Erhalt der Identität der Feuerwehren

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hat sich in der Erklärung Erhalt der Identität der Feuerwehren als kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge auch kritisch mit Tendenzen der Verpolizeilichung von Feuerwehren und Rettungsdiensten auseinandergesetzt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen darf die Polizei auf Unterstützung durch die Feuerwehr im Rahmen der Amtshilfe zurückgreifen?

2. Welche Aufgaben dürfen Feuerwehren im Rahmen der Amtshilfe bei polizeilichen Maßnahmen übernehmen und wie begründet die Landesregierung ihre Auffassung?

3. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2009 und 2010 Feuerwehren im Rahmen der Amtshilfe durch die Polizei bei polizeilichen Maßnahmen angefordert?

4. Welche Aufgaben wurden in diesen Fällen jeweils durch die Feuerwehren konkret erfüllt (bitte um Einzelaufstellung nach Ort, Anlass der polizeilichen Maßnahme, Begründung für das Amtshilfeersuchen sowie durch die Feuerwehr jeweils übernommene Aufgabe)?

5. In wie vielen Fällen wurden in den Jahren 2009 und 2010 die Amtshilfeersuchen durch die Feuerwehr aufgrund unterstellter Rechtswidrigkeit verweigert?

6. In wie vielen der in Antwort zu Frage 4 aufgeführten Fälle wurde die Erfüllung des Amtshilfeersuchens im Rahmen einer späteren Prüfung als rechtswidrig festgestellt (bitte um begründete Einzeldarstellung des jeweiligen Sachverhaltes)?

7. Wie wird die Sicherheit der Feuerwehrleute bei diesen Einsätzen, beispielsweise bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Störern oder bei Verkehrsblockaden, gewährleistet?

8. Wie werden Feuerwehrangehörige auf Einsätze im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen im Rahmen der Amtshilfe sowohl rechtlich als auch fachlich vorbereitet?

9. In welchen Landkreisen und kreisfreien Städten in Thüringen existieren gemeinsame Leitstellen der Polizei, Feuerwehr und/oder der Rettungsdienste und wer hat die Aufsicht jeweils über diese Leitstellen?

10. Wie sind die gemeinsamen Leitstellen organisatorisch, technisch und baulich gestaltet, um einen wechselseitigen Zugriff auf Ressourcen, Personal und Daten auszuschließen?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 30. September 2010 wie folgt beantwortet:

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, welcher der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der Deutsche Feuerwehrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in der Bundesrepublik Deutschland (AGBF) angehören, hat sich zur Frage der Verpolizeilichung der Feuerwehr in dem Positionspapier aus dem Jahr 2008 Erhalt der Identität der Feuerwehren als kommunale Einrichtungen der Daseinsvorsorge geäußert.

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gab ein Gutachten. Zu den rechtlichen Grenzen einer Verzahnung von staatlicher Polizei und kommunalen Feuerwehren sowie kommunalem Rettungsdienst in Auftrag.

Anlass für die Befassung dieser Gremien waren die Umstrukturierungen in den Landesverwaltungen einiger Länder im Bereich der polizeilichen und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr einschließlich der Bildung gemeinsamer Leitstellen sowie einige Einsätze, bei denen die Grenzen einer Amtshilfe durch Kräfte der Feuerwehr erheblich überschritten wurden. Bezüglich der Entwicklung in Niedersachsen sieht der Autor des Rechtsgutachtens im Hinblick auf die Regelungen zur Aufsicht über die Feuerwehren durch die jeweilige Polizeidirektion (damit über die Aufgaben Brandschutz und Hilfeleistungen) einen Verstoß gegen den auch in der dortigen Gemeindeordnung verankerten Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung. Im Hinblick auf die gemeinsamen Leitstellen wird unter den dortigen Rahmenbedingungen ein Verstoß gegen das Behördentrennungsprinzip gesehen.

Thüringen hat keine Bunten Leitstellen im Sinne der niedersächsischen Strukturen eingerichtet.

Eine Aufsicht der Polizei über die Erfüllung der kommunalen Aufgaben Brandschutz und Hilfeleistung besteht nicht. Dennoch führte die im Thüringer Innenministerium erfolgte Umstrukturierung der Abteilung 4 im Jahr 2008 auch im Thüringer Landesfeuerwehrverband zu entsprechenden Diskussionen. In der Folge wurde auf dessen Betreiben bei der Novellierung des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes im Mai 2009 entsprechend der hessischen Regelung im Brandschutzgesetz der § 53a aufgenommen, wonach Feuerwehren sowie Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes polizeilichen oder militärischen Dienststellen nicht unterstellt werden dürfen.

Zu 1.: Zwischen polizeilichen und nichtpolizeilichen Aufgaben gibt es eine klare Trennung, die hinsichtlich des polizeilichen Handelns im Polizeiaufgabengesetz (PAG) und in Bezug auf die Aufgaben der Feuerwehren im Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz eindeutig geregelt ist.

Voraussetzungen und Grenzen von Hilfeleistungen der Feuerwehr für die Polizei richten sich nach den allgemeinen Grundsätzen der Amtshilfe, die in den § 4 und § 5 des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes normiert sind.

Dies bedeutet insbesondere, dass die Polizei Amtshilfe der Feuerwehr nur in Anspruch nehmen darf, wenn Gefahren für Leib und Leben der Feuerwehrmitarbeiter ausgeschlossen werden können.

Auf die Antwort zu Frage 2 wird im Übrigen verwiesen.

Zu 2.: Die Feuerwehr hat die Aufgabe bei Bränden, Unfällen, Katastrophen und ähnlichen Ereignissen Hilfe zu leisten, das heißt Menschen, Tiere und Sachwerte zu retten, zu schützen und zu bergen.

Bei allen Hilfeleistungen für die Polizei gilt, dass die Feuerwehren die rechtlichen Vorgaben des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes zu beachten haben.

Im Unterschied zur Polizei richten sich Maßnahmen der Feuerwehr z. B. nicht gegen Personen als Verursacher oder Störer. Ihr Einsatz dient vielmehr dazu, einen speziell auf Feuergefahren und Unglücksfälle mit dem Erfordernis technischer Hilfe beruhenden Zustand abzuwenden bzw. zu beenden (vgl. § 1 Abs. 1 Maßnahmen der Amtshilfe können sich deshalb regelmäßig nur auf die Vornahme von Handlungen beziehen, welche die Feuerwehr aufgrund ohne Eigengefährdung erbringen kann und zu denen eigene Kräfte der Polizei in einer konkreten Situation nicht in der Lage wären. Beispielsweise wird die Feuerwehr zur technischen Hilfeleistung bei schweren Verkehrsunfällen zur Amtshilfe herangezogen, um eingeklemmte Fahrzeuginsassen zu befreien. Ebenso erfolgt die Inanspruchnahme der Feuerwehr zum Öffnen von Wohnungstüren, wenn sich in der Wohnung eine hilflose Person befindet.

Auf die Antwort zu Frage 1 wird im Übrigen verwiesen.

Zu 3.: Die Anzahl der Anforderungen der Feuerwehren im Rahmen der Amtshilfe durch die Polizei bei polizeilichen Maßnahmen wird statistisch nicht erfasst.

Zu 4. bis 6.: Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.

Zu 7.: In solchen Fällen ist der Aufgabenbereich nicht eröffnet.

Auf die Antworten zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen.

Zu 8.: Im Rahmen der Ausbildung der Feuerwehrangehörigen werden neben den einschlägigen gesetzlichen Regelungen des Gefahrenabwehr-, Feuerwehr- und Katastrophenschutzrechts auch die für sie relevanten Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts einschließlich der diesbezüglichen Regelungen der Amtshilfe vermittelt.

Zu 9.: Im Gefahrenabwehrzentrum der Stadt Suhl sind die Leitstelle der Verkehrspolizei und die Zentrale Leitstelle des Rettungsdienstzweckverbandes (für die Stadt Suhl und die Landkreise Hildburghausen und Sonneberg) in einem gemeinsamen Gebäude untergebracht. Zwischen diesen beiden Stellen gibt es jedoch keinen Datenaustausch oder einen gemeinsamen Betrieb.

In Katastrophenfällen, insbesondere bei großen Einsätzen in der Tunnelkette der BAB 71 ist es möglich einen gemeinsamen Lage- und Führungsraum zu nutzen, um unter einheitlicher Leitung der Katastrophenschutzbehörde der Stadt Suhl das Zusammenwirken aller an der Gefahrenabwehr beteiligten Behörden und Organisationen weitestgehend ohne Schnittstellenprobleme und Informationsverluste gewährleisten zu können.

Die staatliche Aufsicht über die Landkreise und kreisfreien Städte und Rettungsdienstzweckverbände richtet sich nach den Bestimmungen der Thüringer Kommunalordnung Gemäß § 118 Abs. 2 ist das Thüringer Landesverwaltungsamt Rechtsaufsichtsbehörde über die kreisfreien Städte und die Landkreise.

Zu 10.: Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen.