Wohnungsbauförderung

Städte- und Wohnungsbauförderung sind unerlässliche Instrumente für eine nachhaltige und zukunftsfähige Stadtentwicklung. Auch leisten sie einen wesentlichen Beitrag für die Wirtschaftsentwicklung. Ohne Städte- und Wohnungsbauförderung sind die Herausforderungen des soziodemografischen und wirtschaftlichen Strukturwandels nicht zu bewältigen.

Mit Blick auf die prekären Kommunalfinanzen stellt sich jedoch die Aufbringung des zur Finanzierung erforderlichen kommunalen Mitleistungsanteils für viele Kommunen auch in Thüringen zunehmend schwieriger dar. Dies führt schlimmsten Falles dazu, dass die Mittel nicht abgerufen werden, obwohl der Bedarf beispielsweise im Programm Soziale Stadt sogar doppelt so hoch wäre wie die zur Verfügung stehenden Mittel. Infolge bleiben stadtentwicklungs-, wohnungs- und sozialpolitisch notwendige Investitionen aus.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Sieht die Landesregierung vor diesem Hintergrund Handlungsbedarf, wenn ja, welchen und wie begründet sie ihre Position?

2. Welche Möglichkeiten gibt es aus Sicht der Landesregierung, den kommunalen Mitleistungsanteil sowohl im Rahmen der Bund-Länder-Programme als auch der Landesprogramme zu senken bzw. gänzlich darauf zu verzichten?

3. Ist die Landesregierung im Hinblick auf die Absenkung des kommunalen Mitleistungsanteils im Rahmen der Bund-Länder-Programme gegenüber dem Bund initiativ geworden, wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ergebnis?

4. Wie bewertet die Landesregierung die Wirkung und die Praxistauglichkeit der in der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung seit zwei Jahren vorhandenen Experimentierklausel zum Ersatz des kommunalen Mitleistungsanteils?

5. Welche Neuausrichtungen bzw. weitergehenden Regelungen hinsichtlich des Ersatzes bzw. Entfallens der kommunalen Förderbeteiligung sind nach Kenntnis der Landesregierung mit der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 2010 zu erwarten?

6. Könnte aus Sicht der Landesregierung eine Vorfinanzierung auf der Grundlage der bewilligten Zuteilungsrahmen (gemeindespezifisch erfasst in den Zuwendungskontrolllisten) eine in Betracht zu ziehende Alternative sein und wie begründet die Landesregierung ihre Position?

7. Welche anderweitigen Möglichkeiten sieht die Landesregierung, in Form einer zeitlich begrenzten Vorfinanzierung das Aufbringen des zur Finanzierung erforderlichen kommunalen Mitleistungsanteils sicherzustellen?

Das Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 12. Juli 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Für die Städtebauförderung in Thüringen gilt, dass der Anteil der staatlichen Finanzhilfen am Förderbetrag (Bund-Land-Gemeinde oder Land-Gemeinde) durch das Haushaltsgesetz festgelegt wird (Ziffer 6.8 Abs. 1 Thüringer Städtebauförderrichtlinien Somit entscheidet der Haushaltsgesetzgeber über die Höhe der kommunalen Mitleistungsanteile.

Die Landesregierung spricht sich gegen eine generelle Absenkung des kommunalen Mitleistungsanteils aus. Dies würde dem System der Städtebauförderung in Deutschland widersprechen, welches davon ausgeht, dass die Stadtentwicklung eigene Aufgabe der Gemeinde ist und diese sich somit auch in angemessener Höhe an den Ausgaben zu beteiligen hat. Zum anderen fördert der zu erbringende Mitleistungsanteil der Kommunen den verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Fördermitteln.

Seitens der Landesregierung wird aktuell kein Handlungsbedarf gesehen, da bereits ausreichend Möglichkeiten bestehen, bei Kommunen mit besonderer Haushaltslage den aufzubringenden Mitleistungsanteil abzusenken. Dies gilt insbesondere für solche Fälle, in denen ohne eine Absenkung des Mitleistungsanteils die Durchführung der Sanierungsmaßnahme und damit das Sanierungsziel gefährdet wäre.

Zu 2.: Die Verwaltungsvereinbarung über die Gewährung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder nach Artikel 104 b Abs. 4 des Grundgesetzes zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen (VV-Städtebauförderung 2010) und die bieten mehrere Möglichkeiten, den Mitleistungsanteil der Gemeinden zu senken bzw. zu ersetzen.

Gemäß der so genannten Experimentierklausel nach Artikel 2 Absatz VV-Städtebauförderung 2010 kann das Land aufgrund der besonderen Haushaltslage einer Gemeinde auf der Grundlage von allgemein bekannt gemachten Grundsätzen durch Einzelfallentscheidung zulassen, dass Mittel, die der geförderte Eigentümer aufbringt, als kommunaler Eigenanteil gewertet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass andernfalls die Investitionen unterbleiben würden. Der von der Gemeinde selbst aufgebrachte Eigenanteil muss dabei mindestens zehn vom Hundert der förderfähigen Kosten betragen

Als allgemein bekannt gemachte Grundsätze gelten die Bestimmungen von Ziffer 15.3 Absatz 5 (Experimentierklausel). Nach diesen Bestimmungen wird davon ausgegangen, dass eine besondere Haushaltslage der Gemeinde dann vorliegt, wenn die Gemeinde nach der Übersicht über die Beurteilung der dauernden Leistungsfähigkeit (Muster zu § 4 Nr. 4 Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung, dortige Anlage 9) im laufenden Haushalts- bzw. Rechnungsjahr einen Fehlbetrag ausweist (die Ermittlung erfolgt in der Jahresprogrammaufstellung). Die Gemeinde legt der Bewilligungsbehörde diesbezüglich eine Bestätigung der Aufsichtsbehörde vor. Außerdem muss die Gemeinde nachweisen, dass der Eigentümer die rentierlichen Anteile selbst trägt und das Vorhaben zeitlich nicht aufgeschoben werden kann. Die Bestimmungen der Experimentierklausel sind auch für die Thüringer Landesprogramme anwendbar.

Die VV-Städtebauförderung 2010 (Artikel 6 Absatz 1) und die (Ziffer 28.2.2) lassen ferner im Rahmen von Modellvorhaben im Bund-Länder-Programm Soziale Stadt zu, dass Beiträge der Partner, z.B. Beiträge von Wohnungsunternehmen, der Einsatz ehrenamtlicher und Vereinsressourcen - soweit es sich um geldwerte Leistungen handelt - als kommunaler Mitleistungsanteil eingesetzt werden können. Dazu gehören Geld, Sachmittel und Arbeitskraft. Die Beiträge der Partner müssen hierbei objektiv bewertbar sein.

Ferner besteht nach Ziffer 4 die Möglichkeit, den kommunalen Mitleistungsanteil der Gemeinden mit Mitteln des Thüringer Landesprogramms Strukturwirksame städtebauliche Maßnahmen zu reduzieren, wenn die Vorhaben die Leistungskraft der Städte und Gemeinden übersteigen und zur Beseitigung erheblicher städtebaulicher Missstände und zur Strukturverbesserung beitragen.

Nach Ziffer 6.8 wird den Wohnungsunternehmen und Trägern von Gemeinbedarfseinrichtungen die Möglichkeit eröffnet, im Thüringer Landesprogramm zur Wohnumfeldverbesserung in Wohngebieten den Mitleistungsanteil der Gemeinde vollständig zu ersetzen.

Ferner räumt Ziffer 6.8 die Möglichkeit ein, dass Spenden gemeinnütziger Vereine und von Stiftungen, sofern diese nicht selbst Bauherr sind, zur Reduzierung des kommunalen Mitleistungsanteils herangezogen werden können.

Zu 3.: Die Landesregierung hat sich bei den Verhandlungen zur VV-Städtebauförderung 2010 für die Fortführung der Experimentierklausel eingesetzt. Ergebnis dieser Bemühungen ist, dass die Experimentierklausel in der VV-Städtebauförderung 2010 weiterhin enthalten ist.

Zu 4.: Die Prüfung der Voraussetzungen verursacht nach Auskunft der Bewilligungsbehörde keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Eine genaue Aussage über die Anzahl der Einzelfälle, in denen die Experimentierklausel in Anspruch genommen wurde, kann nicht gemacht werden, da die Bewilligungsbehörde hierüber keine Statistik führt.

Zu 5.: Die VV-Städtebauförderung 2010 wurde durch den Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 28. April 2010 unterzeichnet und den Ländern zur Gegenzeichnung übersandt. Die Gegenzeichnung durch den Thüringer Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr ist bereits erfolgt. Hinsichtlich des Ersatzes der kommunalen Förderbeteiligung sind in der VV- Städtebauförderung 2010 keine Neuausrichtungen bzw. weitergehende Regelungen enthalten.

Zu 6.: Dieser Vorschlag ist für den Bereich der Bund-Länder-Programme unpraktikabel, da der Bund in der jährlichen VV-Städtebauförderung seiner Bundesmittel an den Städtebaufördermitteln festschreibt und die Länder verpflichtet, sich an der Förderung in mindestens der gleichen Höhe zu beteiligen. Würde der kommunale Mitleistungsanteil durch die Komplementärmittel des Landes abgesenkt, könnten somit im Laufe des Haushaltsjahres nicht alle Bundesmittel abgerufen werden. Dies würde dazu führen, dass dem Freistaat Thüringen durch den Bund bereitgestellte Mittel verloren gingen. Im Übrigen ist der Zuwendungsgeber der Städtebauförderung an die Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers im Haushaltsplan gebunden, der die Fördersätze für die Finanzhilfen und damit auch die Höhe des kommunalen Mitleistungsanteils festlegt.

Zu 7.: Mit Blick auf die angespannte Haushaltslage des Freistaats Thüringen sieht die Landesregierung derzeit keinen Handlungsspielraum, den Anteil des Landes an den Finanzhilfen zu erhöhen, um den kommunalen Mitleistungsanteil zu senken bzw. mit Landesmitten vorzufinanzieren.