Die übertarifliche Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst ist als KannBestimmung

August 2010 hat folgenden Wortlaut:

Die Regelungen der übertariflichen Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst wurden bis 31. Dezember 2015 verlängert (vgl. Thüringer Staatsanzeiger Nr. 34/2010, S. 1 203). Diese übertarifliche Vergütung wird mit besonderen Eigenschaften bzw. Anforderungen an die Angestellten im Vorzimmerdienst begründet, die über die Tätigkeitsmerkmale der in Frage kommenden Entgeltgruppen hinausgehen. Hierzu zählten Organisationsgeschick, Kommunikationsfähigkeit und Verschwiegenheit sowie zusätzliche Belastungen wie Lage der Arbeitszeit und Anfall von Überstunden.

Die übertarifliche Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst ist als Kann-Bestimmung formuliert.

Die Regelungen der übertariflichen Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst gelten u. a. für die Büros der Ministerpräsidentin, der Minister, der Staatssekretäre, der sonstigen Stellen- und Funktionsinhaber ab Besoldungsgruppe B 8 und R 8, der Abteilungsleiter der obersten Landesbehörden, der Präsidenten, Gerichtspräsidenten, Leiter der nachgeordneten Bereiche ab Besoldungsgruppe B 3 bzw. R 3 und sonstiger Stellen- und Funktionsinhaber ab Besoldungsgruppe B 6 bzw. R 6.

Ich frage die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen wurde seit 2005 von der Möglichkeit der übertariflichen Vergütung von Angestellten im Vorzimmerdienst im Zuständigkeitsbereich der Landesregierung Gebrauch gemacht (bitte Einzelaufstellung nach Haushaltsjahren und Bereichen entsprechend der Aufzählung in Nummer 2 der Bekanntmachung vom 27. September 2005)?

2. In wie vielen Fällen wurde seit 2005 von der Möglichkeit der übertariflichen Vergütung von Angestellten im Vorzimmerdienst im Zuständigkeitsbereich der Landesregierung mit welcher Begründung kein Gebrauch gemacht (bitte Einzelaufstellung nach Haushaltsjahren und Bereichen entsprechend der Aufzählung in Nummer 2 der Bekanntmachung vom 27. September 2005)?

3. Welche zusätzliche finanzielle Belastung für den Landeshaushalt entstand durch die übertarifliche Vergütung von Angestellten im Vorzimmerdienst (bitte Einzelaufstellung nach Haushaltsjahren und Bereichen entsprechend der Aufzählung in Nummer 2 der Bekanntmachung vom 27. September 2005, für 2010 bitte die Planzahlen)?

4. Wie hoch ist der Differenzbetrag zwischen der tariflichen und übertariflichen Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst in den einzelnen Fallgruppen entsprechend der Aufzählung in Nummer 2 der Bekanntmachung vom 27. September 2005?

5. Inwieweit müssen Angestellte im Vorzimmerdienst im Vergleich zu den übrigen Angestellten im Landesdienst der in Frage kommenden Entgeltgruppen über ein höheres Organisationsgeschick verfügen, das eine übertarifliche Vergütung rechtfertigt?

6. Inwieweit müssen Angestellte im Vorzimmerdienst im Vergleich zu den übrigen Angestellten im Landesdienst der in Frage kommenden Entgeltgruppen über eine höhere Kommunikationsfähigkeit verfügen, die eine übertarifliche Vergütung rechtfertigt?

7. Inwieweit sind die Verschwiegenheitsregelungen für Angestellte im Vorzimmerdienst im Vergleich zu den übrigen Angestellten im Landesdienst der in Frage kommenden Entgeltgruppen abweichend, so dass sich daraus eine übertarifliche Vergütung begründet?

8. Welche abweichenden Regelungen zum Umgang mit Überstunden gelten für Angestellte im Vorzimmerdienst im Vergleich zu den übrigen Angestellten im Landesdienst der in Frage kommenden Entgeltgruppen, aus denen sich eine übertarifliche Vergütung begründet?

9. Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Landesregierung für den kommunalen Bereich eine vergleichbare Regelung zur übertariflichen Vergütung von Angestellten im Vorzimmerdienst? Wie wird begründet, dass es möglicherweise für den kommunalen Bereich keine vergleichbare Regelung für Angestellte im Vorzimmerdienst gibt?

Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Anzahl der Fälle (Arbeitnehmer), in denen seit dem Jahr 2005 von der Möglichkeit der übertariflichen Vergütung Gebrauch gemacht wurde, ergibt sich aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle. Beim Wechsel von Vorzimmerkräften im Laufe eines Jahres kann die Anzahl in der Tabelle gegebenenfalls mehrere Fälle in einem Vorzimmer beinhalten.

Zu 2.: Die Anzahl der Fälle, in denen seit dem Jahr 2005 von der Möglichkeit der übertariflichen Vergütung kein Gebrauch gemacht wurde, ergibt sich ebenfalls aus der als Anlage 1 beigefügten Tabelle. In einem Fall (Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit) wurde keine übertarifliche Vergütung gezahlt, weil die Tätigkeit im Rahmen einer Abordnung erfolgte, in einem weiteren Fall (Justizministerium) hat eine Beschäftigte ausdrücklich auf die Gewährung der übertariflichen Zulage verzichtet. Darüber hinaus wurde von der Regelung der übertariflichen Vergütung kein Gebrauch gemacht, wenn sich aufgrund der übertragenen Tätigkeiten eine Eingruppierung ergab, die mindestens der jeweiligen übertariflichen Vergütung entspricht oder in denen die Beschäftigten im Wege des Bewährungsaufstiegs die Vergütungsgruppe erreicht hatten, die der übertariflichen Vergütung entspricht.

Zu 3.: Bei der Beantwortung dieser Frage können in Verbindung mit der Beantwortung der Frage 1 Rückschlüsse auf konkreten Personen gezahlte übertarifliche Vergütungen gezogen werden, wenn es in einer bestimmten Fallgruppe nur eine Vorzimmerkraft gibt und diese eine übertarifliche Vergütung erhält (z. B. Vorzimmerkraft der Ministerpräsidentin, Vorzimmerkräfte der Minister oder Staatssekretäre in bestimmten Ressorts).

Im Hinblick auf die Veröffentlichung der Antwort der Kleinen Anfrage bestehen hiergegen aus datenschutzrechtlicher Sicht Bedenken (vgl. Artikel 67 Abs. 3 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen). Die Angaben (Anlage 2) können jedoch im Rahmen einer vertraulichen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vorgelegt werden.

Die Anlage 2 enthält die zusätzliche Belastung des Landeshaushalts durch die übertarifliche Vergütung.

Für das Jahr 2010 sind die bisher abgerechneten Zeiträume berücksichtigt (bis einschließlich August) und für die verbleibende Zeit wurde eine Hochrechnung unter Berücksichtigung des letzten abgerechneten Monats vorgenommen.

Zu 4.: Der durchschnittliche monatliche Differenzbetrag in den einzelnen Fallgruppen der Nr. 2 der Regelung der übertariflichen Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst im Abrechnungsmonat August 2010 stellt sich wie folgt dar: Fallgruppe B 323,50 Euro Fallgruppe C 304,45 Euro Fallgruppe D 177,92 Euro Bezüglich der Angaben zur Fallgruppe A in Nr. 2 der übertariflichen Regelung vom 27. September 2005 verweise ich auf die Antwort zu Frage 3. Auch diese Angabe kann im Rahmen einer vertraulichen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vorgelegt werden.

