Pflicht zur Kennzeichnung der Reit- und Kutschwege laut Thüringer Waldgesetz

Die Erste Durchführungsverordnung zum Thüringer Waldgesetz (1. DVO vom 27. Juli 1995, zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Ersten Durchführungsverordnung zum Thüringer Waldgesetz vom 30. August 2010 (GVBI. S. 341), regelt die Benutzung und die Kennzeichnung der Wege als Reitwege sowie die Kennzeichnung der Reit- und Kutschpferde.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Gründe verfolgte die Landesregierung mit der Einführung der Kennzeichnungspflicht bei Reitund Kutschwegen und der Kennzeichnungspflicht bei Pferden?

2. Wie ist der aktuelle Stand des Reitwegenetzes in Thüringen (bitte Streckenlängen der Reitwege in den Kreisen einzeln auflisten)?

3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über den Stand und die Praxis der Ausweisung von Reitwegen in den anderen Bundesländern?

4. Gibt es verbindliche Qualitätskriterien bei Reit- und Kutschwegen in Thüringen, falls ja, wie und durch wen werden die Kriterien bei den Reit- und Kutschwegen festgelegt und evaluiert?

5. Welcher entsteht für die Beschilderung der Reit- und Kutschwege sowie für die Kennzeichnung von Pferden und durch wen werden diese Kosten getragen (bitte den bereits entstandenen Aufwand sowie den geplanten Aufwand nach Planungsregionen aufgliedern)?

6. Wie hoch sind die Kosten für den Ausbau und die Instandhaltung der Reit- und Kutschwege in den Thüringer Wäldern (bitte nach Planungsregionen und Ausgaben pro Länge der Reitwege gliedern)?

7. Wer ist für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht auf als solche gekennzeichneten Reitwegen verantwortlich?

8. Wer trägt bei Unfällen auf als solche gekennzeichneten Reitwegen das Haftungsrisiko bzw. die daraus resultierenden Kosten?

9. Wer trägt das Haftungsrisiko bei Reitunfällen außerhalb der als solche gekennzeichneten Reitwege?

10. Wie haben sich seit der Kennzeichnung von Reitwegen in Thüringen die Anzahl, Art und Schwere der Reitunfälle entwickelt (bitte nach Landkreisen aufgliedern und gegebenenfalls zu konstatierende Entwicklungen darstellen)?

11. Wie viele Ordnungswidrigkeiten gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 Thüringer Waldgesetz wurden seit der Einführung der Kennzeichnung von Reitwegen, Reit- und Kutschpferden von der unteren Forstbehörde erfasst (bitte einzeln auflisten nach Verstößen gegen § 6 Abs. 3 Satz 2, Satz 5 und Satz 6 12.Wie sind die bestehenden Reit- und Kutschwege miteinander vernetzt? Bestehen Lücken, wenn ja, welche? Sieht die Landesregierung diesbezüglich Handlungsbedarf? Wenn ja, an welchen Stellen und in wessen Verantwortung?

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 14. April 2011 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Ein Großteil der Vorgänge im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Reit- und Kutschwegen sowie der Ausgabe von Pferdekennzeichen ereigneten sich im unmittelbar der Änderung des Thüringer Waldgesetzes am 13. Dezember 2002 folgenden Zeitraum. Aus diesem Grund ist entsprechend den Aktenaufbewahrungsfristen keine lückenlose Nachweisführung möglich. Eine Beantwortung einzelner Fragen ohne nachvollziehbare Aktengrundlage wurde nicht vorgenommen.

Zu 1.: Die von den Waldbesitzern im Sinne multifunktionaler Wälder angeregten und am 13. Dezember 2002 vom Thüringer Landtag beschlossenen Änderungen des Thüringer Waldgesetzes und der Ersten Durchführungsverordnung zum Thüringer Waldgesetz (1. DVO betrafen Klarstellungen zum Reiten im Wald. Das landesweit hoheitlich, über alle Waldeigentumsarten, ausgewiesene Reitwegenetz dient der Entflechtung der Nutzungsarten auf Waldwegen. Die Kennzeichnungspflicht von Reit- und Kutschwegen dient der Orientierung von Reitern und Gespannfahrern im Wald. Die Kennzeichnung der Reit- und Kutschpferde dient der Identifizierung der Reiter, insbesondere auch bei Verstößen gegen die gesetzlichen Regelungen.

Zu 2.: Eine aktuelle Übersicht zum Reitwegenetz im Wald ist der Anlage 1 zu entnehmen. Demnach sind derzeit 5 909 km Reitwege im Wald ausgewiesen. Reiten außerhalb des Waldes ist auf jedem befestigten Weg erlaubt. Reitwege außerhalb des Waldes sind nur dort im Konzept Forsten und Tourismus digitalisiert, wo die Anbindung an Wege im Offenland erforderlich war. Genaue Angaben zum Reitwegenetz in Thüringen, inklusive des Offenlandes, sind daher nicht möglich.

Zu 3.: Es wird auf die Übersicht 1) die in Anlage 2 aufgeführt ist, verwiesen.

Zu 4.: Die Qualitätskriterien sind in § 2 Abs. 1 und 1a der 1. DVO enthalten.

