Kontamination des Grundwassers in Rositz

Das im Landkreis Altenburger Land gelegene ehemalige Teerverarbeitungswerk (TVW) Rositz, das aus dem Werksgelände (43,6 Hektar), dem Teersee im Tagebaurestloch Neue Sorge (1,9 Hektar) und der Aschenhalde Fichtenhainichen (15,9 Hektar) besteht, stellt neben der Wismut das größte Altlastenproblem in Thüringen dar.

Trotz Sanierungsarbeiten ist das Grundwasser im Bereich des ehemaligen Werksgeländes und in dessen Abstrom jedoch nach wie vor erheblich mit für Mensch und Umwelt gefährlichen Stoffen belastet. Insbesondere konnte das Problem des im Rositzer Ortsteil Schelditz austretenden, mit Phenolen kontaminierten Grundwassers nicht gelöst werden.

Das Grundwasserproblem in Rositz, das der Landesregierung spätestens seit 2002 (vgl. Vorlage 3/1325, Drucksachen 3/2512/3170, Vorlage 3/2057, Drucksache 4/61, Vorlagen 4/17/58, Kleine Anfrage 331, Vorlage 4/1400) bekannt ist, stellt für die Anwohner eine akute Gesundheitsgefahr dar. Insbesondere sind dabei die mit dem kontaminierten Grundwasser einhergehenden geruchsintensiven Emissionen für die Anwohner eine große Belastung.

Besorgniserregend ist vor allem, dass das Grundwasserproblem mittlerweile ein Dauerzustand und zudem völlig unabhängig vom Hochwasser ist. Kontaminiertes Grundwasser tritt nach Aussagen besorgter Rositzer sogar offen zu Tage und versickert in Richtung Gerstenbach.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie erklärt die Landesregierung, dass seit 2002 trotz akuter Gesundheitsgefahr und dauerhafter, vom Hochwasser unabhängiger Geruchsbelästigung noch Untersuchungen und Bewertungen ausstehen, um zu einer dauerhaften Lösung für das kontaminierte Grundwasser in Rositz zu gelangen?

2. Wie bewertet die Landesregierung die gesundheitlichen Gefahren durch phenolhaltiges Grundwasser für die Bewohner im Rositzer Ortsteil Schelditz?

3. Welche Studien über die Gefahren von phenolhaltigem Grundwasser für Mensch und Umwelt liegen der Landesregierung vor (hier bitte genau auflisten wann, von wem und in wessen Auftrag die Studie erstellt wurde)?

4. Welche Kontrollen des kontaminierten Grundwassers in Rositz führte die Landesregierung bisher, wann und wie oft, durch?

5. Ist der Landesregierung bekannt, dass Anfang der 1970er Jahre vor dem Bau von Garagen in der Talstraße der Boden mit verseuchtem Aushub aus dem Teerverarbeitungswerk aufgefüllt wurde? Wenn ja, plant die Landeregierung diesen Aushub zu beseitigen?

6. Warum wurden die zu DDR-Zeiten errichteten Tiefbrunnen zur Absenkung des Grundwasserspiegels abgestellt?

7. Welche Sanierungsarbeiten plant die Landesregierung in den kommenden Jahren im Rositzer Ortsteil Schelditz?

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 1. Juni 2011 wie folgt beantwortet:

Mit der Kleinen Anfrage 1416 der Abgeordneten Siegesmund (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) werden Aspekte vor allem zum Bereich Grundwasser aus der parallel bearbeiteten Kleinen Anfrage 1415 vertieft. Gewisse Dopplungen in den Antworten waren deshalb nicht zu vermeiden; bei den Antworten wird darauf entsprechend verwiesen.

