Grundstücksverkäufe durch Kommunen sind unter bestimmten Voraussetzungen durch die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden zu

Juni 2010 hat folgenden Wortlaut:

Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 25. März 2010 die Einschränkungen der Ausschreibungspflichten bei Grundstücksverkäufen der öffentlichen Hand nach § 99 Abs. 3 und 6 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bestätigt. Demnach sind nicht mehr alle Grundstücksverkäufe, selbst wenn sie mit einer Bauverpflichtung verbunden sind, ausschreibungspflichtig. Ausschreibungspflichtig sind solche Grundstücksverkäufe, die mit einer verbindlichen Verpflichtung zur Bauleistung im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse der öffentlichen Hand gekoppelt sind. Was dabei unter den Begriffen unmittelbar und wirtschaftliches Interesse zu verstehen ist, dürfte noch umstritten sein, was zu Rechtsanwendungsproblemen führen kann.

Grundstücksverkäufe durch Kommunen sind unter bestimmten Voraussetzungen durch die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden zu genehmigen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen Voraussetzungen ist das Land zur öffentlichen Ausschreibung von Grundstücksverkäufen verpflichtet und wie wird dies begründet?

2. Unter welchen Voraussetzungen kann das Land beim Verkauf von Grundstücken auf eine öffentliche Ausschreibung verzichten und wie wird dies begründet?

3. Unter welchen Voraussetzungen sind die Kommunen zur öffentlichen Ausschreibung von Grundstücksverkäufen verpflichtet und wie wird dies begründet?

4. Unter welchen Voraussetzungen können die Kommunen beim Verkauf von Grundstücken auf eine öffentliche Ausschreibung verzichten und wie wird dies begründet?

5. Wie wird bei Grundstücksverkäufen ohne öffentliche Ausschreibung die Einhaltung von Haushaltsgrundsätzen (z. B. Grundsatz der Wirtschaftlichkeit) gesichert?

6. Inwieweit muss ein Grundstücksverkauf, der mit einem städtebaulichen Vertrag (z. B. Durchführungsvertrag mit einem vorhabensbezogenen Bebauungsplan) gekoppelt ist, öffentlich ausgeschrieben werden und wie wird dies begründet?

7. In welchen Fällen haben die Rechtsaufsichtsbehörden seit dem 1. Januar 2005 mit welcher Begründung vorgesehene Grundstücksverkäufe durch die Kommunen nicht genehmigt (bitte Einzelaufstellung)?

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 19. Juli 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Eine Ausschreibungsverpflichtung besteht neben dem Erfordernis der Erreichung des entsprechenden EUSchwellenwertes dann, wenn der konkrete Grundstücksverkauf als ein im Sinne des § 99 Abs. 3 GWB zu qualifizieren ist. Nach § 99 Abs. 3 GWB muss der dem Bauauftrag immanente Beschaffungscharakter in der Weise vorhanden sein, dass die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugute kommt. Mit der im Jahr 2009 vorgenommenen Änderung des § 99 Abs. 3 GWB wurde klargestellt, dass ein Grundstücksverkauf ohne eigenen Beschaffungsbedarf des Auftraggebers keinen öffentlichen Auftrag darstellt. Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 25. März 2010 (Rs C-451/08 - Helmut Müller) den § 99 Abs. 3 GWB europarechtlich bestätigt.

Zu 2.: Für reine Grundstückverkäufe ohne Beschaffungsbezug besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur öffentlichen Ausschreibung. Dies ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber bloß im Rahmen seiner städtebaulichen Regelungszuständigkeit handelt, nicht Eigentümer der Bauleistung wird, keine ausdrückliche und einklagbare Bauverpflichtung vereinbart und wirtschaftlich nicht an der Nutzung des Vertragsgegenstands bzw. am Risiko der Nutzung beteiligt ist.

Solche Veräußerungsvorgänge unterfallen nicht dem Vergaberecht, weil die öffentliche Hand in diesen Fällen nicht als Einkäufer von Gütern am Markt auftritt.