Zu 5.: Der finanzielle Sachmittelaufwand des Freistaats Thüringen für die im Jahr 2003 beschafften Pferdekennzeichen und Schilder zur Kennzeichnung von Reit- und Kutschwegen belief sich auf 28 304 Euro. Für eine eventuell in den kommenden zwei Jahren notwendig werdende Folgebeschaffung von Pferdekennzeichen kann nach einer ersten Angebotseinholung mit einem finanziellen Aufwand je nach Qualität des Materials zwischen 3 500 und 15 000 Euro gerechnet werden.

Die Ausgabe der Pferdekennzeichen sowie die Kennzeichnung von Reit- und Kutschwegen sind hoheitliche Akte und werden nicht einzeln erfasst. für die Entwicklung des IT-Programms für die Datenerfassung bei der Pferdekennzeichen durch die Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei inklusive Konzeptphase, Programmierung, Dokumentation, Installation und Erstellen der Datenbankinstanz belief sich auf ca. 15 000 Euro.

Die Ausweisung von Reitwegen erfolgt in der Regel auf vorhandenen Wirtschaftswegen im Wald. Diese werden regelmäßig unterhalten, um ihre Nutzbarkeit für die forstliche Produktion und weitere Aufgaben auch im touristischen Bereich dauerhaft zu gewährleisten. Dabei entstehen Kosten von ca. 0,50 Euro/lfm Waldweg.

Je nach Nutzungsintensität und Schadentwicklung sind Unterhaltungsarbeiten alle ein bis drei Jahre auszuführen. Bei der turnusmäßigen Pflege von befestigten und unbefestigten Waldwegen spielt der Verschleiß durch Reiter und Gespanne nur dort eine Rolle, wo die Nutzungsfrequenz deutlich über dem normalen Maß liegt (zum Beispiel Reiterhöfe, feste Kutschentouren). Hierfür liegen keine Erhebungen vor.

Zu 7.: Gemäß § 6 Abs. 1 geschieht das Betreten und Befahren des Waldes auf eigene Gefahr, so dass besondere Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten des Waldbesitzers bezüglich des Betretungsrechts nicht bestehen. Dies gilt nach § 6 Abs. 1 Satz 3 auch für gekennzeichnete Wege und Pfade.

Zu 8.: Derjenige, der sich in der freien Natur bewegt und seinem Hobby nachgeht, muss mit den hieraus resultierenden Gefahren, zum Beispiel herabhängende Äste und Zweige, Wegeunebenheiten, umgestürzte Bäume und so weiter, rechnen. Dies gilt für den Wanderer im Hochgebirge ebenso wie für den Spaziergänger oder Reiter im Wald.

Fünf Verstöße bis 250 Euro Bußgeldhöhe und keine Verstöße über 250 Euro Bußgeldhöhe wegen Reitens bzw. Kutschfahrens ohne gültiges Pferdekennzeichen gemäß § 6 Abs. 3 Satz 6 Dabei vier Verstöße in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 6 Abs. 3 Satz 2

Zwei Verstöße bis 250 Euro Bußgeldhöhe und keine Verstöße über 250 Euro Bußgeldhöhe aufgrund Reitens abseits gekennzeichneter Reitwege gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 Keine Verstöße bis 250 Euro Bußgeldhöhe und keine Verstöße über 250 Euro Bußgeldhöhe wegen Kutschfahrens abseits gekennzeichneter Reitwege gemäß § 6 Abs. 3 Satz 5

Zu 12.: Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 und 4 und § 2 Abs. 2 Pkt. 1 1. DVO wurden durch die unteren Forstbehörden (UFB) im jeweiligen Zuständigkeitsbereich umfängliche Reitwegenetze ausgewiesen, welche in der Regel an mehreren Stellen mit Wegen außerhalb des Waldes bzw. Reitwegen im Zuständigkeitsbereich benachbarter UFB verbunden sind.

Entsprechend der Ausweisungspraxis, welche sich u. a. an dem zum Ausweisungszeitpunkt tatsächlichen Bedarf orientiert (dichtes Reitwegenetz v. a. im Bereich von Reiterhöfen), könnten eventuell Lücken aufgrund eines örtlich neu entstandenen, größeren Bedarfs an Reitwegen auftreten. Diesbezüglich sind jederzeit Anträge auf Neuausweisung von Reitwegen durch die Interessenten an die UFB möglich. Die für eine Neuausweisung notwendigen Abstimmungen werden bei Bedarf im Rahmen des Konzeptes Forsten und Tourismus durch die UFB in Zusammenarbeit mit der Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei durchgeführt. Ich verweise auch auf die Beantwortung der Frage 2.

Gemäß der Richtlinie über die Aufbewahrung von Akten und sonstigem Schriftgut in der Verwaltung des Freistaats Thüringen kann lediglich Auskunft über die abgeschlossenen Verwarnungs- bzw. Bußgeldverfahren der letzten fünf Jahre (bei Bußgeldern über 250,- Euro) bzw. des letzten Jahres (bei Bußgeldern bis 250,- Euro) gegeben werden.

Das ausgewiesene Wanderwegenetz im Wald hat gegenwärtig einen Umfang von 9 263 km.