Deutlich zu widersprechen ist der Behauptung, dass von der Altlastensituation in Rositz eine Gesundheitsgefahr für die Anwohner ausgehen würde. Das ist nachweislich nicht der Fall. Dies vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage 1416 für die Landesregierung wie folgt:

Zu 1.: Aufgrund der erfolgten Untersuchungen ist festzustellen, dass von der Altlastensituation in Rositz keine Gesundheitsgefahr ausgeht. Dies belegt bereits eine im Jahr 1995 im Auftrag des Thüringer Ministeriums für Soziales und Gesundheit erstellte Studie vom Institut für Arbeits-, Umwelt- und Sozialmedizin der Jena in Zusammenarbeit mit den Jugendärztlichen Diensten der Gesundheitsämter der Landkreise Altenburger Land und Saale-Orla-Kreis (Außenstelle Schleiz) mit dem Thema Untersuchungen zur Wirkung von Luftschadstoffen auf den Gesundheitszustand einer bestimmten Zielgruppe in einem belasteten Gebiet (Rositz) im Vergleich zu einem unbelasteten Gebiet (Schleiz). Darin wird nachgewiesen, dass für die in Rositz lebenden Kinder und Jugendlichen keine gesundheitliche Benachteiligung im Vergleich zu den parallel untersuchten Kindern und Jugendlichen des Raumes Schleiz besteht.

In die Lösung des Grundwasserproblems in Rositz sind einzubeziehen: das ehemalige Werksgelände, die ehemaligen Betriebsdeponien Neue Sorge, die Aschehalde Fichtenhainichen, die Nutzung der Wohnbebauung im Ortsteil Schelditz sowie das Oberflächengewässer, hier insbesondere der Gerstenbach, zu dem die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen sind. Die Grundwasseraspekte des ehemaligen Teerverarbeitungswerkes stehen in engster Abhängigkeit von den Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen am Werksgelände und der Neuen Sorge sowie etwaigen Sanierungs- und Sicherungsarbeiten an der Aschehalde Fichtenhainichen. Dabei kommt es auf die quellbezogene, d. h. ursachengerechte Sanierung und Sicherung ebenso an, wie auf die Dynamik des Grundwassergeschehens einschließlich von Abbauvorgängen, wie sie sich nach der Sanierung darstellen werden. Die Maßnahmen zum Abschluss der Quellensanierung und -sicherung sind noch nicht abgeschlossen (siehe Antworten zur Kleinen Anfrage 1415, insbesondere Fragen 1 und 2). Insoweit wird, die Maßnahmen begleitend, ein intensives Grundwassermonitoring fortgeführt, Schelditz eingeschlossen.

Zu 2.: Auch für die Bewohner im Ortsteil Schelditz besteht keine Gesundheitsgefahr, auch nicht durch phenolhaltiges Grundwasser. Konkret betroffen sind zwei Gebäude: der Keller eines Wohnhauses in der Talstraße und der Keller eines benachbarten, leerstehenden Wirtschaftsgebäudes. Lediglich die Nutzung der Gebäude ist beeinträchtigt.

Im März 2011 wurde in den Wohnräumen des Wohnhauses in Absprache mit dem Landesverwaltungsamt vom Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz eine Innenraumluftmessung durchgeführt. Ziel der Messung war es, fachlich und rechtlich belastbare Werte für eine Gefahrenabschätzung in den Wohnräumen zu erhalten sowie notwendige Maßnahmen einzuschätzen, um dauerhaft Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen über den Luftpfad für das Schutzgut Mensch auszuschließen.

Untersucht wurden flüchtige organische Verbindungen (VOC) in den Wohnräumen und im Keller des Hauses. Nach Beurteilung der Ergebnisse der Messung durch den Fachdienst Gesundheit im Landratsamt Altenburger Land vom 18. April 2011 (...) kann davon ausgegangen werden, dass unter den gegebenen Bedingungen, d. h. hier bei eingeschalteter Zwangsentlüftung (d.h. mit Ventilator) im Keller und regelmäßiger Lüftung in den Wohnräumen, eine gesundheitliche Gefährdung für die Bewohner nicht besteht.

Eine Bewertung der Situation unter Extrembedingungen, d. h. bei ausgeschalteter Lüftung und einer Lüftungspause von mindestens acht Stunden in den Wohnräumen im Vergleich zur erfolgten Messung, konnte nicht durchgeführt werden, weil die Bewohner des Hauses einer solchen Messung nicht zugestimmt haben.

Eine im Januar 2011 im selben Wohnhaus entnommene Trinkwasserprobe entsprach in den untersuchten Parametern den Anforderungen der Trinkwasserverordnung.

Zu 3.: Die Wirkung von Phenolen im Grundwasser auf Umwelt und Menschen sind hinlänglich durch wissenschaftliche Studien bekannt. Insoweit sind separate Studien über die Gefahren von Phenol oder phenolhaltigem Grundwasser für Umwelt und Menschen im Großprojekt Rositz nicht notwendig. Es erfolgten jedoch praxisorientierte Untersuchungen des Grundwassers hinsichtlich der für Rositz bekannten relevanten Schadstoffe und damit auch für Phenole. Die entsprechenden Ergebnisse finden Berücksichtigung bei der im Auftrag der LEG erarbeiteten, regelmäßigen Jahresberichterstattung zum Grundwassermonitoring Rositz, auf die nachfolgend verwiesen wird:

Die Berichte liegen der zuständigen Bodenschutzbehörde im Thüringer Landesverwaltungsamt vor und sind nach dem Umweltinformationsgesetz grundsätzlich zugänglich.

Zu 4.: Das Grundwasser in Rositz wird seit 1997 in den Bereichen ehemaliges Werksgelände, ehemalige Betriebsdeponie Neue Sorge und Aschehalde Fichtenhainichen kontrolliert. Seit 2002 wird ein bereichsübergreifendes Grundwassermonitoring betrieben. Auch hierfür ist die LEG aufgrund behördlicher Anordnungen verantwortlich. Das Messnetz des Monitorings umfasst gegenwärtig 93 Grundwassermessstellen und 15 Oberflächenwassermessstellen. Es werden die Grundwasserstände und die Grundwasserbeschaffenheit kontrolliert. Die Kontrollen werden nach einem vorgegebenen Plan entweder monatlich, viertel- oder halbjährlich durchgeführt. Die Ergebnisse werden vierteljährlich und in einem Jahresbericht dokumentiert und bewertet. Die LEG bedient sich hierbei entsprechender Fachfirmen (siehe Antwort zu Frage 3 sowie Antwort zur Kleinen Anfrage 1415, dort Frage 5).

Zu 5.: Der Sachverhalt ist der Landesregierung nicht bekannt. Das Gutachten Historische Recherche Rositz Ortsteil Schelditz der JENA-GEOS Ingenieurbüro vom 30. Januar 2003 weist den Bereich der Garagen in der Talstraße nicht als Verdachtsfläche für Bodenverunreinigungen aus. Dem Gutachten liegen unter anderem eine Einwohnerbefragung, Archivrecherchen und die Auswertung historischer Luftbilder sowie Karten zu Grunde. Eine Untergrunduntersuchung im Bereich der Garagen war im Ergebnis dieses Gutachtens nicht erforderlich. Die Untersuchungen in Schelditz sind aber noch nicht abgeschlossen. Eine Bodenprobennahme in dem Bereich ist nicht ausgeschlossen (siehe auch Antwort zu Frage 7).

Zu 6.: Im Bereich des Sanierungsgebietes Rositz wurden nach Kenntnisstand der zuständigen Bodenschutzbehörde zu DDR-Zeiten keine Tiefbrunnen mit dem Ziel betrieben, das Grundwasser abzusenken.

Möglicherweise ist die Außerbetriebnahme der Tagebauwasserhaltungen des Braunkohlenbergbaus im Norden (z. B. Haselbach, Schleenhain oder Groitzscher Dreieck) oder die Einstellung der Grundwasserförderung in den Wasserwerken Hagenest, Bruderzeche, Wintersdorf und Kammerforst gemeint. In Folge dieser

Einstellung steigt seit 1997 das Grundwasser im Grundwasserleiter 5.2 (unterer [tertiärer] Grundwasserleiter) an. Dieser Anstieg verringert sich seit etwa zwei bis drei Jahren.

Zu 7.: Die Untersuchungen und Bewertungen sind noch nicht abgeschlossen, um zu einer Entscheidung und etwaigen Planung für eine dauerhafte Lösung zu kommen (siehe dazu auch Antwort zu Frage 1).