Suizidpräventionskonzept

Am 18. Januar 2011 hat Justizstaatssekretär Herz in einer Pressekonferenz das neue Suizidpräventionskonzept für die Thüringer Justizvollzugsanstalten (JVA) vorgestellt, das von einer Arbeitsgruppe erarbeitet wurde unter Berücksichtigung von Diskussionen im zuständigen Landtagsausschuss für Justiz, Bundesund Europaangelegenheiten - dort fand auch eine Anhörung mit Fachleuten aus Thüringen und anderen Bundesländern statt. In der o. g. Pressekonferenz wurde offensichtlich mitgeteilt, dass einige inhaltliche Gestaltungs- als auch logistische Umsetzungsfragen noch nicht endgültig geklärt seien.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche offenen inhaltlichen und logistischen Fragen gibt es noch im Zusammenhang mit dem Suizidpräventionskonzept für die Thüringer Justizvollzugsanstalten, insbesondere hinsichtlich der Gestaltung der Abläufe in der zentralen Einweisungs- und Aufnahmeabteilung? Wie und in welchem Zeitraum sollen diese offenen Fragen geklärt werden?

2. Wann soll mit der Umsetzung des Suizidpräventionskonzepts begonnen werden und für welchen Zeitpunkt ist der Abschluss der Erstumsetzung avisiert?

3. Wie werden die Bediensteten in den einzelnen Justizvollzugsanstalten in die (weitere) Umsetzung des Konzepts eingebunden (z. B. durch verstärkte Weiterbildung)? Welche Fachleute, Organisationen und Einrichtungen sollen für die praktische Umsetzung hinzugezogen werden?

4. Welche baulichen und personellen Umstrukturierungen müssen in den einzelnen Anstalten, insbesondere in der JVA Tonna, vorgenommen werden und in welchem Zeitraum sollen diese gegebenenfalls erfolgen? Inwiefern sollen Neueinstellungen (eingeschlossen die Verpflichtung von Vertragsärzten) vorgenommen werden (bitte soweit möglich nach Justizvollzugsanstalten aufschlüsseln)?

5. In welcher Form soll zukünftig die entsprechende Aus- und Weiterbildung im Bereich Suizidprävention konkret erfolgen; soll es dazu auch Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern, z. B. Niedersachsen, geben?

6. Mit welchen personellen und finanziellen Mitteln soll der neue Kriminologische Dienst (KD) ausgestattet werden? Über welchen Zeitraum soll sich der Aufbau der Einrichtung erstrecken?

7. In welcher Form soll der Kriminologische Dienst die Umsetzung des Suizidpräventionskonzepts begleiten und/oder evaluieren (z. B. turnusgemäße Untersuchungen/Berichte)? Welche weitere kriminologische Forschung soll der KD übernehmen (z. B. Evaluierung Strafvollzugsgesetze, Weiterbildung, Erforschung von Subkulturen in Justizvollzugsanstalten, Rückfallprävention)?

8. Wie hoch veranschlagt die Landesregierung die Kosten für die Erarbeitung und Erstumsetzung des Suizidpräventionskonzepts und die jährlichen Kosten der Durchführung?

9. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Suizidprävention wurden in welchen Thüringer Justizvollzugsanstalten schon unabhängig vom neuen Suizidpräventionskonzept durchgeführt?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 8. März 2011 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Das Konzept zur Suizidprophylaxe ist als offenes Konzept zu verstehen: Es gibt nur einen Rahmen vor und ist darauf angelegt, fortentwickelt zu werden.

Zur Umsetzung des Konzepts und zur Lösung auftretender Fragen und Probleme wurden im Januar 2011 die folgenden Arbeitsgruppen gebildet:

- Arbeitsgruppe zu baulichen und organisatorischen Fragen,

- Arbeitsgruppe zur Anpassung des Vollstreckungsplans,

- Arbeitsgruppe zu personellen Fragen.

Die erforderlichen Abstimmungen zwischen den einzelnen Arbeitsgruppen erfolgen durch ihre Vorsitzenden im Rahmen einer Koordinierungsrunde.

