Beamte

Wie hoch ist die Anzahl der in dem Zeitraum ab 1. Januar 2009 anhängigen beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren (vorläufiger Rechtsschutz und Hauptsacheverfahren) vor den Thüringer Verwaltungsgerichten und dem Thüringer Oberverwaltungsgericht (Die Verfahren sind nach Geschäftsbereichen der Ministerien und der Staatskanzlei zu gliedern sowie innerhalb der Geschäftsbereiche nach betroffenen Behörden sowie dem jeweils mit dem Verfahren befassten Gericht aufzuführen.)?

2. Wie lange ist die Dauer der im o. g. Zeitraum vor den Thüringer Verwaltungsgerichten und dem Thüringer Oberverwaltungsgericht anhängigen beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren (Es wird um Auflistung nach Verfahrensdauer [bis drei Monate, bis sechs Monate, bis neun Monate, bis zwölf Monate, bis 15 Monate, bis 18 Monate, bis 21 Monate, länger als 24 Monate], zuständigem Gericht [jeweils zuständiges Verwaltungsgericht oder Thüringer Oberverwaltungsgericht] sowie getrennte Aufführung von vorläufigen Rechtsschutzverfahren und Hauptsacheverfahren gebeten. Noch nicht abgeschlossene Verfahren sind besonders zu kennzeichnen.)?

3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass das Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) und Artikel 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auch ein Recht des Betroffenen auf angemessene Verfahrensdauer umfasst (so genannter rechtzeitiger Rechtsschutz)?

4. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verfahrensdauer zur Gewährleistung rechtzeitigen Rechtsschutzes in der Regel drei Monate nicht überschreiten sollte?

5. Wie lang ist die durchschnittliche Verfahrensdauer von beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren vor den Verwaltungsgerichten des ersten und zweiten Rechtszuges nach Kenntnis der Landesregierung in den anderen Ländern (bitte nach Bundesland, einstweiligen Rechtsschutzverfahren, Hauptsacheverfahren und Instanz auflisten)?

6. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Gewährleistung rechtzeitigen Rechtsschutzes einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen gegen das Land auslösen kann?

7. Was gedenkt die Landesregierung zu unternehmen, um das Gebot rechtzeitigen Rechtsschutzes in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren sicherzustellen?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. Oktober 2010 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die statistischen Daten über den Geschäftsanfall in der Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit werden auf der Grundlage der bundeseinheitlichen Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gewonnen. Die zur Beantwortung der Fragen zu 1. und 2. erforderlichen Daten werden nicht gesondert statistisch erhoben und ausgewertet.

Aus diesem Grund habe ich den Präsidenten des Thüringer Oberverwaltungsgerichts gebeten, die im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. August 2010 bei den Thüringer Verwaltungsgerichten und dem Thüringer Oberverwaltungsgericht anhängig gewordenen Konkurrentenstreitverfahren entsprechend der Fragen 1 und 2 händisch auswerten zu lassen. Diese Art der Auswertung ist mit einem nicht unerheblichen Aufwand für die Gerichte verbunden, da jede Akte einer vorher definierten Sachgebietsgruppe einzeln geprüft werden muss. Entsprechend der Fragestellung blieben die erledigten Verfahren, die vor dem 1. Januar 2009 anhängig geworden sind, außer Betracht. Die in der Fragestellung verwendete Begrifflichkeit beamtenrechtlich wurde dahin gehend ausgelegt, dass die Sachgebiete Recht der Landesbeamten und Recht der Richter umfasst sein sollen.

Zu 1.: Im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. August 2010 sind bei den Thüringer Verwaltungsgerichten 21 Hauptsacheverfahren und 62 Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren eingegangen. Beim Thüringer Oberverwaltungsgericht sind im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. August 2010 insgesamt 21 Verfahren im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren eingegangen. Hinsichtlich der genauen Aufschlüsselung der Verfahren verweise ich auf die Anlage 1.

Zu 2.: Zur Beantwortung der Frage wird auf die in der Anlage 1 enthaltene Übersicht verwiesen.

Zu 3.: Das in Artikel 19 Abs. 4 GG und Artikel 42 Abs. 5 Thüringer Verfassung geschützte Recht auf effektiven Rechtsschutz verlangt unbestritten und nach allgemeiner Auffassung auch den Rechtsschutz in angemessener Zeit.

Zu 4.: Eine Verfahrensdauer kann nicht pauschal beurteilt werden. Die Angemessenheit muss vielmehr hinsichtlich der Umstände des Einzelfalles betrachtet werden. Dabei sind u. a. der geltend gemachte Anspruch und die Art des Verfahrens beachtlich. Das bedeutet, dass in den Verfahren, in denen ein Rechtsverlust droht, bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Sache ebenso eingehend und umfassend zu prüfen ist wie in einem Hauptsacheverfahren. Damit bestimmt sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der ebenfalls durch Artikel 19 Abs. 4 GG geforderten Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle.

Für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren sind diese Grundsätze in besonderer Weise zu beachten, weil das Grundrecht aus Artikel 19 Abs. 4 GG und Artikel 42 Abs. 5 der Verfassung des Freistaats Thüringen der Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts aus Artikel 33 Abs. 2 GG dient. Artikel 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Wird der Grundsatz der Bestenauslese durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des jeweiligen Dienstherrn verletzt, folgt daraus zwar regelmäßig kein Anspruch auf Beförderung oder Vergabe des begehrten Dienstpostens, der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint. Im Einzelfall muss das jeweilige Verwaltungsgericht nicht selten aufwändige Prüfungen vornehmen. Hinzu kommt, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs einzuhalten ist. So muss jeder einzelne Schriftsatz eines Beteiligten den übrigen Beteiligten mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme zugestellt werden. Dies führt zwangsläufig zu einer längeren Verfahrensdauer, die maßgeblich auch von dem prozessualen Verhalten der Beteiligten beeinflusst wird. Eine generelle zeitliche Fixierung einer angemessenen Verfahrensdauer ist daher nicht möglich.

Zu 5.: Entsprechende Daten stehen der Landesregierung nicht zur Verfügung.

Zu 6.: Ein Schadensersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen die Gewährleistung rechtzeitigen Rechtsschutzes ist grundsätzlich denkbar.

Als mögliche Anspruchsgrundlage käme einerseits der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG in Betracht. Dieser Anspruch erfasst auch Fälle pflichtwidriger Verzögerung eines Rechtsstreits und gewährt insofern Schadensersatz, für den das Land haftet.

Andererseits besteht die Möglichkeit eines Haftungsanspruches auf der Grundlage des in Thüringen weiterhin geltenden Gesetzes zur Regelung der Staatshaftung in der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Mai 1969 (Staatshaftungsgesetz).

Mit dem Regierungsentwurf zum Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 12. August 2010, dem Bundesrat nunmehr zugeleitet, will der Bund eine originäre Anspruchsgrundlage für Entschädigungen wegen überlanger Verfahrensdauer einführen (Artikel 1, § 198 des Entwurfs). Das Land soll dann für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eingetreten sind, haften (Artikel 1, § 200 des Entwurfs).

Zu 7.: Auf die Verfahrensdauer kann durch die Landesregierung kein direkter Einfluss genommen werden, da die Verfahren der richterlichen Unabhängigkeit unterliegen.

Die Landesregierung wird auch weiterhin im Rahmen ihrer Möglichkeiten für bestmögliche Rahmenbedingungen sorgen. Es wird auch weiterhin ausreichend Personal zur Verfügung gestellt, um die vorhandenen Verfahren schnellstmöglich erledigen zu können.

Dr. Poppenhäger Minister Anlage Hinweis: