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3. Wahlperiode 30.10.

Gesetzentwurf der Landesregierung Thüringer Gesetz zur Deregulierung und Beschleunigung disziplinarrechtlicher Verfahren bei Beamten

A. Problem und Regelungsbedürfnis

In Thüringen findet nach § 141 Abs. 4 des Thüringer Beamtengesetzes bis zum In-Kraft-Treten einer Thüringer I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 10 des Einigungsvertrags, dass heißt für das Disziplinarrecht der Beamten im Wesentlichen die Bestimmungen der Wegen landesrechtlicher Besonderheiten, die die Bundesdisziplinarordnung nicht regelt, gilt ersatzweise das Disziplinarrecht des Landes Niedersachsen entsprechend.

Das geltende Disziplinarrecht ist in weiten Teilen sehr unübersichtlich und aus verfahrensrechtlicher Sicht vielfach nicht praktikabel, was eine wesentliche Ursache für die allseits beklagte Dauer der Verfahren ist. Angesichts dessen liegt es sowohl im Interesse des Dienstherrn als auch des Betroffenen, im Zuge der Verwaltungsmodernisierung auch das Disziplinarrecht den Anforderungen einer modernen und effektiven Verwaltung und Rechtspflege anzupassen.

B. Lösung:

1. Erstellung eines Thüringer Disziplinargesetzes (Artikel 1)

Der vorliegende Gesetzentwurf will dem in Abschnitt A genannten Regelungsbedürfnis insbesondere mit folgenden Maßnahmen Rechnung tragen:

- Einbindung des disziplinargerichtlichen Verfahrens in die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit mit vorgeschaltetem einheitlichen Verwaltungsverfahren, Einführung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im disziplinargerichtlichen Verfahren, Verzicht auf die Institution des unabhängigen Untersuchungsführers bei Wegfall des förmlichen Disziplinarverfahrens.

Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll für alle Beamten die Disziplinargerichtsbarkeit von dem Verwaltungsgericht Meiningen und dem ausgeübt werden. Hierzu wird eine spezielle Kammer beziehungsweise ein spezieller Senat für Disziplinarsachen gebildet, die sodann in allen gerichtlichen Verfahren nach dem Thüringer Disziplinargesetz entscheidet.

11. Dezember 2001

Vorabdruck verteilt am: 1. November 2001

Durch diese Regelungen wird auf eine eigenständige Disziplinargerichtsbarkeit verzichtet. Von der hierdurch bewirkten Konzentration ist sowohl eine Verbesserung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung als auch eine deutliche Beschleunigung der gerichtlichen Disziplinarverfahren zu erwarten.

Mit der Übertragung der Disziplinargerichtsbarkeit auf die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit ist zugleich ein Verzicht auf die Unterscheidung zwischen nichtförmlichen und förmlichen Verfahren verbunden.

Ähnliche Bestimmungen existieren bereits in Rheinland-Pfalz und Hamburg. Stattdessen wird zwischen behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahren unterschieden und ein einheitliches Verwaltungsverfahren im Sinne des Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgeschaltet, in dessen Mittelpunkt die Durchführung von Ermittlungen steht.

Die derzeit im Disziplinarverfahren zu beobachtenden Verzögerungen sind im Wesentlichen auf den komplizierten Verfahrensaufbau - zwei aufeinander folgende Verfahrensabschnitte durch Vorermittlung und Untersuchung - zurückzuführen. Dieser Prozess weist zu viele Einzelabschnitte und damit zu viele Verantwortungsträger auf, was den Fortgang der Verfahren behindert.

Bislang nehmen in der Regel nebenamtlich bestellte Untersuchungsführer alle notwendigen Beweiserhebungen vor und bereiten den Prozessstoff für das später erkennende Disziplinargericht auf. Das Ergebnis des Untersuchungsverfahrens ist zugleich Grundlage für die Entscheidung der Einleitungsbehörde über den weiteren Fortgang des förmlichen Disziplinarverfahrens. Auch wenn sich diese Praxis im Grundsatz bewährt hat, so ist doch festzustellen, dass im Vollzug dieser Regelungen nicht unerhebliche Probleme auftreten. Wegen des Personalaufbaus in Thüringen gestaltet es sich häufig schwierig, qualifizierte Beamte mit Befähigung zum Richteramt für dieses Untersuchungsverfahren heranzuziehen. Aufgrund der in den letzten Jahren gestiegenen Arbeitsbelastung der Juristen im Hauptamt ist es zudem oftmals schwer, eine beschleunigte Durchführung des Untersuchungsverfahrens durch entsprechende Entlastung im Hauptamt sicherzustellen. Vielfach müssen junge unerfahrene Beamte mit diesen Untersuchungsaufträgen betraut werden. Dies führt in vielen Fällen, sowohl im tatsächlichen wie rechtlichen Bereich der Untersuchung zu Fehlern, die zum Teil erst im gerichtlichen Verfahren bereinigt werden können.

Durch die Neukonzipierung des Verwaltungsverfahrens zur Ermittlung der benötigten Tatsachenfeststellungen kann auf die bisher existierende Institution des unabhängigen Untersuchungsführers verzichtet werden.

In den Ländern Niedersachsen, Hamburg und Rheinland-Pfalz wird ebenfalls auf den Untersuchungsführer verzichtet. Der Verzicht auf diese Rechtsfigur wird als vertretbar erachtet, da die rechtsstaatlichen Garantien durch das behördliche und gerichtliche Disziplinarverfahren heute hinreichend gewährleistet sind.

Die derzeitige Bindung an das Strafprozessrecht entfällt künftig. Stattdessen wird eine enge Anlehnung an das Verwaltungsverfahrensrecht und das Verwaltungsprozessrecht (Verwaltungsgerichtsordnung) vorgenommen. Damit soll der Verwaltung und den mit den Disziplinarverfahren betrauten Gerichten eine Abwicklung der Disziplinarverfahren im Rahmen der für sie vertrauten Verfahrensordnungen ermöglicht werden. Lediglich für grundrechtsre levante Maßnahmen wie Beschlagnahmen und Durchsuchungen sollen auch weiterhin die Bestimmungen der Strafprozeßordnung gelten.

- Verlagerung der Gehaltskürzung/Kürzung des Ruhegehalts in die Zuständigkeit des Dienstvorgesetzten

Eine weitere zentrale Neuerung stellt die Regelung dar, dass die Verhängung einer Kürzung der Dienstbezüge und des Ruhegehalts künftig im Rahmen des behördlichen Disziplinarverfahrens, dass heißt im Wege einer Disziplinarverfügung des Dienstvorgesetzten, ermöglicht wird. In den Ländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Bayern ist dies bereits geltendes Recht. Dadurch erfolgt eine Verlagerung von Verantwortung in den hierarchischen Aufbau der Verwaltungsbehörden. Die Maßnahmenkompetenz im Disziplinarrecht soll möglichst niedrig in der Hierarchie angebunden und den Dienstvorgesetzten übertragen werden, die am ehesten den betroffenen Mitarbeiter zu beurteilen in der Lage sind, sofern dessen Behörde aufgrund ihres Personalbestands das Verfahren sachgemäß durchführen und abschließen kann. Insbesondere die Verlagerung der Gehaltskürzung in den Zuständigkeitsbereich des Dienstvorgesetzten wird diesen in die Lage versetzen, bei mittelschweren Dienstpflichtverletzungen schnell und unmittelbar den betroffenen Beamten zur Ordnung zu rufen. Dies ist sowohl unter spezialpräventiven als auch unter sinnvoll. Zudem wird sich hierdurch eine wesentliche Reduzierung der Zahl der gerichtlichen Disziplinarverfahren erreichen lassen, was eine spürbare Entlastung der Gerichte zur Folge hat.

- weitere wesentliche verfahrensbeschränkende und beschleunigende Maßnahmen

Durch Maßnahmen wie beispielsweise die Beschränkung des behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf disziplinarmaßentscheidende Pflichtverletzungen durch von unwesentlichen Vorwürfen soll der Konzentrationsmaxime weiter Rechnung getragen werden. Ähnliche Regelungen existieren bereits in Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird aus Gründen der Verfahrensökonomie das Legalitätsprinzip beispielsweise bei Verjährung eingeschränkt.

2. Änderung des Thüringer Beamtengesetzes (Artikel 2), des Thüringer Personalvertretungsgesetzes (Artikel 3), der Thüringer Verordnung über den Mutterschutz der Beamtinnen (Artikel 4), der Thüringer Verordnung über die Gewährung von Jubiläumszuwendungen an Beamte und Richter (Artikel 5).

Es handelt sich um die redaktionelle Anpassung einzelner Bestimmungen an das Thüringer Disziplinargesetz.

C. Alternativen Keine; mit dem Gesetz werden die noch durch den Einigungsvertrag geltenden und nur bedingt zutreffenden Bestimmungen der Bundesdisziplinarordnung und der Niedersächsischen Disziplinarordnung abgelöst.

D. Kosten Unmittelbare Kostenfolgen, die von der gegebenen Rechtslage abweichen, sind von diesem Gesetz nicht zu erwarten.