In welcher Entfernung zur Sternwarte müssen Störungen durch Licht unterbunden werden um das störungsfreie Arbeiten zu

August 2001 hat folgenden Wortlaut:

Die Landessternwarte Tautenburg, die das größte Schmidt-Teleskop der Welt betreibt, wird als unmittelbar dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst nachgeordnete Einrichtung mit rund drei Millionen Deutsche Mark gefördert. Eine effektive Arbeit am Sternenhimmel ist nur dann möglich, wenn störende Lichtquellen ausgeschaltet werden. Astronomen sprechen in diesem Zusammenhang sogar über eine Verhinderung von Lichtverschmutzung.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welcher Entfernung zur Sternwarte müssen Störungen durch Licht unterbunden werden, um das störungsfreie Arbeiten zu ermöglichen?

2. Welche Eigenschaften von Lichtquellen in diesem Umkreis wären besonders geeignet, der Sternwarte zu beeinträchtigen?

3. Welche Verursacher kommen erfahrungsgemäß für störendes Licht infrage?

4. Welche Instanzen sind für die Unterbindung störenden Lichts zuständig?

5. Wie kann z. B. bei Baugenehmigungen von vornherein ausgeschlossen werden, dass es zu unerwünschten Lichtemissionen kommt?

6. Auf welchen rechtlichen Grundlagen können solche Störungen in Thüringen ausgeschaltet werden?

7. Sofern es Beispiele für rechtliche Regelungen zu dieser Frage in anderen Bundesländern gibt - welche sind diese?

8. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit zur Einführung weiter gehenderer rechtlicher Regelungen, um störende Lichtquellen im Umkreis der Landessternwarte dauerhaft und wirksam auszuschalten?

9. Welche Möglichkeit sieht die Landesregierung, auf die betroffenen Gemeinden dahin gehend Einfluss zu nehmen, dass sie Energie einsparende und weniger Lichtverschmutzung erzeugende Beleuchtungseinrichtungen wie Niedrigdruck-Natriumdampflampen verwenden, mit denen in den USA gute Erfahrungen gemacht wurden?

16. Oktober 2001

Das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 28. September 2001 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Entfernung, bis zu der Störungen durch Licht unterbunden werden müssen, hängt ab von

- der Leistung der Lichtquelle,

- ihrem Abstrahlwinkel in den Raum,

- dem Reflexionsverhalten der Umgebung der Lichtquelle und

- der spektralen Leistungsverteilung der emittierten Strahlung.

Eine richtig konstruierte Straßenleuchte, die ihr Licht überwiegend nach unten abstrahlt, mit beispielsweise einer 65 Watt Natrium-Niederdruckdampflampe, stört bei einem Kilometer Entfernung vom Observatorium weniger als ein Sky-Beamer mit ein Kilowatt Halogenstrahler in 20 Kilometer Entfernung, der mit seinem weithin sichtbaren Lichtfinger die Beobachtungstätigkeit im Observatorium nahezu unmöglich machen kann.

Die moderne Astronomie arbeitet mit tiefgekühlten Halbleiterstrahlungsempfängern, deren Empfindlichkeit die des menschlichen Auges um Zehnerpotenzen übersteigt.

Selbst visuell nicht wahrnehmbare Lichteffekte können daher bereits zu empfindlichen Störungen führen.

Die Schutzzonenordnung für das Karl-Schwarzschild-Observatorium Tautenburg vom 23. November 1977 sah daher drei Schutzzonen vor (Radien zwei Kilometer, sechs Kilometer und 20 Kilometer), in denen mit abgestufter Strenge die Unterbindung von Störungen durch Beleuchtung, Luftverunreinigungen, Erschütterungen und Hochfrequenzeinstrahlungen durchgesetzt wurde.

Zu 2.: - besonders helle Lichtquellen ohne Lichtführungselemente

- solche Lichtquellen, die einen erheblichen oder den überwiegenden Teil ihrer Leistung in den oberen Halbraum abstrahlen

- Lichtquellen mit einem breiten kontinuierlichem Spektrum (z. B. Halogen-Strahler) Beispiele: Sky-Beamer, die als Werbemittel für Diskotheken eingesetzt werden und über viele Kilometer sichtbare Streulichtspuren erzeugen; uneffektiv gestaltete Straßenleuchten sowie Lichtreklamen, die einen erheblichen Anteil des Lichts in den oberen Halbraum abstrahlen; Hochleistungsstrahler, die von unten Werbeflächen oder Gebäude anstrahlen und dabei viel Licht in den Himmel strahlen; Beleuchtungen von Industrie- und landwirtschaftlichen Anlagen; Autoscheinwerfer (z. B. illegaler Autoverkehr auf der Zufahrtsstraße zum Observatorium)

Die in Antwort zu Frage 1 genannte Schutzzonenordnung beschränkte Lichtquellen auf das unbedingt notwendige Mindestmaß an Beleuchtungskörpern... und sah Teilabschaltungen nach 23 Uhr vor.

Zu 3.: Diskotheken, Supermärkte, größere Lichtreklamen, besonders hell beleuchtete Betriebsgelände, Tankstellen, Autohäuser; große Gewächshausanlagen mit künstlicher Belichtung der Kulturen während der Nachtstunden nach oben, auch hell angestrahlte Gebäude - letztere stören insbesondere dann, wenn die Anstrahlung vom Erdboden aus nach oben erfolgt, so dass ein erheblicher Teil der Strahlungsleistung den Himmel erleuchtet. Immer ist das Ausmaß der Störung natürlich auch davon abhängig, ob die Beleuchtung nur während der Abendstunden oder die ganze Nacht betrieben wird.

Zu 4.: Sky-Beamer, die vornehmlich von Diskotheken eingesetzt werden, sind als ortsfeste Anlagen nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne der §§ 22, 23 des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Die Zuständigkeit für beschränkende nachträgliche immissionsschutzrechtliche Anordnungen, § 24 ergibt sich - sofern deren mit § 1, § 3Abs. 1 überhaupt vorliegen (und das ist Tatfrage) aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 der Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes vom 30. September 1994 (GVBl. S. 1085). Zuständige immissionsschutzrechtliche Überwachungsbehörde ist demnach der Landkreis.

Die Zuständigkeiten anderer Behörden (z. B. der Baubehörden für die entsprechende Baugenehmigung der Anlage) bleiben unberührt.

Die Sternwarte Tautenburg zählt als Gebäude durchaus zu den in § 1 genannten Schutzgütern (Sachgüterschutz). Hierunter kann auch ihre funktionale Bedeutung fallen.

Zu 5.: Eine gerichtsfeste Möglichkeit dazu gibt es nicht.

Da nach § 70 Abs. 1 der Thüringer Bauordnung eine Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, können unerwünschte Lichtemissionen nur ausgeschlossen werden, wenn es hierfür entsprechende Regelungen gibt. Derartige Regelungen wie z. B. die Lichtschutzsatzung für den Altstadtbereich von Lech oder für die Stadt Augsburg sind in Thüringen jedoch nicht bekannt.

Soweit es sich um eine Baugenehmigung handelt, wäre allerdings an § 35Abs. 3 Nr. 3 des Baugesetzbuchs zu denken. Voraussetzung ist aber auch hier, dass es sich bei den Lichtemissionen um schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes handelt.

Im unbeplanten Innenbereich nach § 34 käme theoretisch ein Verstoß gegen das so genannte Rücksichtnahmegebot in Betracht.Aber auch hier dass es sich um schädliche Umwelteinwirkungen im oben genannten Sinne handelt.

In jedem Fall ist darauf hinzuweisen, dass Lichtemissionen von Werbeanlagen nicht das Verbot der Werbung im Außenbereich nach § 13 Abs. 3 entgegensteht, da dieses Verbot an den Standort der Anlage und nicht an deren Einwirkbereich anknüpft.

Zu 6.: Auf der Grundlage des § 9 des Thüringer Landesplanungsgesetzes vom 17. Juli 1991 werden die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Landesentwicklungsprogramm und im Regionalen Raumordnungsplan (RROP) dargestellt.

Im Regionalen Raumordnungsplan Ostthüringen (RROP-O) werden für die Landessternwarte Tautenburg folgende Aussagen getroffen: Nummer 11.5.9

Als regionale Besonderheit Ostthüringens soll der Umgebungsschutz für die wissenschaftliche Einrichtung der Thüringer Landessternwarte Tautenburg... bei raumbedeutsamen Vorhaben oder größeren Siedlungsentwicklungen beachtet werden. Nummer 13.3.2.3

Die Thüringer Landessternwarte in Tautenburg und das Seismologische Observatorium Moxa sollen als integraler Bestandteil der Bildungs- und Forschungseinrichtungen Ostthüringens erhalten werden. Zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit beider Einrichtungen sollen deren Schutzzonen bei der Entwicklung anderer räumlicher Belange berücksichtigt werden.

