Wie definiert die Landesregierung den Kernbereich staatlichen Handelns und welche Entscheidungsmaterien fallen in diesen

Mai 2010 beantwortete das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie (TMWAT) unsere Kleine Anfrage 478 Neue Publikationen des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie. Das TMWAT gab unter anderem an, dass die Entscheidungsfindung über das Corporate Design der Broschüre und des Internetportals www.wir-thueringen.de zum Kernbereich staatlichen Handelns und zur exekutiven Eigenverantwortung [gehört] und als solche der parlamentarischen Antwortpflicht der Landesregierung nicht unterliegt. Hierzu hat sich weiterer Fragebedarf ergeben.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie definiert die Landesregierung den Kernbereich staatlichen Handelns und welche Entscheidungsmaterien fallen in diesen Bereich?

2. Wie definiert die Landesregierung den Bereich exekutive[r] Eigenverantwortung und welche Entscheidungsmaterien fallen in diesen Bereich?

3. An welchen Kriterien macht die Landesregierung fest, welches Regierungshandeln dem Kernbereich staatlichen Handelns... zur exekutiven Eigenverantwortung zugehört und demzufolge der parlamentarischen Antwort- und Auskunftspflicht unterliegt oder nicht?

4. Wie begründet die Landesregierung konkret die Einordnung der Entscheidung über das Corporate Design der Publikation und des Internetportals als zugehörig zum Kernbereich staatlichen Handelns und zum Bereich exekutive[r] Eigenverantwortung?

5. Folgt nach Auffassung der Landesregierung aus Regierungshandeln, welches dem Kernbereich staatlichen Handelns und zur exekutiven Eigenverantwortung zugehört, zwangsläufig, dass dieses nicht der Informationspflicht gegenüber dem Parlament unterliegt? Wie begründet die Landesregierung diese Einschätzung?

6. In welchem Umfang sieht die Landesregierung vor diesem Hintergrund die Gebote der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit des Regierungshandelns als erfüllt an?

7. Entspricht es der Wahrheit, dass mit der Gestaltung der Broschüre eine per Rahmenvertrag bereits in Kontakt mit dem TMWAT stehende Agentur beauftragt wurde?

8. Wurden im Vorfeld der Auftragsvergabe Überlegungen angestellt, für diesen zu vergebenden Auftrag eine gesonderte Ausschreibung durchzuführen? Falls ja, aus welchen Gründen verzichtete die Landesregierung auf eine gesonderte Ausschreibung?

9. Auf welche Höhe belaufen sich bis zum jetzigen Zeitpunkt die Kosten für diesen Auftrag? Sind weitere Kosten zu erwarten? Falls ja, in welcher Höhe?

10.Auf welche Höhe beziffert die Landesregierung die Kostenersparnis für das Land, die infolge einer gesonderten Ausschreibung und Auftragsvergabe hätte realisiert werden können?

11.Wie begründet das TMWAT seine Einschätzung, dass das hergebrachte visualisierte Erscheinungsbild der Landesregierung... nicht den Anforderungen an ein modernes, ansprechendes Corporate Design [entspricht]? 12.Welche Kriterien muss nach Auffassung die Landesregierung ein modernes, ansprechendes Corporate Design erfüllen? Welche Zielgruppen soll es ansprechen?

13.Plant die Landesregierung eine generelle Überarbeitung ihres Corporate Designs? Falls ja, bis zu welchem Zeitpunkt soll diese Überarbeitung abgeschlossen sein, unter welcher Zielsetzung wird diese Überarbeitung durchgeführt und welches Ressort zeichnet federführend für die Überarbeitung des Corporate Designs verantwortlich?

14.Sofern die Landesregierung keine Überarbeitung ihres Corporate Designs plant, wie ist ein Alleingang eines Ressorts mit den Grundsätzen des Corporate Designs der Landesregierung vereinbar und wie begründen die anderen Ressorts ihr Festhalten an dem nach Auffassung des TMWAT nicht den Anforderungen an ein modernes, ansprechendes Corporate Design entsprechenden visualisierte[n] Erscheinungsbild?

Der Thüringer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. November 2010 wie folgt beantwortet:

Zu 1. bis 5.:

Die Landesregierung bezog sich in ihrer Antwort zu Frage 1 der Kleinen Anfrage 478 auf die ständige Verfassungsrechtsprechung. Danach ist anerkannt, dass es einen Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung gibt, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt 67, S. 139). Dazu gehört die Willensbildung innerhalb der Regierung sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Ressort- und Kabinettentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und internen Abstimmungsprozessen vollziehen (Urteil des vom 19. Dezember 2008; vgl. auch Linck in: Linck/Jutzi/Hopfe. Die Verfassung des Freistaats Thüringen 1994, Art. 48 Rn. 42 f.; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Für die Entscheidung der Landesregierung im konkreten Fall war maßgeblich, dass sich die Frage auf den Willensbildungsprozess innerhalb der Landesregierung bezog.

Nach Artikel 67 Abs. 3 Nr. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen kann die Landesregierung in diesen Fällen die Antwort verweigern; sie kann im Einzelfall sogar dazu verpflichtet sein (vgl. Linck in: Linck/Jutzi/ Hopfe. Die Verfassung des Freistaats Thüringen 1994, Art. 48 Rn. 43 und Art. 67 Rn. 18).

Zu 6.: In dem geschilderten verfassungsrechtlichen Rahmen sind Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Regierungshandelns in vollem Umfang gegeben.

Zu 7.: ja

Zu 8.: Als Veröffentlichung des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Technologie erfüllt der Newsletter WIR in Thüringen auch die Publizitätsverpflichtung für den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Es lag daher nahe, auf eine für diesen Zweck bereits gebundene Agentur zurückzugreifen.

Zu 9.: Die Kosten belaufen sich auf 95 668 Euro, wobei zu berücksichtigen ist, dass in dieser Summe auch die Anlaufkosten für die Konzeption Erstlayout, Programmierung der microsite etc. enthalten sind. Zukünftig wird von ca. 13 710 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer je Ausgabe ausgegangen.

Zu 10.: Die Landesregierung geht nicht von einer möglichen Kostenersparnis aus.

Zu 11.: Die Thüringer Staatskanzlei beabsichtigt eine Überarbeitung des Erscheinungsbildes für die Landesregierung aus den genannten Gründen.

Zu 12.: Das Corporate Design stellt eine Art visuelle Leitlinie dar, durch die ein einheitliches Auftreten gewährleistet werden soll. Die Funktion von bewusst gesteuertem und angewandtem Corporate Design dient primär dem Vertrauensgewinn der Bürger und einer klaren Identifikation - auch bei den eigenen Mitarbeitern. Im Endeffekt soll ein zukünftig stringent umgesetztes Corporate Design zu einem klaren Thüringer Länderprofil beitragen. Dafür ist vor allem der Wiedererkennungseffekt wichtig. Der Wiedererkennungseffekt wird hauptsächlich durch ein stringentes Corporate Design wie Logo, Farbwelt, Schriftzüge usw. gewahrt. Stringent bedeutet, dass die visuelle Leitlinie alle Bereiche des öffentlichen Lebens durchdringt.

Zu 13.: Ja, eine Überarbeitung ist für das Jahr 2011 geplant. Die Federführung liegt bei der Staatskanzlei. Zugleich ist geplant, das neue Corporate Design in einem Kabinettbeschluss festzulegen. Die Kriterien sind in der Antwort zu Frage 12 umrissen.

Zu 14.: Entfällt; vgl. die Antwort zu Frage 13.

Dr. Schöning Minister.