Zu 3.: Sowohl das Land wie die Thüringer Kommunen sind öffentliche Auftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 1 GWB, so dass auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen wird. Aus kommunalrechtlicher Sicht ist auch auf § 31 Abs. 1 Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung sowie § 24 Abs. 1 Thüringer Gemeindehaushaltsverordnung-Doppik hinzuweisen, wonach der Veräußerung von Gemeindevermögen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen muss.

Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 2. Hier ist ergänzend aus kommunalrechtlicher Sicht auch auf § 31 Abs. 1 sowie § 24 Abs. 1 hinzuweisen, die die Ausnahmen von dem Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung formulieren.

Zu 5.: Haushaltsrechtlich besteht nach der Verwaltungsvorschrift 5.1 zu § 64 Thüringer Landeshaushaltsordnung das Gebot der öffentlichen Ausschreibung bei zu veräußernden Grundstücken des Landes. Hierdurch wird dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 7 sowie dem Wettbewerbsgrundsatz, dem Transparenzgebot und dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprochen.

Abweichungen vom Grundsatz der Ausschreibungspflicht werden durch die zuständigen Landesbehörden im Einzelfall geprüft und restriktiv gehandhabt.

Im Wesentlichen wird bei Grundstücken auf eine Ausschreibung verzichtet, wenn es sich bei diesen Grundstücken um solche handelt, für die bereits auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen Einschränkungen in der Verfügungsberechtigung des Grundstückseigentümers bestehen. Hierzu gehören insbesondere Verkäufe nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sowie von Überbaugrundstücken gemäß § 915 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

In begründeten Fällen kann auch bei Verkäufen an Vorhabensträger im Sinne des § 13 Thüringer Haushaltsgesetz 2010 vom Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung abgesehen werden, z. B. wenn Kommunen Liegenschaften zur Beschaffung von Straßenbauland oder zur Gewährleistung der erforderlichen Versorgung der Bevölkerung mit Einrichtungen der Gesundheit, Sozialhilfe etc. erwerben müssen.

Ein lediglich geringer Verkehrswert oder ein auf Grund von Art und Lage einer Liegenschaft eingeschränkter Interessentenkreis begründet nicht unmittelbar die Abweichung vom Grundsatz der öffentlichen Ausschreibung. In diesen Fällen, zum Beispiel häufig bei Aneignungsrechten gemäß § 928 Abs. 2 BGB, erfolgt die Veröffentlichung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen nicht in den Printmedien, sondern ausschließlich auf der Internetseite des Landesbetriebs sowie zeitlich befristet, in mindestens zwei verschiedenen Internet-Immobilienportalen, z. B. Immobilienscout24 und Immowelt.

Das Kommunalrecht schreibt in § 31 Abs. 1 Satz 2 sowie § 24 Abs. 1 Satz 2 vor, dass der Veräußerung von Gemeindevermögen grundsätzlich eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen muss. Ausnahmen sind unter den dort genannten Voraussetzungen und den einschlägigen Regelungen der Thüringer Kommunalordnung (§§ 53 und 67) sowie gegebenenfalls europarechtlichen Bestimmungen zu beachten.

Zu 6.: Entsprechend der Antwort zu Frage 2 und den dort dargelegten Kriterien ist das Vergaberecht in derartigen Fallkonstellationen anzuwenden, wenn der konkrete Grundstücksverkauf einen Beschaffungsbezug aufweist und der öffentliche Auftraggeber nicht bloß im Rahmen seiner städtebaulichen Regelungszuständigkeit handelt.

Zu 7.: Bei den Rechtsaufsichtsbehörden werden derartige Fälle statistisch nicht erfasst. Anlässlich einer zu der vorliegenden Kleinen Anfrage vom Landesverwaltungsamt getätigten Abfrage sind letztendlich zwei Fälle im Landkreis Greiz bekannt geworden, in denen seit dem 1. Januar 2005 eine vorgesehene Grundstücksveräußerung wegen Verstoßes gegen § 67 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung nicht genehmigt wurde. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass mit der Änderung des § 67 durch Artikel 2 Nr. 11 des Thüringer Gesetzes über das Neue Kommunale Finanzwesen vom 19. November 2008 (GVBl. S. 381) ein rechtsaufsichtlicher Genehmigungsvorbehalt für die Veräußerung von Grundstücken durch Kommunen nicht mehr besteht.