Politische Kenntnisse nach Alter Bildung Geschlecht und politischem Interesse in

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Grundlegende Bedeutung kommt im Bereich der Einstellungen zur Politik dem politischen Interesse und den politischen Kenntnissen zu. Üblicherweise werden beide Aspekte über die Selbsteinschätzung gemessen und dann anhand geeigneter Kriterien (wie Regelmäßigkeit und Gegenstände der Zeitungslektüre für politisches Interesse oder Wissensfragen für politische Kenntnisse) überprüft. Da im Rahmen des Thüringen-Monitors 2001 eine derart differenzierte Erhebung nicht möglich war, wurde das Interesse allein über die Selbsteinschätzung erfragt und wurden die politischen Kenntnisse anhand einer Wissensfrage ermittelt.

Abb. Der Anteil der an politischen Vorgängen Interessierten liegt damit etwas höher als die Werte für Kultur in Thüringen 2001: Jugend und Politik 48 deutschland insgesamt bei Erhebungen in den Jahren 1997 und 1998. Wie in früheren Untersuchungen bestätigt sich auch für Thüringen der starke Einfluss von Alter, Geschlecht und Bildung. So steigt das Interesse an politischen Fragen mit dem Alter und mit dem formalen Bildungsniveau linear an. Männer messen politischen Fragen offenkundig eine größere Bedeutung bei als Frauen, denn nur jeder fünfte männliche Befragte gegenüber jeder dritten Frau bezeichnet sein politisches Interesse als gering.

Diese Unterschiede finden sich auch bei den politischen Kenntnissen. Während 56 Prozent aller Befragten in der Lage waren, ohne Antwortvorgaben den Namen des thüringischen Ministerpräsidenten zu nennen ­ 40 Prozent wussten die Antwort nicht, weitere 4 Prozent gaben einen falschen Namen an ­, nannte nicht einmal jede zweite Frau den Namen Bernhard Vogel (Männer: 63 Prozent). Von den Hochschulabsolventen und in der ältesten Untergruppe der 25-29-Jährigen gaben etwa drei Viertel eine korrekte Antwort. Bei den Befragten mit maximal der 10. Klasse als höchstem Bildungsabschluss gelang dies nicht einmal jedem Zweiten und unter den 16-19-Jährigen lediglich 40 Prozent. Die Unterschiede nach Alter und Bildung dürften auf die stärkere Einbindung in das öffentliche Leben und die steigende Relevanz der Politik für die eigene Lebenswelt zurückgehen.

Die berichteten Zusammenhänge deuten bereits an, dass das subjektiv bekundete Interesse an Politik und das politische Wissen stark positiv korrelieren. So ist der Name des Ministerpräsidenten nur einer kleinen Minderheit der stark Interessierten nicht geläufig, aber 60 Prozent der Desinteressierten wissen ihn nicht zu nennen. Interesse und Kenntnisse stehen jedoch nicht nur untereinander in einem engen Zusammenhang. Es ist vielmehr anzunehmen, dass zumal die politische Partizipationsbereitschaft der Jugendlichen davon erheblich beeinflusst wird und zumindest einzelne politische Einstellungen dadurch mitbestimmt werden.

Einstellungen zur Demokratie: Unzufriedene Demokraten?

Die mutmaßlich wichtigste auf Befragungen gestützte Analyse zu Jugend und Politik in Deutschland während der letzten Jahre (Gille/Krüger 2000) charakterisiert die 16-29-Jährigen bereits im Titel als unzufriedene Demokraten. Ist diese Unzufriedenheit bei gleichzeitigem Festhalten an demokratischen Grundüberzeugungen auch für die entsprechende Altersgruppe in Thüringen prägend? Und inwiefern unterscheiden sich die Einstellungen der Jugendlichen zur Demokratie von denen der über 30-Jährigen? Um diese Fragen beantworten zu können, sind für die Heranwachsenden im Freistaat analog zur Erwachsenenpopulation die abstrakte und die konkrete Demokratieunterstützung gemessen worden.

Die demokratische Praxis in der Bundesrepublik wird von den jungen Thüringern ähnlich bewertet wie von den Älteren. Auf einer Skala von 1 (minimale Demokratiezufriedenheit) bis 4 (maximale Demokratiezufriedenheit) erreichen sie mit einem Mittelwert von 2,35 fast genau die rechnerische Mitte (Erwachsene: 2,40). Die Demokratie als Staatsidee erfährt erwartungsgemäß eine deutlich positivere Wertung als die demokratische Praxis; die Jugendlichen erreichen hier einen Mittelwert von 2,92. Allerdings beurteilen sie die Demokratie im Vergleich zu anderen Staatsideen deutlich kritischer als die erwachsene Bevölkerung, deren Mittelwert bei 3,06 liegt. Der Vergleich ausgewählter Prozentwerte mag die durchaus beträchtlichen Unterschiede zwischen beiden Altersgruppen veranschaulichen: Fast jeder vierte Jüngere im Vergleich zu 16 Prozent der Befragten über 30 Jahre hält die Demokratie nicht für die beste Staatsform. Umgekehrt sind nur 18 Prozent der Jugendlichen voll und ganz von der Überlegenheit des demokratischen Modells überzeugt, hingegen 26 Prozent der Erwachsenen.

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Bildet man, wie bereits für die Gesamtbevölkerung (vgl. Kap. II.1.3), durch Kombination der beiden Fragen drei Gruppen ­ zufriedene Demokraten, unzufriedene Demokraten und Nichtdemokraten ­, ergeben sich klare Differenzen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen.

Abb. Hingegen ist der Anteil der Nicht-Demokraten unter den Jüngeren um mehr als ein Drittel (das entspricht sechs Prozentpunkten) höher als unter den Erwachsenen und der Anteil der zufriedenen Demokraten entsprechend geringer.

Dennoch stellen die zufriedenen Demokraten auch unter den Jugendlichen noch eine knappe relative Mehrheit.

Die Unterschiede zwischen Jugendlichen und Erwachsenen im Freistaat relativieren sich etwas, wenn eine weitere Frage aus dem Thüringen-Monitor 2001 einbezogen wird, die im Kontext der Messung rechtsextremer Einstellungen gestellt worden ist. Der Aussage. Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform. stimmen nämlich mehr Erwachsene (knapp 19 Prozent) als Jugendliche (gut 14 Prozent) zu.

Dabei überrascht allerdings weniger die im Vergleich zur Ablehnung der Demokratie als Staatsidee geringe Zustimmungsquote der Heranwachsenden als vielmehr die beträchtliche Befürwortung durch die Erwachsenen. Die Diktatur-Frage findet die Unterstützung auch einer nennenswerten Anzahl derjenigen Befragten über 30 Jahre, die die Demokratie für die beste Staatsidee halten. Der statistisch geringe Zusammenhang zwischen den beiden Fragen belegt, dass das Bekenntnis zur Idee der Demokratie allein noch nicht Ausdruck einer demokratischen Gesinnung sein muss. Bei den Jugendlichen gibt es zwar einen engeren Zusammenhang 12 Dieser Befund widerspricht entgegen dem Augenschein nicht notwendig der oben zitierten Kernaussage des Forschungsteams vom Deutschen Jugendinstitut von den unzufriedenen Demokraten. Zum einen hat der Jugendsurvey von 1997 teils andere bzw. zusätzliche Items verwendet, zum anderen ist die Gruppierung der Befragten nach anderen Kriterien erfolgt.