Wochenendhausgebiete

Zahlreiche in Thüringen vorhandene Wochenendhausgebiete entstanden nicht auf der Grundlage eines qualifizierten Bebauungsplanes. Es gibt beträchtliche Unklarheiten dahingehend, ob diese Wochenendhausgebiete als im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch einzuordnen oder dem Außenbereich zumeist als Splittersiedlung nach § 35 zuzuordnen sind. Die Einordnung dieser Gebiete ist von großer Bedeutung für die Genehmigungsfähigkeit baulicher Veränderungen bzw. Erweiterungen an vorhandenen Bauten. In der Rechtsprechung wird die Auffassung z. B. der Landesregierung Brandenburg bestätigt, dass im Einzelfall bei Erfüllung bestimmter Kriterien eine Ansammlung von Wochenendhäusern ein faktisches Wochenendhausgebiet darstellt und damit auch einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 bilden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Oktober 2006-7A 4947/05; OVG Thüringen, Urteil vom 28. Mai 2003-1KO 42110). Durch die Feststellung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles wechselt die Rechtsgrundlage für die baurechtliche Bewertung von § 35 zu § 34 Abs. 2 In zahlreichen Bauordnungsbehörden bestehen Vorbehalte gegen die Feststellung von faktischen Wochenendhausgebieten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche generelle Auffassung vertritt die Landesregierung hinsichtlich der Frage, ob Wochenendhausgebiete als im Zusammenhang bebaute Ortsteile eingestuft werden können?

2. Welche Kriterien müssen nach Auffassung der Landesregierung erfüllt sein, um Wochenendhausgebiete als faktische Wochenendhausgebiete einzuordnen (Kriterien bitte einzeln benennen)?

3. Wie bewertet die Landesregierung die gegenwärtige Praxis in den Bauordnungsbehörden hinsichtlich der Einordnung von Wochenendhausgebieten als faktische Wochenendhausgebiete? Welche Bauordnungsbehörden haben bisher welche Wochenendhausgebiete als faktische Wochenendhausgebiete ausgewiesen (bitte Einzelaufstellung)?

4. Wie ist die Verfahrensweise zur Einstufung von Wochenendhausgebieten als faktische Wochenendhausgebiete geregelt?

5. Welche baurechtlichen Vorteile ergeben sich für die Eigentümer von Wochenendhäusern in faktischen Wochenendhausgebieten hinsichtlich der Erweiterung und Veränderung bis zu Ersatzbauten an Wochenendhäusern?

6. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung mit Blick auf die laufende Rechtsprechung gegenüber den Bauordnungsbehörden, um Vorbehalten und Widerständen gegen die Feststellung von faktischen Wochenendhausgebieten entgegenwirken zu können? Wie begründet die Landesregierung ihre Einschätzung?

Das Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Landesregierung teilt die Auffassung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts im Urteil vom 28. Mai 2003 (Az.: 1 KO 42/00, 2004, 43), dass eine Ansammlung von Wochenendhäusern ein faktisches Wochenendhausgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Baunutzungsverordnung darstellen und damit auch einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 bilden kann.

Zu 2.: Das hat ausgeführt, dass ein Ortsteil

- ein Bebauungskomplex

- im Gebiet einer Gemeinde ist, der

- nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und

- Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.

Ein faktisches Baugebiet liegt nach § 34 Abs. 2 vor, wenn die

- Eigenart der näheren Umgebung

- nach der Art der Nutzung

- einem Baugebiet nach der Baunutzungsverordnung entspricht.

Nach Kenntnis der Landesregierung entscheiden die Bauaufsichtsbehörden entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben. Bauaufsichtsbehörden haben keine faktischen Wochenendhausgebiete ausgewiesen, da faktische Baugebiete nicht ausgewiesen werden können.

Zu 4.: Nach § 63 b wird in dem regelmäßig in Betracht kommenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahren u. a. die Übereinstimmung eines Bauvorhabens mit den Bestimmungen über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 geprüft. Zu diesen Bestimmungen gehört auch § 34 Abs. 2 über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens in einem faktischen Baugebiet.

Die Bauaufsichtsbehörden haben im Einzelfall zu entscheiden, ob ein konkretes Bauvorhaben nach § 34 oder § 35 zu beurteilen ist.

Zu 5.: Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, das sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Im Außenbereich sind Bauvorhaben unzulässig, die öffentliche Belange beeinträchtigen. Bei Wochenendhäusern im Außenbereich kann insbesondere nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung zu befürchten sein.

Zu 6.: Die Landesregierung sieht keinen Handlungsbedarf, da die erwähnte Entscheidung des allen Bauaufsichtsbehörden bekannt ist.