In zeitlicher Hinsicht ist vorgesehen, dass die zentrale Einweisungs- und Aufnahmeabteilung im Laufe des zweiten Halbjahres 2011 eingerichtet werden soll. Insofern müssen bis dahin offene Fragen geklärt werden.

Zu 2.: Durch die Bildung der oben genannten Arbeitsgruppen im Januar 2011 wurde mit der Umsetzung des Konzepts begonnen.

Die Erstumsetzung wird mit der Einrichtung der zentralen Einweisungs- und Aufnahmeabteilung abgeschlossen.

Zu 3.: Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, ist das Konzept als offenes Konzept zu verstehen: Es gibt nur einen Rahmen vor und ist darauf angelegt, ständig fortentwickelt zu werden. Daher soll auch nach der Umsetzung wesentlicher Komponenten des Konzepts ein (fortwährender) Austausch mit dem Personal der Justizvollzugsanstalten stattfinden, um das Konzept veränderten Umständen anzupassen.

Im Übrigen sind in jeder der drei oben genannten Arbeitsgruppen Personalräte und Vollzugspraktiker vertreten. Dadurch soll Akzeptanz für das Konzept bei den Bediensteten geschaffen werden und es sollen das Fachwissen und die jahrelangen Erfahrungen dieser Personen im Strafvollzug in die Umsetzung einfließen.

Speziell im Bereich der Suizidprävention soll die inhaltliche und logistische Organisation der Fortbildung des Personals durch den Kriminologischen Dienst erfolgen. Darüber hinaus soll der Kriminologische Dienst das Konzept der zentralen Einweisungs- und Aufnahmeabteilung fortentwickeln und an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse anpassen.

Zu 4.: Da die zentrale Einweisungs- und Aufnahmeabteilung in einem Hafthaus in der JVATonna eingerichtet wird, sind bauliche Veränderungen erforderlich. Daneben sollen auch Änderungen der Raumausstattungen vorgenommen werden. Welche Maßnahmen in welchem zeitlichen Rahmen durchzuführen sind, bedarf jedoch einer detaillierten Planung, die in den oben genannten Arbeitsgruppen erfolgen soll. Insoweit können zum jetzigen Zeitpunkt nur die Maßnahmen benannt werden, die sich kurzfristig realisieren lassen.

Im Einzelnen sollen die folgenden Maßnahmen im zweiten Halbjahr 2011 realisiert werden:

- Veränderung der Farbgestaltung der Behandlungszimmer und Flure sowie der Gemeinschafts- und Hafträume,

- Ausstattung der Behandlungszimmer und Flure mit Grünecken und Aquarien,

- Ausstattung der Gemeinschaftsräume mit Kaffeemaschinen sowie Brett- und Kartenspielen etc.,

- Ausstattung der Hafträume mit Fernsehgeräten, Radios und Bücherregalen.

Die Frage, ob und inwieweit bauliche Maßnahmen in anderen Justizvollzugseinrichtungen erforderlich sind, wird in den Arbeitsgruppen diskutiert. Etwaige Umsetzungen erfolgen im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten.

Die personellen Fragen müssen im Detail ebenfalls in den oben genannten Arbeitsgruppen geklärt werden.

Nach den derzeitigen Planungen sollen der psychologische und der soziale Dienst zusätzlich durch einen Psychologen und zwei Sozialpädagogen verstärkt werden.

Weiterhin werden für die zentrale Einweisungs- und Aufnahmeabteilung in der JVA Tonna ca. 30 Bedienstete benötigt, die jedoch aus dem vorhandenen Bestand der JVA Tonna und der übrigen Justizvollzugsanstalten rekrutiert werden.

Nach den gegenwärtigen Betreuungsschlüsseln besteht in den übrigen Justizvollzugsanstalten kein Personalbedarf.

Zu 5.: Speziell im Bereich der Suizidprävention soll die inhaltliche und logistische Organisation der Fortbildung des Personals durch den Kriminologischen Dienst erfolgen.

Überdies werden im Fortbildungsprogramm 2011 der Justizvollzugsausbildungsstätte im Bildungszentrum Gotha im März und November Veranstaltungen angeboten, die das Thema Suizidprophylaxe zum Gegenstand haben.

Für darüber hinausgehende Fortbildungsveranstaltungen stehen aufgrund der angespannten Haushaltslage im Jahr 2011 noch keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Daher werden die Bemühungen für eine bessere finanzielle Ausstattung intensiviert, um im Jahr 2012 im gewünschten Umfang Fortbildungsmaßnahmen anbieten zu können.

Eine Zusammenarbeit mit anderen Bundesländern im Bereich der Fortbildung ist derzeit nicht geplant.

Zu 6.: Für die Einrichtung des Kriminologischen Dienstes werden zunächst ein Psychologe und ein Sozialarbeiter benötigt. Die jährlichen Kosten belaufen sich auf 51 100 Euro für den Psychologen und 32 500 Euro für den Sozialarbeiter.

Die Einstellungen sollen im zweiten Halbjahr 2011 erfolgen, so dass der Kriminologische Dienst noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen kann.

Zu 7.: Durch die Errichtung eines Kriminologischen Dienstes sollen wissenschaftlich fundierte, standardisierte und überprüfbare Diagnose- und Therapieinstrumente eingeführt, evaluiert und auch weiterentwickelt werden.

Dies gilt im besonderen Maße für die zentrale Einweisungs- und Aufnahmeabteilung, da in dieser im Rahmen der Behandlungsuntersuchung ein umfassendes Diagnoseverfahren durchgeführt werden soll, an dessen Ende ein Vollzugsplan erarbeitet wird.

Im Bereich der Suizidprävention soll der Kriminologische Dienst z. B. Studien erarbeiten und - wie bereits ausgeführt - die inhaltliche und logistische Organisation der Fortbildung des Personals zumindest in Teilbereichen übernehmen. Überdies wird der Kriminologische Dienst das Konzept der zentralen Einweisungsund Aufnahmeabteilung fortentwickeln. Dazu wird er z. B. anhand ausgewählter Fälle überprüfen, ob der bei den Gefangenen gewünschte Behandlungserfolg eingetreten ist.

Nach den derzeitigen Planungen soll der Kriminologische Dienst neben der Entwicklung von Diagnose- und Behandlungsinstrumenten sowie der Forschung im Bereich der Suizidprävention auch weitere Forschungsvorhaben begleiten, die zurzeit noch nicht konkret benannt werden können.

Zu 8.: Eine genaue Abschätzung der zu erwartenden Kosten ist derzeit noch nicht möglich. Im Rahmen der zur Umsetzung des Konzepts gebildeten Arbeitsgruppen soll auch eine Kostenanalyse erfolgen.

Hinsichtlich der Einrichtung der zentralen Einweisungs- und Aufnahmeabteilung ist bereits jetzt darauf hinzuweisen, dass ein Großteil der anfallenden Arbeiten in Form von Eigenleistungen durch Gefangene bzw. Eigenbetriebe erbracht werden kann. Dies umfasst z. B. die Anfertigung von Möbeln und die Durchführung der Maler- und Bauarbeiten sowie die Bereitstellung bzw. Fertigung von Ausstattungsgegenständen (z. B. Blumen und Aquarien).

Zu 9.: Die Anstaltsleitungen sind stets bemüht, ihre Mitarbeiter - soweit dies erforderlich ist - zu sensibilisieren, so dass diese frühzeitig Suizidgefahren bei Gefangenen erkennen und angemessen reagieren. Darüber hinaus finden die bereits erwähnten Schulungen statt.

Im Übrigen kommt im Justizvollzug des Freistaats Thüringen bereits eine Reihe anerkannter und in der Praxis hinreichend erprobter Instrumente der Suizidprophylaxe zur Anwendung, die im Konzept des Thüringer Justizministeriums näher beschrieben werden.