liegt vor.

Des Weiteren ist danach zu urteilen, wie sich die Schuldendienstbelastungen auf die künftige Haushaltsentwicklung auswirken.

Entscheidend ist hiernach, ob unter Berücksichtigung der vorgesehenen Kreditaufnahme weiterhin eine so genannte freie Finanzspitze erwirtschaftet wird, die ausreichend erscheint, künftige Unterdeckungen auf Grund von Schätzrisiken der Finanzplanung auszuschließen (Ziffer I, Nr. 3.2, 4. Spiegelstrich, Sätze 1 und 2 der VV). Diese Voraussetzung ist bei der Gemeinde Liebenstein derzeit nicht erfüllt.

Ausnahmen von den genannten Grundsätzen erscheinen nur in engen und besonders begründeten Einzelfällen vertretbar. Diese beschränken sich gemäß Ziffer I Nr. 3.5 der VV auf die Ausfinanzierung bereits begonnener Maßnahmen und bei so genannten rentierlichen Krediten. Ein Teil des Kreditbetrages dient zur Vorfinanzierung der lt. Planung ausgewiesenen Beitragseinnahmen in Höhe von 295 700 Euro. Dieser Anteil ist nach Auffassung der Landesregierung als rentierlicher Kredit anzusehen, da eine Rückführung des Kredites aus Beiträgen erfolgen kann. Der darüber hinaus verbleibende Anteil der vorgesehenen Kreditaufnahme in Höhe von 144 300 Euro, der den Eigenanteil der Gemeinde darstellt, fällt dagegen nicht unter die vorgenannten Ausnahmemöglichkeiten.

Zu 5.: Der Rechtsaufsichtsbehörde lagen die Übersicht über die dauernde Leistungsfähigkeit in der Entwurfsfassung und Angebote der Banken zu den Konditionen des Kredites für das Haushaltsjahr 2010 vor. Zur Bewertung der Landesregierung wird auf die Antworten zu den Fragen 6 und 8 verwiesen.

Zu 6.: Die Landesregierung teilt die Aussage insoweit, dass Kredite in Höhe der erwarteten Beitragseinnahmen für genehmigungsfähig gehalten werden.

Zu 7.: Für eine Genehmigung eines Kredites in Höhe von 440 000 Euro wären Betragseinnahmen in Höhe von 440 000 Euro notwendig.

Zu 8.: Dem Landratsamt obliegt die Rechtsaufsicht über die kreisangehörigen Gemeinden. Es ist dem Landrat in dieser Funktion unbenommen, eine Rechtsansicht in der Öffentlichkeit zu verlautbaren.

Zu 9.: Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen.