Sonderfahrdienste für Behinderte

Betreffend Sonderfahrdienste für Behinderte und Antwort der Sozialministerin Vorbemerkung der Sozialministerin:

Die gesellschaftliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung geht über den Bereich der Sozialleistungen und der Sozialpolitik im engeren Sinne hinaus. Chancengleichheit und gesellschaftliche Teilhabe beinhalten den Anspruch auf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben. Die Teilnahme am Leben der Gesellschaft wird durch den Abbau von Mobilitätshemmnissen, insbesondere in den Lebensbereichen Bauen, Wohnen und Verkehr, ganz wesentlich mitbestimmt. Der Verbesserung der Mobilität von Schwerbehinderten, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, dienen die Regelungen über die Unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr nach dem Schwerbehindertengesetz (§§ 59 ff. In Hessen haben derzeit rund 236.000 Personen eine entsprechende Feststellung durch das Versorgungsamt. Von der Freifahrtberechtigung mittels einer entgeltlichen bzw. in besonderen Fällen auch unentgeltlichen Wertmarke haben rund 77.500 Berechtigte Gebrauch gemacht, weitere rund 66.600 Personen haben alternativ die Kraftfahrzeugsteuerermäßigung gewählt.

Die Erfahrungswerte zeigen, dass zwischen 15 und 20 v.H. der Bevölkerung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel Schwierigkeiten haben, die sich z. B. bei der Überwindung von Höhenunterschieden, beim Zugang zu den Verkehrsanlagen und beim Einstieg in die Fahrzeuge ergeben. Aber auch seh- und hörbehinderte Personen sowie Menschen mit geistigseelischen Behinderungen gehören hierzu.

Mobilitätsbehinderte Personen sollen nach § 10 Abs. 5 des hessischen ÖPNV-Gesetzes (Gesetz zur Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs in Hessen i.d.F. vom 19. Januar 1996) durch entsprechende Gestaltung der Fahrzeuge und baulichen Anlagen das öffentliche Personennahverkehrsangebot nutzen können. Die Verantwortung hierfür (konkrete Planung und Umsetzung) liegt bei den Aufgabenträgern des ÖPNV, d.h. den Landkreisen, kreisfreien Städten und kreisangehörigen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern. Die Verkehrsverbünde vertreten die Aufgabenträger speziell in Fragen des regionalen Verkehrs und sind in vieler Hinsicht Initiatoren einer behindertengerechten Verkehrsgestaltung. Exemplarisch ist hier auf den Stationsentwicklungsplan des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV), auf das Bahnsteigerhöhungsprogramm des Nordhessischen Verkehrsverbundes (Programm 55) und auf die zwischen der DB AG, dem RMV und dem Land abgeschlossenen Verträge zur behindertengerechten Fahrzeugausstattung und zur barrierefreien Stationsgestaltung hinzuweisen.

Entsprechende Maßnahmen werden grundsätzlich in Abstimmung von Kommunen und/oder Verkehrsunternehmen, Verbünden und Technischer Fachbehörde des Landes geplant.

Die Landesregierung hat über ihre Aufgabe als Zuwendungsgeber hinaus keine eigene Zuständigkeit für die Ausgestaltung der ÖPNV-Infrastruktur und der Fahrzeuge.

Auch unter Berücksichtigung eines möglichst umfassenden behindertengerechten Ausbaus des allgemeinen öffentlichen Personennahverkehrs ist festzustellen, dass besonders betroffene Menschen mit Behinderung zum Ausgleich ihrer Mobilitätsbeeinträchtigung auf Hilfen angewiesen sind, um letztlich ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft realisieren zu können. Für Behinderte, die wegen ihrer Behinderung weder öffentliche Verkehrsmittel noch ein Taxi - gegebenenfalls unter Übernahme der Kosten durch die Sozialhilfe - benutzen können, sind in vielen Städten, Kreisen und Gemeinden im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte nach §§ 39 ff. BSHG in Verbindung mit §§ 19, 20 der zu § 47 BSHG erlassenen von kommunalen Einrichtungen, Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden so genannte Sonderfahrdienste eingerichtet oder finanziert worden. Die im Rahmen der Kommunalen Selbstverwaltung erlassenen Benutzerregelungen sind dabei nicht einheitlich.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt:

Frage 1. Wie sind hessenweit in den Kommunen und Kreisen die Fahrdienste für schwerstbehinderte Menschen organisiert, die aufgrund ihrer Behinderung keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können? (Bitte auflisten!)

Die örtlichen Träger der Sozialhilfe haben in der Regel Richtlinien (s. Anlagen 1 bis 3) für den Beförderungsdienst für Schwerbehinderte herausgegeben, die zu beachten sind.

Wegen des Umfangs des zur Verfügung stehenden Materials und der von Kommune zu Kommune unterschiedlichen Verfahrensweise hinsichtlich der hier in Rede stehenden Problematik der Sonderfahrdienste für Behinderte sind die eingegangenen Berichte beigefügt (Anlagen 1 bis 3), denen die Einzelheiten entnommen werden können.

Den Anlagen 4 bis 6 bitte ich zu entnehmen, durch welche sozialen Organisationen bzw. Unternehmen die Fahrdienste für Schwerbehinderte in den einzelnen Regierungsbezirken gewährleistet sind.

Frage 2. Wie werden diese Fahrdienste finanziert?

Für die regelmäßigen individuellen Fahrten (z.B. zu Kindertagesstätten, Schulen, Werkstätten für Behinderte, zum Arbeitsplatz) bestehen überwiegend eigene Beförderungsdienste, d.h. diese Lasten werden z. B. von Krankenkassen, Unfallversicherungen oder Behinderteneinrichtungen übernommen.

Im Rahmen der Sozialhilfe sind die Leistungen abhängig von der Einkommens- und Vermögenslage nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), d.h. Fahrtkosten werden übernommen, wenn es dem Hilfesuchenden nach § 28 in Verbindung mit Abschnitt 4 BSHG nicht zuzumuten ist, diese aus dem eigenen Einkommen und Vermögen aufzubringen; hierbei wird die Einkommensgrenze nach § 79 BSHG zugrunde gelegt. Die Finanzierung der Fahrdienste für Behinderte ist eine freiwillige Leistung des jeweiligen örtlichen Sozialhilfeträgers im Rahmen der Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (Eingliederungshilfe) für Behinderte nach § 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Verbindung mit § 19 der Verordnung zu § 47 BSHG sowie § 27 d Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die in den Anlagen 4 bis 6 aufgeführten Beförderungsdienste haben die Aufgabe, Schwerbehinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft

- teils mittels Spezialfahrzeugen - in angemessener Weise zu ermöglichen.

Diese Fahrten dienen rein privaten Zwecken, z. B. für:

- Besorgungen des täglichen Lebens, die der allgemeinen Existenzsicherung dienen (Behörden, Banken, Einkaufsstätten),

- Freizeitgestaltung (Klubs, Vereine, Sport),

- Theater, Kino, Museen, Vorträge,

- Besuchsfahrten (Verwandte, Freunde und Bekannte).

Die Abrechnung mit den Fahrdiensten erfolgt in der Regel pauschal über ausgegebene Fahrschecks bzw. Fahrgutscheine (auch die Abrechnung ist individuell geregelt).

Frage 3. Müssen die Betroffenen einen Eigenanteil an den Kosten tragen?

Von den zur Inanspruchnahme des Beförderungsdienstes für Schwerstbehinderte berechtigten Personen, die keine Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten, wird je nach finanzieller Situation im Rahmen der Einkommensgrenzenberechnung in der Regel ein Eigenanteil in angemessenem Umfange zugemutet (die detaillierte Aufgliederung kann den Anlagen entnommen werden).

Frage 4. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um den öffentlichen Personennahverkehr so zu gestalten, dass auch Schwerstbehinderte ihn nutzen können und die nicht mehr benötigt werden?

Die Hessische Landesregierung legt bei allen Investitionsfördermaßnahmen im ÖPNV besonderen Wert auf die Benutzerfreundlichkeit für Schwerbehinderte. In vielen Fällen werden die Antragsteller sogar erst durch die Fachbehörde des Landes auf entsprechende Anpassungen hingewiesen. Die für die Prüfung von Förderanträgen zuständige technische Fachbehörde des Landes fordert bei allen relevanten Maßnahmen grundsätzlich die Einbeziehung der jeweiligen kommunalen Behindertenbeauftragten. Bei P+R-Anlagen, Haltestellen, U- und S- Bahn-Stationen und bei der Modernisierung von Bahnhöfen sowie bei der Beschaffung und Nachrüstung von Bussen, Straßenbahnen und Eisenbahnfahrzeugen wird den Belangen Behinderter in besonderer Weise Rechnung getragen. Derzeit sind 75 v.H. der mit Landeszuwendungen beschafften Busse Niederflurfahrzeuge mit Rampen. Für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) wurden seitens des Landes niederflurige Triebwagen und Doppelstockwagen sowie modernisierte Nahverkehrswagen mit Hubliften gefördert. Bis Ende des Jahres 2000 werden rund 90 bis 100 behindertengerechte Züge für den SPNV in Hessen außerhalb des S-Bahn-Netzes zur Verfügung stehen.

Durch die vom Land Hessen geförderten Maßnahmen werden die Mobilitätsbedingungen für Rollstuhlfahrer in Hessen ständig verbessert. Die kurzfristige flächendeckende Umgestaltung aller Verkehrsanlagen liegt jedoch außerhalb der Möglichkeiten des Landes. Insbesondere ist das Land an das Vorliegen eines Förderantrages der zuständigen Kommune oder des Verkehrsbetriebes gebunden. Ohne einen solchen Antrag kann das Land entsprechende Maßnahmen, seien sie noch so wünschenswert, nicht selbst durchführen. Das Land hat allerdings bis jetzt jeden vorgelegten Antrag zur behindertengerechten Gestaltung neuer Verkehrsanlagen in höchstmöglichem Umfang gefördert und beabsichtigt dies im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel auch in Zukunft.

Flächendeckend alle Elemente der Verkehrsinfrastruktur behindertengerecht zu gestalten, ist eine Aufgabe, die nur langfristig zu bewältigen ist. Sonderfahrdienste für Behinderte sind deshalb auf absehbare Zeit für viele Wege nicht verzichtbar, sondern können nur sukzessive substituiert oder auf kürzere Zubringerfahrten, z. B. zum nächstgelegenen behindertengerechten Bahnhof, begrenzt werden.

Zu bedenken ist allerdings, dass der öffentliche Nahverkehr den Behinderten- fahrdienst sicher nicht ganz ersetzen kann, da einige schwerstbehinderte

Menschen immer auf weitergehende individuelle Hilfen angewiesen sein werden.

Abschließend sind noch die Serviceangebote des Flughafens Frankfurt/Main AG (FAG) zu erwähnen:

Die FAG stellt den Fluggesellschaften in beiden Terminals Elektrowagen und Rollstühle für den Transport behinderter Passagiere zur Verfügung. Die Airlines sind zuständig für die Fluggastbetreuung vom Gepäckannahmeschalter (Counter) bis zum Flugzeug sowie umgekehrt vom Flugzeug bis zur Gepäckausgabe. Zubringer und Abholdienste werden gegen Entgelt offeriert.

Neben einem Gepäckträgerservice wird u.a. auch eine Rollstuhlhilfe, etwa die Begleitung von der Tiefgarage bis zum Gepäckannahmeschalter oder vom Bahnsteig zur Hochbahn Sky Line und zum Terminal 2, angeboten.