Vorbemerkung zu den Fragen 5 bis 8:

Nach der Neuregelung der übertariflichen Vergütung der Angestellten im Vorzimmerdienst vom 27. September 2005 kann den Vorzimmerkräften genau festgelegter Stellen- und Funktionsinhaber eine übertarifliche Vergütung gewährt werden, um den dort gestellten besonderen Anforderungen und Belastungen Rechnung zu tragen. Die Tätigkeitsmerkmale der für Vorzimmertätigkeiten grundsätzlich in Frage kommenden Vergütungsgruppen berücksichtigen diese besonderen Anforderungen und Belastungen nicht. Die aufgeführten Anforderungen bzw. Eigenschaften wie Organisationsgeschick, Kommunikationsfähigkeit, Verschwiegenheit sowie die Belastungen wie Lage der Arbeitszeit und Anfall von Überstunden begründen nicht jeweils für sich betrachtet eine übertarifliche Vergütung. In der Summe all dieser genannten Faktoren wird die übertarifliche Vergütung der Beschäftigten im Vorzimmerdienst jedoch als gerechtfertigt erachtet.

Zu 5.: Aufgabe der Vorzimmerkräfte ist es, das Vorzimmer des jeweiligen Vorgesetzten souverän zu managen, Anfragen zu bearbeiten, Termine abzustimmen und ein kompetenter Ansprechpartner in allen organisatorischen Fragen zu sein. Dabei benötigen sie mehr als an anderen Stellen die Fähigkeit, selbständig zu agieren, sich flexibel auf neue Situationen einzustellen und auch in Stressphasen und Zeiten außerordentlichen Arbeitsanfalls stets den Überblick zu behalten und gelassen zu reagieren. Die Kenntnis des gesamten Zuständigkeitsbereichs des jeweiligen Vorgesetzten und ein Überblick über alle anstehenden Themen und Prioritäten sind selbstverständlich und stellen insbesondere aufgrund der großen Vielfalt der zu berücksichtigenden und zu koordinierenden Fragestellungen höhere Anforderungen als an andere vergleichbare Beschäftigte.

Zu 6.: Ein zuvorkommendes, verbindliches und sicheres Auftreten - sowohl persönlich als auch bei telefonischen Kontakten - sowie die Fähigkeit, in allen Situationen und gegenüber jedem Gesprächspartner angemessen zu reagieren und mit diesem zu kommunizieren, dabei Einfühlungsvermögen zu entwickeln, aber die Interessen, Vorstellungen, Termine u.ä. des jeweiligen Vorgesetzten stets im Blick zu haben, wird von einer Vorzimmerkraft erwartet. Derartige Fähigkeiten werden von anderen, im Übrigen vergleichbaren Beschäftigten nicht bzw. nicht in diesem Ausmaß gefordert.

Zu 7.: Den Vorzimmerkräften werden im Rahmen ihrer Tätigkeit vielfältigste Informationen, persönliche Angelegenheiten von Beschäftigten und Interna bekannt, die sonstigen vergleichbaren Beschäftigten nicht in diesem Umfang und dieser Intensität zur Kenntnis gelangen. Das Vertrauen in die absolute Verschwiegenheit und Loyalität der Vorzimmerkräfte ist daher zwingend erforderlich. Gesonderte verschriftlichte Regelungen zur Verschwiegenheit der Vorzimmerkräfte über die allgemeinen Verschwiegenheitsregelungen im öffentlichen Dienst hinaus gibt es jedoch nicht.

Zu 8.: Die Vorzimmerkräfte sind in Bezug auf die Lage der Arbeitszeit und den möglichen Anfall von zusätzlich zu leistender Arbeit (gegebenenfalls Überstunden) höheren Belastungen als sonstige vergleichbare Beschäftigte ausgesetzt. In einigen Fällen existieren in den Vorzimmern versetzte Dienste bzw. Schichtmodelle, die eine Besetzung des Vorzimmers über acht Stunden täglich sicherstellen, ohne dass die konkreten Voraussetzungen für eine Schichtarbeit im tariflichen Sinne (§ 7 Abs. 2 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder) erfüllt sind.