Die Thüringer Kommunalordnung enthält keine konkreten Bestimmungen zumAuskunftsrecht einzelner Gemeinderatsmitglieder

Thüringer Kommunalordnung regelt das Auskunftsrecht für den Gemeinderat. Danach ist der Bürgermeister zur Auskunft gegenüber dem Gemeinderat verpflichtet, wenn es ein Viertel der Gemeinderatsmitglieder fordert. Dieses Auskunftsrecht bezieht sich im Gesetzestext ausschließlich auf die Realisierung der Beschlüsse des Gemeinderates und seiner Ausschüsse.

Die Thüringer Kommunalordnung enthält keine konkreten Bestimmungen einzelner Gemeinderatsmitglieder. Nicht geregelt ist zudem der Umfang des Auskunftsrechts in Bezug auf Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Bürgermeisters fallen.

Auf Grundlage des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes haben Bürger, also auch kommunale Mandatsträger, umfassende Informationsrechte gegenüber Landes- und Kommunalbehörden. Die Regelungen im Thüringer Informationsfreiheitsgesetz sind weiter gefasst als die Auskunftsrechte für kommunale Mandatsträger in der Thüringer Kommunalordnung.

Die Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises Weimarer Land vertritt auf Anfrage eines Stadtrates aus Bad Berka dass nur dem Stadtrat als Kollektivorgan und Informationsrecht zusteht.

Dieses begrenzt sich aber auf die Beschlusskontrolle. In Angelegenheiten der laufenden Verwaltung hat weder der Stadtrat als Kollektivorgan noch das einzelne Stadtratsmitglied und Informationsrecht.

Entgegen dieser Rechtsauffassung haben das OVG Lüneburg (AZ: 10 LC 217/07) und das OVG von Sachsen-Anhalt (AZ: 4 O 127/09) das Auskunfts- und Informationsrecht für kommunale Mandatsträger sehr weit gefasst, einschließlich der Bereiche der laufenden Verwaltung, des übertragenen Wirkungskreises und der kommunalen Unternehmen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Auskunfts- und Informationsrechte haben einzelne kommunale Mandatsträger, auch unter Beachtung der Bestimmungen des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes und wie wird dies begründet?

2. Wie wird begründet, dass möglicherweise das einzelne Gemeinderatsmitglied kein Auskunfts- und Informationsrecht nach § 22 Abs. 3 hat, andererseits aber der Grundsatz der Gleichwertigkeit des Mandates gilt und die Ausübung des Mandates nicht beschränkt werden darf?

3. Wie wird begründet, dass möglicherweise weder der Gemeinderat als Kollektivorgan noch das einzelne Gemeinderatsmitglied ein Auskunfts- und Informationsrecht hinsichtlich der Aufgaben der laufenden Verwaltung haben, bestimmt doch der Gemeinderat über den Haushaltsplan (einschließlich Stellenplan) grundsätzlich auch die Rahmenbedingungen für die Erfüllung der Aufgaben der laufenden Verwaltung?

4. Wie wird begründet, dass möglicherweise weder der Gemeinderat als Kollektivorgan noch das einzelne Gemeinderatsmitglied ein Auskunfts- und Informationsrecht hinsichtlich der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises haben, bestimmt doch der Gemeinderat über den Haushaltsplan (einschließlich Stellenplan) grundsätzlich auch die Rahmenbedingungen für die Erfüllung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises?

5. Wie bewertet die Landesregierung die Rechtsauffassung der Rechtsaufsichtsbehörde des Landkreises Weimarer Land, auch unter Hinzuziehung der im Eingangstext zitierten Gerichtsentscheidungen?

6. Welcher Novellierungsbedarf mit Blick auf § 22 Abs. 3 besteht aus Sicht der Landesregierung unter Berücksichtigung der im Eingangstext zitierten Gerichtsentscheidungen und der Bestimmungen des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 7. Juli 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Nach § 24 Abs. 1 der Thüringer Kommunalordnung üben Gemeinderatsmitglieder ihr Ehrenamt nach dem Gesetz und ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus; sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden. Aus diesem Grundsatz des freien Mandats ergibt sich, dass die Gemeindeverwaltung den einzelnen Gemeinderatsmitgliedern die Informationen zur Verfügung stellen muss, die für deren Aufgabenwahrnehmung erforderlich sind.

Hiervon zu unterscheiden sind die Auskunfts- und Akteneinsichtsverlangen im Rahmen der Befugnisse des Gemeinderats zur Überwachung der Ausführung seiner Beschlüsse nach § 22 Abs. 3 Der Gemeinderat hat nach § 22 Abs. 3 Satz 4 das Recht und ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder verpflichtet, Auskunft zu fordern und Akteneinsicht durch von ihm damit beauftragte Ausschüsse oder bestimmte Gemeinderatsmitglieder zu nehmen. Diese Befugnisse stehen nicht den einzelnen Gemeinderatsmitgliedern, sondern dem Gemeinderat als Kollegialorgan zu.

Die Rechte von Gemeinderatsmitgliedern unterliegen aufgrund ihrer Zielsetzung, nämlich der Wahrnehmung der Aufgaben des Gemeinderats als Organ der Exekutive, anderen Voraussetzungen und Grenzen als das allgemeine Informationszugangsrecht nach dem Thüringer Informationsfreiheitsgesetz. Kommunale Mandatsträger können zwar nicht in ihrer Funktion als Gemeinderatsmitglied, wohl aber wie jeder andere einen Informationszugang nach dem Thüringer Informationsfreiheitsgesetz erhalten, hier allerdings auch nur in dem Umfang und unter den Bedingungen, die das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz vorsieht.

Zu 2.: Die Überwachungsbefugnisse des Gemeinderats nach § 22 Abs. 3 beschränken sich auf den Vollzug der durch den Gemeinderat gefassten Beschlüsse. Die Quoren des § 22 Abs. 3 dienen einerseits der Funktionsfähigkeit des Gemeinderats als Organ der Exekutive, andererseits dem Minderheitenschutz. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 1 verwiesen.

Zu 3. und 4.: Nach der Thüringer Kommunalordnung stehen die Aufgabenkreise der beiden Gemeindeorgane Gemeinderat und Bürgermeister nebeneinander. Wie dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 zu entnehmen ist, beschränkt sich die Überwachungsbefugnis des Gemeinderats als Kollegialorgan auf die Ausführung seiner Beschlüsse (einschließlich der Beschlüsse zum Gemeindehaushalt). Der Gemeinderat hat keine Überwachungsbefugnisse hinsichtlich der durch § 29 dem Bürgermeister zur Erledigung in eigener Zuständigkeit zugewiesenen laufenden Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises und Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises.

Zu 5.: Die Rechtsauffassung des Landratsamtes, nach der das Akteneinsichtsrecht nach § 22 Abs. 3 nur dem Stadtrat als Kollegialorgan zusteht und nur den Vollzug von Beschlüssen des Stadtrats betrifft, ist zutreffend. Die angeführten Gerichtsentscheidungen beziehen sich nicht auf die Akteneinsichtsrechte des Gemeinderats, die in den Gemeindeordnungen der betreffenden Länder ebenfalls nur dem Gemeinderat als Kollegialorgan zustehen.

Zu 6.: Ein Novellierungsbedarf wird nicht gesehen.

Prof. Dr. Huber Minister.