Im Ergebnis der Prüfung der Grundlagen bei der Aufstellung des Entwurfs des RROP-O entsprechend §§ 5, 12 und 13 hat die Regionale Planungsgemeinschaft erkannt, dass im Umfeld der Landessternwarte Tautenburg damit ein raumordnerischer Belang existiert und Regelungsbedarf zum Schutz dieser Einrichtung besteht. Sie beschloss, diesem Belang ein besonderes Gewicht beizumessen und durch Aufnahme in den RROP-O als ein Erfordernis der Raumordnung auf der Grundlage des Raumordnungsgesetzes anzuerkennen. In der Karte 11 - Siedlungs- und Umgebungsschutz wurden dazu nachrichtlich Schutzzonen, wie von der Landessternwarte vorgeschlagen, dargestellt.

Bei den in den Nummern 11.5.9 und 13.3.2.3 handelt es sich um Grundsätze der Raumordnung im Sinne des § 3 des Raumordnungsgesetzes (ROG), d. h. zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums als Vorgaben für und Ermessensentscheidungen (hier insbesondere bei raumbedeutsamen Vorhaben oder bei größeren Siedlungsentwicklungen). Grundsätze der Raumordnung sind nach § 4Abs. 2 ROG von öffentlichen Stellen bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen nach § 4 Abs.1 ROG in der Abwägung oder bei der Ermessensausübung nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Das gilt für die gemäß § 9 Abs. 4 gebundenen Stellen im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung, aber auch bei der Anwendung des § 35 - Bauen im Außenbereich -.

Die Planaussage zum schutzbedürftigen Belang der Landessternwarte Tautenburg (Nummer 11.5.9), wie oben ausgeführt, erhielt mit der Verbindlichkeitserklärung des RROP-O im Jahr 1999 Bindungswirkung.

Zu 7.: Regelungen auf Länderebene sind nicht bekannt. Auf kommunaler Ebene gibt es wenige solche Regelungen; z.B.:

Die Stadt Augsburg hat am 6. Mai 1997 einstimmig eine Satzung Umweltfreundliche Außenbeleuchtung beschlossen, die den Notwendigkeiten entgegenkommt. Primäres Ziel ist eine optimierte Stadtbeleuchtung bei minimiertem Energieeinsatz ebenso wie eine minimierte Beeinträchtigung von Mensch und Umwelt. Danach sind z. B. Sky-Beamer, Laserlichtshows im Freien und Gebäudebestrahlungen mit Weißlicht nicht zuzulassen.

An einer ähnlichen Satzung arbeitet zurzeit auch die Stadt Potsdam.

Zahlreiche Regelungen gibt es im Ausland; als Beispiele seien genannt:

- Night Sky Protection Act in New Mexiko,

- Light control Law in Texas,

- Ordinance No. 8210 Lighting Code, 1994, Arizona,

- The Sky Law (31. Oct. 1988), Canarische Inseln,

- PROPOSTA DILEGGE MISURE URGENTI IN TEMA DIRISPARMIO ENERGETICO AD USO DI ILLUMINAZIONE ES TERNA E DI LOTTA ALL INQUIVAMENTO LUMINOSO; Italien, legt Schutzzonen für zwölf ausgewählte Observatorien in Italien fest.

Zu 8.: Die in auf Frage 6 genannten Schutzmöglichkeiten sind und Ermessensausübung abhängig. Einen unbedingten Schutz entfalten sie nicht.

Noch unsicherer ist der Erfolg eines Schutzbegehrens auf Basis des Bundesimmissionsschutzgesetzes (siehe Antwort auf Frage 4). Rechtliche Grundlagen der bereits erwähnten, durch Beschluss des Rates des Bezirkes Gera 1977 getroffenen Schutzzonenordnung sind nicht erkennbar.

Zu 9.: Eine rechtliche Möglichkeit dazu gibt es nicht.

Die bei Natrium-Niederdruckdampflampen gewährleistete geringere Störung astronomischer Beobachtungstätigkeit gegenüber herkömmlichen Glühlampen sowie die mögliche Stromeinsparung von bis zu 90 Prozent (gegenüber Natrium-Hochdrucklampen von ca. 35 bis 50 Prozent) sollte bei langfristiger Planung und zunehmenden Energiekosten zu deren bevorzugten Einsatz führen. Bei kurzfristiger Planung allerdings kompensiert die Notwendigkeit, neue Vorschaltgeräte und zum Teil auch neue Leuchten zu installieren, den finanziellen Spareffekt.

Im Rahmen von Sanierungen empfiehlt die Landesregierung den betroffenen Gemeinden, Untersuchungen zur energetischen Optimierung der vorhandenen Beleuchtungsanlagen durchführen zu lassen.

Derartige Untersuchungen können zur Erschließung von Einsparpotentialen gemäß der Thüringer Richtlinie zur Förderung von Energieberatung und Energiekonzepten des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur durch die Thüringer Aufbaubank als Energieberatung mit bis zu 2 800 Deutsche Mark bezuschusst werden.