Es gilt zu klären ob dies auch für Thüringen zutrifft

Es gilt zu klären, ob dies auch für Thüringen zutrifft. Ferner ist zu klären, wer etwaige Kontenabfragen warum anordnet und welche Kosten bzw. welcher Nutzen für das Land entstanden ist.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie oft wurden in den Jahren 2005 bis 2010 Kontendaten der Bürgerinnen und Bürger durch Thüringer Behörden abgefragt? Befanden sich darunter auch Konten im Ausland? Wenn ja, wie viele jeweils?

2. Was waren die Anlässe dafür? Welche Behörden haben für die jeweiligen Anlässe die Konten abgefragt (Bitte um jahresweise detaillierte statistische Angaben)?

3. Wie sichern sich Thüringer Behörden gegen einen Missbrauch der Kontenabfragen ab? Gibt es dafür z. B. Dienstanweisungen, wenn ja, welche? Wer kann Kontenabfragen anordnen, wer prüft diese Anordnungen?

4. In wie vielen Fällen haben sich aus den Kontenabfragen Konsequenzen wie Bußgeld- oder Strafrechtsverfahren oder anderes ergeben? Welche Einnahmen ergaben sich daraus für das Land bzw. die Kommunen?

5. Welche Kosten verursachen die Abfragen für den Landeshaushalt bzw. welche Kosten verursacht eine Abfrage im Durchschnitt?

6. Wie viele Kontrollen von Kontenabfragen hat nach Kenntnis der Landesregierung der Landesbeauftragte für den Datenschutz hierbei durchgeführt und mit welchen Ergebnissen? Gab es Hinweise auf missbräuchliche Kontenabfragen?

7. Wurden alle betroffenen Bürgerinnen und Bürger von der Abfrage ihrer Konten durch Thüringer Behörden informiert?

8. Wie bewertet die Landesregierung prinzipiell und rechtlich die Abfrage von Konten Thüringer Bürgerinnen und Bürger?

Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 20. Mai 2011 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung: Grundlage für die in der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage genannten Medienberichte sind die Statistiken über das Kontenabrufverfahren nach den §§ 93, 93b Abgabenordnung (AO). Seit dem 1. April 2005 können die Finanzbehörden (Finanzämter, ggf. Gemeinden) nach § 93 Abs. 7 AO und andere Behörden nach den Bestimmungen des § 93 Abs. 8 AO über das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) Kontenabrufersuchen stellen, bei denen gemäß § 93b AO auf die nach § 24c Kreditwesengesetz (KWG) von den Banken zu führende Datei zugegriffen wird.

Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften können Kontenabrufersuchen nach § 24c KWG über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stellen. Bei diesen Kontenabrufersuchen im automatisierten Verfahren können (lediglich) sogenannte Kontostammdaten, nicht aber Kontostände oder -bewegungen abgefragt werden.

Zur Ermittlung von Kontoständen und -bewegungen werden sogenannte Auskunfts- und Herausgabeersuchen (nachfolgend Auskunftsersuchen) unmittelbar an einzelne Banken gerichtet.

Zu 1. und 2.: Statistische Anschreibungen zu Kontenabfragen durch Thüringer Behörden liegen nur für Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 7 AO durch Finanzämter und für Ersuchen nach 93 Abs. 8 AO zur Ermittlung inländischer Konten vor.

Kontenabrufersuchen durch Finanzämter erfolgen hauptsächlich durch die Vollstreckungsstellen zur Erhebung von Steuern, im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung und bei Außenprüfungen. Eine anlassbezogene Auflistung ist ab dem Jahr 2008 möglich.

Bei Kontenabrufersuchen nach § 93 Abs. 8 AO kann seit 2008 eine Zuordnung dahingehend erfolgen, dass die Ersuchen durch die für die Verwaltung

1. der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II),

2. der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII),

3. der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG),

4. der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz und

5. des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz zuständigen Behörden gestellt wurden.

§ 93 Abs. 7 (durch Finanzämter) § 93 Abs.Auskunftsersuchen erfolgen auch durch Polizeibehörden, Steuerfahndungsstellen der Finanzämter, Staatsanwaltschaften und Gerichte. Anlässe hierfür sind u.a. Ermittlungsverfahren wegen Betruges (§ 263 Strafgesetzbuch - und Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Wirtschaftsstrafverfahren, Steuerstrafverfahren sowie Ermittlungsverfahren zu sonstigen Delikten, sofern eine Vermögensabschöpfung in Betracht kommt. Nähere Angaben sind mangels statistischer Erfassung nicht möglich.

Eine stichprobenartige Erhebung bei einer Staatsanwaltschaft ergab, dass in den letzten zwei Jahren jeweils ca. 500 Auskunftsersuchen gestellt wurden.

Zu 3.: Der (bundeseinheitliche) Anwendungserlass zu § 93 AO enthält Dienstanweisungen, die für die Thüringer Finanzämter durch Verfügungen der Thüringer Landesfinanzdirektion konkretisiert wurden. Die vom Finanzamt im Vorfeld eines Kontenabrufersuchens vorgenommenen Ermittlungen und Ermessenserwägungen werden in einem gesonderten Vermerk festgehalten. Die abschließende Zustimmung erfolgt durch den Hauptsachgebietsleiter AO.

Bei den in § 93 Abs. 8 AO aufgeführten Behörden werden Kontenabrufersuchen vom fallführenden Sachbearbeiter vorgeschlagen und angeordnet. Es gibt keine gesonderten Dienstanweisungen.

Für Zwecke der Datenschutzkontrolle werden Kontenabrufersuchen nach § 24c KWG von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht protokolliert und für jeden Abruf der Zeitpunkt, die verwendeten Daten, die abgerufenen Daten, die abrufende Person sowie das Aktenzeichen aufgezeichnet.

Bei den Justizbehörden gibt es keine speziellen Dienstanweisungen zum Schutz vor Missbrauch. Kontenabfragen können durch Staatsanwälte sowie Richter angeordnet werden. sind auch Gegenstand von Geschäftsprüfungen.

Zu 4.: Über die Anzahl der Fälle, in denen sich aus den Kontenabrufersuchen nach §§ 93, 93b AO Konsequenzen wie Bußgeld- oder Strafrechtsverfahren ergeben haben, liegen keine statistischen Anschreibungen vor.

Kontenabrufersuchen der Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie Auskunftsersuchen setzen ein bereits anhängiges Ermittlungs- bzw. Strafverfahren voraus.

Einnahmen, die sich aus den Kontenabfragen ergeben haben, wurden nur für die von den Finanzämtern durchgeführten Kontenabrufersuchen bis 31. Im Falle der Verurteilung werden die Kosten vom Verurteilten eingefordert.

Zu 6.: Im Jahr 2005 führte der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz eine Kontrolle zu den durch die Finanzämter vorgenommenen Kontenabrufersuchen durch. Dazu führt der in seinem 7. Tätigkeitsbericht Folgendes aus: Eine datenschutzrechtliche Kontrolle aller im Jahre 2005 über das Finanzamt Erfurt veranlassten Kontenabrufersuchen ergab, dass die überwiegende Fallzahl die Vollstreckung ausstehender Kfz-Steuern - in wenigen Fällen die steuerliche Betriebsprüfung - betraf. Abrufe für außersteuerliche Zwecke auf Veranlassung von anderen Behörden wurden lediglich viermal durchgeführt. Dabei erfolgen die Dokumentation der Abfragen und die nachträgliche Information von Betroffenen in Fällen, in denen bisher unbekannte Konten entdeckt wurden, im Unterschied zu anderen Bundesländern, im Wesentlichen ordnungsgemäß. Zu kritisieren war jedoch, dass die Betroffenen über solche Abfragen, die den Verdacht des Vorhandenseins weiterer Konten nicht bestätigten, nicht informiert worden sind, was mit finanziellem Aufwand in Folge Portokosten begründet wurde. Aufgrund der Kritik des an dieser Praxis wurden die Thüringer Finanzämter nachfolgend angewiesen, ihrer Informationsverpflichtung nachzukommen. Hinweise auf missbräuchliche Kontenabfragen wurden nicht festgestellt.

Zu 7.: Für Kontenabfragen nach § 24c KWG besteht keine generelle Benachrichtigungspflicht. Im Übrigen gibt es keine Erkenntnisse darüber, dass Informationsverpflichtungen nicht erfüllt werden.

Zu 8.: Kontenabfragen sind ein geeignetes und unverzichtbares Mittel zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Vollzugs von Abgaben- und Sozialleistungsgesetzen sowie zur Verfolgung von Straftaten. Sie sind nur im Rahmen enger gesetzlicher Voraussetzungen möglich und erweitern die Ermittlungsbefugnisse der zuständigen Behörden auf sinnvolle Weise, um Defizite bei der Mitwirkung der Betroffenen auszugleichen und dienen damit der Verifikationspflicht der Behörden.

Für alle Kontenabfragen gilt das Übermaßverbot, d.h., Eingriffe in die Rechtssphäre der Betroffenen sind nur zulässig, soweit sie im Einzelfall erforderlich sind, um die notwendige Ermittlungsarbeit von Behörden und Gerichten zu unterstützen.

Dr. Voß Minister.