Behördenstrukturreform

Im Rahmen der Behördenstrukturreform wurden mit Wirkung vom 1. Mai 2008 die Staatlichen Umweltämter aufgelöst und deren Aufgaben entweder kommunalisiert oder an das Landesverwaltungsamt sowie die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) übertragen. Diese Reform war vom Widerstand vieler Fachleute begleitet, weil versprochene Einspareffekte nicht für realistisch gehalten und der Verlust bzw. die Zersplitterung von Sachverstand befürchtet wurden. Aktuelle Presseverlautbarungen lassen den Schluss zu, dass die Landesregierung über eine Rückübertragung der Behördenaufgaben an das Land zumindest nachdenkt.

Deshalb frage ich die Landesregierung:

1. Wie hat sich die Überwachung von Anlagen, die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zu genehmigen sind, nach der teilweisen Übertragung auf die Kommunen gestaltet? Wie schätzt die Landesregierung die Befähigung der kommunalen Behördenmitarbeiter/-innen ein, verschiedene Anlagentypen entsprechend der Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu überwachen?

2. Was hat sich in der Genehmigung von Anlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz seit der teilweisen Übernahme der Aufgaben durch die Kommunen und Kreise geändert? Wie gestaltete sich bisher der Vollzug von Genehmigungen nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG)? Welche Erfahrungen gibt es im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Nutzung von Geothermie?

3. Ist insgesamt eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren zu verzeichnen und wie wird die Antwort begründet?

4. Kann in Bezug auf Anlagegenehmigungen von einer klaren Aufgabenabgrenzung zwischen den kommunalen Behörden und dem Landesverwaltungsamt gesprochen werden und wie wird die Antwort begründet? Stellt die Landesregierung Kompetenzstreitigkeiten fest und wenn ja, in welchen Aufgabenbereichen?

5. Wie wird der Vollzug von Aufgaben im Artenschutz bewertet?

6. Wie schätzt die Landesregierung den Stand der Hochwasservorsorge und der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ein, seitdem ein Teil der Aufgaben auf die kommunale Ebene übertragen wurde?

7. Wie hat sich ausgewirkt, dass mit der Behördenreform den Kommunen und Landkreisen die Verantwortung für die Umsetzung europarechtlicher Vorschriften in Bezug auf die Beherrschung der Gefahren in Zusammenhang mit schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen übertragen wurde? Welche derartigen Unfälle haben sich möglicherweise in der besagten Zeit ereignet und wie wurden sie beherrscht?

8. Wie schätzt die Landesregierung die fachliche Begleitung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, die sich über den Zuständigkeitsbereich mehrerer Kommunen oder Kreise erstrecken, insbesondere für große Verkehrsprojekte, ein?

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Juli 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Überwachung von im Sinne des genehmigungsbedürftigen Anlagen ist mit der Kommunalisierung von Umweltaufgaben weitestgehend auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden. Diese haben das bewährte System der integrierten Überwachung übernommen und wenden es in der Praxis an.

Bezüglich der Befähigung der kommunalen Behördenmitarbeiter/-innen geht die Landesregierung davon aus, dass die kommunale Seite in eigener Verantwortung geeignetes Personal eingestellt hat. Das Thüringer Landesverwaltungsamt hat zudem einen umfangreichen Beitrag bei der Schulung und Einarbeitung der kommunalen Behördenmitarbeiter/-innen geleistet und unterstützt diese in besonderen Fällen weiterhin.

Zu 2.: Gemäß der Thüringer Verordnung zur Änderung von Zuständigkeiten im Bereich der Umweltverwaltung sind die Landkreise und kreisfreien Städte für die Genehmigung von Anlagen der Spalte 2 des Anhangs der 4. Verordnung zur Durchführung des (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen 4. im Regelfall zuständig. Ausgenommen hiervon sind insbesondere Anlagen, die der Bergaufsicht des Thüringer Landesbergamtes (TLBA) unterliegen.

Um den Übergang der laufenden Genehmigungsverfahren auf die kommunale Seite möglichst reibungslos zu gestalten, hat das im Wege der Amtshilfe bereits begonnene Verfahren weitgehend bis zur Unterschriftsreife der Genehmigungsbescheide bearbeitet.

Genehmigungen nach dem TEHG sind Bestandteil der jeweiligen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen. Dies betrifft hauptsächlich große Anlagen, die der Spalte 1 des Anhangs der 4. zuzuordnen sind und somit durch das genehmigt werden.

Der Vollzug der Emissionsgenehmigungen obliegt der Deutschen Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt (DEHSt).

Im Zusammenhang mit der Genehmigung von Anlagen für die Nutzung von Geothermie ist, soweit es um den Bereich außerhalb der Bergaufsicht geht, das TLBA lediglich dann berührt, wenn mit den Anlagen Bohrungen über 100 m Teufe verbunden sind (vgl. § 127 Hier hat sich gegenüber den Verhältnissen vor Auflösung der Staatlichen Umweltämter nichts geändert.

Bei Geothermie-Bohrungen unter 100 Meter Teufe wird von den unteren Wasserbehörden im Genehmigungsverfahren schon immer die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie einbezogen. Auch hier ist die Verfahrensweise nach Auflösung der Staatlichen Umweltämter unverändert.

Zu 3.: Das sieht konkrete Bearbeitungszeiten für die Durchführung der verschiedenen Genehmigungsverfahren vor. Der Landesregierung liegen aufgrund nicht vorgesehener regelmäßiger statistischer Erhebungen keine Angaben zu tatsächlichen Bearbeitungszeiten in den kommunalen Behörden vor. Das trifft im Übrigen auch auf die Bearbeitungszeiten im zu.

Zu 4.: Die Aufgabenabgrenzung ist klar und eindeutig in der in der Antwort zu Frage 2 genannten Zuständigkeitsverordnung geregelt.

Das berichtet hierzu, dass bisher keine Kollisionen bezüglich der Zuständigkeit aufgetreten sind.

Zu 5.: Der Artenschutzvollzug erfolgt seit der Kommunalisierung durch die unteren Naturschutzbehörden. Damit steht in jedem Landkreis/jeder kreisfreien Stadt ein Ansprechpartner für den Vollzug der artenschutzrechtlichen Regelungen, aber auch für Fragen der Bürger zur Verfügung. Die obere Naturschutzbehörde im unterstützt die unteren Naturschutzbehörden durch Schulungen, Koordination thüringenweiter Fragestellungen und auf Anfrage im Vollzug.

Zu 6.: Mit der Kommunalisierung und der damit verbundenen Auflösung der Staatlichen Umweltämter hat keine Aufgabenübernahme im Bereich Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Hochwasserrisikomanagementrichtlinie durch die Kommunen stattgefunden. Die jeweiligen Aufgaben sind vollständig beim Land verblieben.

Durch die zum 22. Dezember 2009 verbindlich gewordenen Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne zur Umsetzung der WRRL sind allerdings die unteren Wasserbehörden bei den Landkreisen und kreisfreien Städten, aber auch die Kommunen (als Gewässerunterhaltungspflichtige und als Verantwortliche für Umsetzung von gewässerstrukturverbessernden Maßnahmen an Gewässern II. Ordnung) verstärkt in der Pflicht, zur Umsetzung und Einhaltung der Ziele der WRRL beizutragen. Es handelt sich dabei nicht um neue Vollzugsaufgaben, sondern lediglich um die Durchführung bereits vorhandener Vollzugsaufgaben unter Beachtung anderer Standards.

Zu 7.: Die in der Antwort zu Frage 6 genannte europarechtliche Vorschrift wurde in Deutschland mit der 12. Verordnung zur Durchführung des (Störfall-Verordnung - 12. umgesetzt. Entsprechend der bereits aufgeführten Zuständigkeitsverordnung sind sowohl das und das TLBA als auch die Landkreise und kreisfreien Städte für den Vollzug bestimmter Regelungen der 12. verantwortlich.

Insbesondere bei der als Behördenpflicht durchzuführenden Inspektion von Betriebsbereichen im Sinne der 12. sind durch die Kommunalisierung Vereinfachungen eingetreten. Die maßgeblichen bei diesen Inspektionen einzubeziehenden Behörden sind ebenfalls kommunale Behörden und somit im eigenen Hause zu erreichen. Insofern sollte sich der Koordinierungsaufwand bei der Vorbereitung und Durchführung der Inspektionen deutlich verringert haben.

Im besagten Zeitraum hat sich in Thüringen kein Störfall im Sinne der 12. ereignet.

Zu 8.: Für die Einschätzung der naturschutzfachlichen Begleitung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für größere Verkehrsprojekte im Zuständigkeitsbereich mehrerer unterer Behörden liegen noch keine Erfahrungen vor. Bisher handelt es sich bei derartigen Verfahren regelmäßig um Altverfahren, die noch in der Zuständigkeit der oberen Naturschutzbehörde im bearbeitet werden. Einige wenige neue Verfahren

(5) wurden im Einzelfall durch Erlass des TMLFUN wegen ihrer Bedeutung und zur Erleichterung des Verfahrens der oberen Naturschutzbehörde zur Bearbeitung übertragen.

Dem Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr, als dem für den Verkehrsbereich zuständigen Ressort, sind auch keine Probleme bekannt, die sich aus der geänderten Zuständigkeit ableiten lassen.