Durchführung behördlicher Disziplinarverfahren gegen Thüringer Landesbeamte

Bei der Durchführung von Disziplinarverfahren wurde in einer Vielzahl von Fällen gegen das disziplinarrechtliche Beschleunigungsgebot verstoßen.

Behördliche und gerichtliche Disziplinarmaßnahmen gegen Beamte dürfen nur nach einem gesetzlich geregelten Verfahren verhängt werden. Gesetzliche Grundlage für Disziplinarmaßnahmen in Thüringen war bis zum Inkrafttreten des Thüringer Disziplinargesetzes vom 21. Juni 2002 die Bundesdisziplinarordnung (BDO).

Im behördlichen Disziplinarverfahren können bei leichteren Dienstvergehen Behördenleiter Verweise oder Geldbußen und die vorgesetzten Dienstbehörden Kürzungen der Dienstbezüge oder des Ruhegehalts verhängen. Über eine Herabstufung oder eine Entfernung aus dem Dienst entscheidet das Disziplinargericht (gerichtliches Verfahren). Disziplinarverfahren sind gemäß § 25 Abs. 1 beschleunigt durchzuführen. Wenn im behördlichen Disziplinarverfahren nach zwölf Monaten keine Entscheidung gefallen ist, wird dem Beamten gemäß § 25 Abs. 2 die Möglichkeit einräumt, eine gerichtliche Fristsetzung zu beantragen. Durch das Beschleunigungsgebot soll sichergestellt werden, dass die betroffenen Beamten entweder zügig entlastet (Schutzfunktion des Disziplinarrechts) oder aber durch entsprechende Disziplinarmaßnahmen zur künftigen Pflichterfüllung angehalten werden (Ordnungsfunktion des Disziplinarrechts). Beides dient dem Ziel, die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu sichern und

Aus Vereinfachungsgründen wird die Bezeichnung Beamter/Beamte für männliche und weibliche Beamte verwendet.

Das Disziplinarrecht ist somit auch ein wichtiges Mittel der Personalführung.

Der Thüringer Rechnungshof hat im Jahr 2008 eine Querschnittsprüfung zur Durchführung der behördlichen Disziplinarverfahren gegen Thüringer Landesbeamte durchgeführt. Die Prüfung umfasste alle Disziplinarverfahren in der Landesverwaltung, die bis zum 31. Dezember 2007 noch nicht dem Verwertungsverbot28 unterlagen.

Zweck der Untersuchung war es, insbesondere die Beachtung des Beschleunigungsgebots gemäß § 25 Abs. 1 als wesentliches Element der ordnungsgemäßen Verfahrensdurchführung zu überprüfen.

Die obersten Landesbehörden meldeten insgesamt 430 Disziplinarverfahren. Davon wurden 406 Verfahren nach geführt. Von den 24 Verfahren nach BDO waren noch 5 Verfahren, die teilweise bereits 1999 eingeleitet wurden, anhängig. In die örtlichen Erhebungen bezog der Rechnungshof 124 Verfahren ein.

Der Rechnungshof hat bei seiner Prüfung folgende Feststellungen zu den behördlichen Disziplinarverfahren getroffen:

· 75 von 124 örtlich geprüften Disziplinarverfahren waren zu beanstanden. Häufig ergaben sich mehrere Beanstandungen je Verfahren.

· Die durchschnittliche Verfahrensdauer für die gesamte Landesverwaltung lag innerhalb der Zwölfmonatsfrist gemäß § 25 Abs. 2 Allerdings überschritten 83 von 352 ausgewerteten Ver28

Gemäß § 78 dürfen Disziplinarverfahren nach einer bestimmten Frist, die je nach Disziplinarmaßnahme zwei, drei oder sieben Jahre beträgt, nicht mehr berücksichtigt werden. Die Vorgänge sind aus der Personalakte zu entfernen und zu vernichten. In einzelnen Fällen nahm allein das behördliche Verfahren bis zu drei Jahren in Anspruch.

· In 43 Fällen wurden Verstöße der Ermittlungsführer gegen das Beschleunigungsgebot festgestellt. Sie blieben wiederholt und ohne sachlichen Grund über längere Zeiträume untätig. In einem Fall wurde mit Verfügung vom 19. Januar 2006 gemäß § 22 ein Disziplinarverfahren eingeleitet und der Ermittlungsführer bestellt. Dieser war offensichtlich nach seiner Bestellung bis zur Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage am 24. Juli 2007 untätig.

Das Verfahren endete am 8. Mai 2008 mit Einstellungsverfügung.

· Eine ausdrückliche dienstliche Entlastung der Ermittlungs- bzw. Untersuchungsführer30 für die Dauer ihrer Tätigkeit war in keinem Fall feststellbar. Im TIM hatte ein Untersuchungsführer insgesamt mehr als 30 Verfahren zu betreuen, ohne dass er entlastet wurde.

· Dienstvorgesetzte unterließen es in 37 von 124 Fällen, ihre Entscheidungen zeitnah zu treffen. Diese erfolgten teilweise erst Monate nach Vorlage des Wesentlichen Ergebnisses (WE) der Ermittlungen. In einem Fall vergingen zwischen der Vorlage des WE und der Disziplinarverfügung elf Monate. Selbst auf die Anfrage des Beamten zum Verfahrensstand vergingen noch mehr als zwei Monate, bis der zuständige Leiter den Verweis verfügte.

In die Auswertung konnten nur 352 von 430 Verfahren einbezogen werden. Einige Verfahren nach BDO bzw. waren noch nicht abgeschlossen. Zeitangaben zu abgeschlossenen Verfahrensabschnitten lagen nicht vor. BDO-Verfahren eines Ministeriums, die teilweise bereits im Jahr 1999 eingeleitet wurden und noch nicht abgeschlossen waren, konnten ebenfalls nicht einbezogen werden.

Bei Verfahren nach BDO schloss sich an das nichtförmliche Verfahren, das die Behörde führte, bei schweren Dienstvergehen ein förmliches Verfahren an. In förmlichen Verfahren ermittelt zunächst ein vom Behördenleiter eingesetzter Untersuchungsführer. Führte diese Untersuchung nach sechs Monaten nicht zur Verfahrenseinstellung oder zu einer Klage, konnte der beschuldigte Beamte beim Disziplinargericht eine gerichtliche Fristsetzung beantragen.