Schwerbehindertenvertretung

Gemäß § 83 Abs. 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) treffen Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 93 SGB IX genannten Vertretungen eine verbindliche Integrationsvereinbarung. § 84 Abs. 2 SGB IX sieht die Einrichtung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements vor. Das Innenministerium hat in einer Rahmenintegrationsvereinbarung vom 20. Februar 2009 zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen am beruflichen und gesellschaftlichen Leben mit den Hauptpersonalräten und -schwerbehindertenvertretungen ein diesen gesetzlichen Regelungen entsprechendes Verfahren unter Einbeziehung des betrieblichen Eingliederungsmanagements festgelegt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Sind in allen Landesbehörden entsprechende Vereinbarungen mit den Schwerbehinderten- und Personalvertretungen geschlossen worden?

2. Wenn nein, in welchen Behörden wurde bisher keine Dienstvereinbarung abgeschlossen?

3. Wann ist in den jeweiligen Behörden mit dem Abschluss einer entsprechenden Dienstvereinbarung zu rechnen?

4. Wie wird bis zum Abschluss der gesetzlich vorgesehenen Dienstvereinbarung in den Behörden zu Frage 2 den gesetzlichen Erfordernissen der §§ 83 und 84 SGB IX Rechnung getragen?

Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 22. März 2011 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

In der gemäß § 83 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - zu treffenden verbindlichen Integrationsvereinbarung können auch Regelungen zur Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement - BEM) und zur Gesundheitsförderung (Abs. 2a Nr. 5) getroffen werden. Insofern ist weder die Aufnahme von Regelungen zum BEM in der Integrationsvereinbarung zwingend vorgeschrieben noch sieht § 84 SGB IX den Abschluss von Vereinbarungen zur Durchführung der Prävention vor. Die Durchführung des BEM ist in § 84 Abs. 2 SGB IX hinlänglich geregelt und gilt unmittelbar für alle Arbeitgeber.

Die Ministerien haben wie folgt geantwortet, wobei zu den Fragen teilweise im Kontext Stellung genommen wurde: Innenministerium

Die zwischen Innenministerium, Hauptschwerbehindertenvertretung und Hauptpersonalrat am 20. Februar 2009 abgeschlossene Rahmenintegrationsvereinbarung enthält unter Punkt 4.2 Regelungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Staatskanzlei

In der Staatskanzlei wird das Eingliederungsmanagement ständig gemäß § 84 SGB IX praktiziert.

Die Integrationsvereinbarung zur Eingliederung behinderter Menschen nach § 83 SGB IX sieht unter Punkt 9 - Prävention - die Durchführung eines BEM vor.

Justizministerium:

Die Vereinbarung zur Eingliederung schwerbehinderter Menschen im Geschäftsbereich des Thüringer Justizministeriums vom 3. Mai 2005, fortgeschrieben am 2. Mai 2007, trifft unter Punkt 10 Aussagen zur Prävention in Anlehnung an die Regelungen zum BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Sie gilt in allen Dienststellen unmittelbar.

Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur

Die Rahmenintegrationsvereinbarung gemäß § 83 SGB IX über die Beschäftigung schwerbehinderter und diesen gleichgestellten behinderten Menschen im Bereich des Thüringer Kultusministeriums vom 28. August 2008 gilt für den gesamten Geschäftsbereich. Auf ihrer Grundlage können ergänzende Vereinbarungen getroffen werden. Hiervon haben vier staatliche Schulämter und zwei Hochschulen Gebrauch gemacht; an drei staatlichen Schulämtern und dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien sind solche Dienstvereinbarungen in Vorbereitung.

Die übrigen staatlichen Schulämter und Hochschulen wenden die Rahmendienstvereinbarung an.

Im Bereich Kultureinrichtungen gilt für das Thüringische Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, die Thüringer Staatsarchive und deren Gemeinsame Verwaltung eine eigene Dienstvereinbarung.

Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr

Für den Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Verkehr (TMBLV) besteht eine Rahmenintegrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX, die durch TMBLV, Hauptschwerbehindertenvertretung und Hauptpersonalrat abgeschlossen worden ist und in allen Dienststellen im Geschäftsbereich gilt. Regelungen zum BEM sind darin nicht enthalten.

Dienstvereinbarungen zum BEM bestehen im Landesamt für Bau und Verkehr und den Straßenbauämtern Nordthüringen und Südwestthüringen. In den Straßenbauämtern Mittelthüringen und Ostthüringen befinden sich Dienstvereinbarungen in Arbeit und sollen in den nächsten drei Monaten abgeschlossen werden. Bis zu deren Abschluss wird das BEM nach den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt.

Im TMBLV und dem Landesamt für Vermessung und Geoinformation ist von Dienstvereinbarungen zum BEM nicht vorgesehen. Das BEM wird nach den Regelungen des § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt.

Ministerium für Landwirtschaft, Forst, Umwelt und Naturschutz

Zu 1. bis 3.:

Es bestehen zwei Vereinbarungen:

- die Rahmendienstvereinbarung zur Eingliederung und gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am beruflichen und gesellschaftlichen Leben für den Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt (ohne Forstverwaltung) vom 1. April 2003 und

- die Dienstvereinbarung über die Weiterbeschäftigung von Waldarbeiter/innen nach Feststellung einer Behinderung oder dauernder gesundheitlicher Bedenken vom 17. Juli 2000, geändert am 22. Januar 2004.

Eine neue Rahmendienstvereinbarung zur Eingliederung und gleichberechtigten Teilhabe behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen am beruflichen und gesellschaftlichen Leben und zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (§ 84 Abs. 2 SGB IX) für den Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz steht unmittelbar vor ihrer abschließenden Unterzeichnung. Der Forstbereich ist vom Geltungsbereich der neuen Rahmendienstvereinbarung ausgenommen. Eine Anpassung der für den Forstbereich bestehenden Dienstvereinbarung an die Vorgaben des SGB IX soll nach Gründung einer Anstalt öffentlichen Rechts Forst erfolgen.

Zu 4.: Derzeit wird bei länger als sechs Wochen dauernder Erkrankung von Bediensteten im Jahr im Rahmen der gesetzlichen, tariflichen und beamtenrechtlichen Regelungen im Einzelfall ein BEM durchgeführt.

Die neue Dienstvereinbarung wird den Rahmen für einheitliche Regelungen zur Wiedereingliederung Langzeiterkrankter setzen.

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie

Zu 1.: Für die Dienststelle Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie wurde eine Integrationsvereinbarung mit aktuellem Stand am 6. August 2009 abgeschlossen.

Zu 2. und 3.: Das Landesamt für Mess- und Eichwesen (LMET) hat keine entsprechende Vereinbarung getroffen, da weniger als fünf schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind und insoweit keine Schwerbehindertenvertretung besteht. Der Abschluss einer Integrationsvereinbarung ist nicht absehbar; eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss dieser Vereinbarung besteht nicht.

Zu 4.: Ein Eingliederungsmanagement wird durch das LMET unter Einbeziehung der BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik durchgeführt, die spezialisiert ist auf das BEM, insbesondere auf Früherkennung, Prävention und Rehabilitation.

Finanzministerium

Zu 1. und 2.: Integrationsvereinbarungen nach § 83 SGB IX sind bisher in keiner Dienststelle des Geschäftsbereichs abgeschlossen worden. Eine Rahmenintegrationsvereinbarung nach dem Vorbild des Innenministeriums wurde ebenfalls nicht abgeschlossen.

In den Finanzämtern Gera, Mühlhausen und Suhl sind Vereinbarungen zur Durchführung des BEM geschlossen worden.

Zu 3.: Eine zeitliche oder inhaltliche Vorgabe zum Abschluss entsprechender Vereinbarungen ist nicht existent und auch nicht beabsichtigt. Für Verhandlungen zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung sieht § 83 Abs. 1 SGB IX ein Initiativrecht der Schwerbehindertenvertretung vor. Zur Durchführung eines BEM bedarf es nach § 84 Abs. 2 SGB IX formal keiner Vereinbarung.

Zu 4.: Auch ohne den Abschluss entsprechender Vereinbarungen kann den gesetzlichen Intentionen aus § 83 Abs. 1 SGB IX zur Integration schwerbehinderter Menschen und aus § 84 Abs. 2 SGB IX zur Überwindung bzw. Vermeidung von Arbeitsunfähigkeiten entsprochen werden.

In den Dienststellen des Geschäftsbereichs finden die beschriebenen Themenfelder Berücksichtigung in der täglichen Arbeit der entsprechenden Personalbereiche. Regelmäßig werden hierzu insbesondere die zuständigen Personalvertretungen als auch Schwerbehindertenvertretungen sowie weitere interne (Frauenbeauftragte, Fachkraft für Arbeitssicherheit) und externe Fachkräfte (Amtsärztlicher Dienst, Betriebsarzt) in die verschiedenen Entscheidungsprozesse einbezogen. Im betrieblichen Eingliederungsmanagement wird zudem verstärkt Aufmerksamkeit auf den präventiven Bereich gelegt, so dass auch hier eine Reihe mit den Interessenvertretungen abgestimmter Maßnahmen (Rückenschule, Entspannungskurse, sportliche Aktivitäten, Gesundheitstag) erfolgen.

Insoweit werden keine Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Maßnahmen nach § 83 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 2 SGB IX gesehen. Möglicherweise liegt in der funktionierenden Zusammenarbeit mit den Interessenvertretungen auch ein Grund, dass die Schwerbehindertenvertretungen bisher von dem Antragsrecht aus § 83 Abs. 1 SGB IX keinen Gebrauch gemacht haben.

Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit

Zu 1.: Auf der Grundlage einer regelmäßig fortgeschriebenen Rahmenintegrationsvereinbarung zur gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit haben das Ministerium am 20. September 2004 und das Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz am 30. Juni 2004 jeweils eine ergänzende Integrationsvereinbarung abgeschlossen.

Zu 2. und 3.: Im Landesbetrieb für Arbeitsschutz und technischen Verbraucherschutz wurde keine Dienstvereinbarung abgeschlossen. Es existiert im Landesbetrieb keine Schwerbehindertenvertretung. Auch die Personalvertretung hat von dem Antragsrecht nach § 83 Abs. 1 SGB IX keinen Gebrauch gemacht.

Zu 4.: Arbeitgeber und betriebliche Interessenvertretungen überwachen gemeinsam die Einhaltung der gesetzlichen Erfordernisse der §§ 83 und 84 SGB IX.