Kaliabbau- und Aufbereitungsprozessen
Mit den Kaliabbau- und Aufbereitungsprozessen im Bereich der hessisch-thüringischen Landesgrenze können Langzeitgefahren für Grund- und Oberflächengewässer durch versenkte und in Flüsse eingeleitete Abwässer nicht ausgeschlossen werden. Die mengenmäßige Reduzierung der Aufhaldung, beispielsweise durch eine Untertageverbringung der laufenden Rückstände, lehnt die Kali + Salz Kassel (K + S), insbesondere aus ökonomischen Gründen, ab.
Daneben entstehen mächtige, durch den Bergbau geschaffene, unterirdische Hohlräume, die zur Stabilisierung des Deckgebirges verfüllt werden müssen. Dies erfolgt z. B. in der Kaligrube am Standort Unterbreizbach mit Abfällen als Versatzmaterial, obwohl nach eigenen Angaben von K + S an diesem Standort genügend Hohlräume zur Aufnahme des gesamten festen Rückstandes zur Verfügung stehen würden.
In ihrer Gesamtstrategie zur Verminderung von Umweltbelastungen (Gesamtstrategie) widmet sich K + S auch perspektivischen Überlegungen zu Umweltentlastungsmaßnahmen während der Nachbetriebsphase, etwa ab dem Jahr 2027. Demnach geht der Konzern offenbar auch langfristig von der grundsätzlichen Beibehaltung der Entsorgungsströme aus. Die Haldenabwassermengen könnten sich sogar zum Teil verdoppeln.
Rückstellungen für Sanierungsmaßnahmen bildet K + S seit Jahren (vgl. veröffentlichter Finanzbericht 2010 von K + S: 419 Millionen Euro). Den Behörden und auch der Öffentlichkeit ist es möglich, die Stetigkeit und Angemessenheit der Vorsorgepolitik von K + S laufend zu überwachen bzw. nachzuvollziehen (vgl. o. g. Gesamtstrategie S. 92).
Die Zahlungsverpflichtungen des Bundes für die Sanierung von Altlasten aus dem Kalibergbau der DDR sind mittlerweile erfüllt, so dass die finanziellen Aufwendungen gegenwärtig allein durch den Freistaat Thüringen getragen werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Hält die Landesregierung die eingangs wiedergegebenen Aussagen von K + S zur langfristigen Umweltvorsorge für korrekt und wie und durch wen wird die Einhaltung kontrolliert?
2. Welche Umweltsanierungsanforderungen müssen aus Sicht der Landesregierung mit langfristigen Verpflichtungen in der Nachbetriebsphase abgesichert werden?
3. Welcher Rechtsrahmen wird für diese Phase relevant und worin ist dieser gegebenenfalls anzupassen?
Wie wird die Antwort begründet?
4. Wer wird, außer dem Kalikonzern selbst, nach Erschöpfung der Kalilagerstätten im hessisch-thüringischen Kalirevier für die Sanierung der Gruben, Halden sowie des durch Abwasserversenkung in Anspruch genommenen Untergrundes verantwortlich sein? Auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht diese Verantwortlichkeit?
5. Welche Sanierungsmaßnahmen werden nach Kenntnis der Landesregierung erforderlich und wie hoch werden die Kosten für Thüringen geschätzt?
6. Welche Anforderungen an die weitere Entwicklung der Sanierungsrückstellungen stellt die Landesregierung, sowohl in Bezug auf die erforderliche Höhe als auch die für die Bildung von Rückstellungen Verantwortlichen?
7. K + S sagt aus (vgl. Gesamtstrategie S. 91), dass die Angemessenheit der Rücklagenhöhe laufend neu überprüft wird und gegebenenfalls externe Gutachter zurate gezogen werden. Sind der Landesregierung diese Gutachter bekannt; wenn ja, um wen handelt es sich?
8. Auf welche Weise wurde von welchen Verantwortlichen Vorsorge getroffen, um bei nicht auszuschließenden extremen Schadensereignissen, wie Gebirgsschlägen oder dem Durchbruch der Werra in die Grubengebäude, die entstehenden Schadensbereinigungskosten tragen zu können?
9. Gibt es bezüglich der Aussagen zu Frage 7 weitergehende Forderungen des Landes?
10.Welche Risiken bestehen für das Land, die Kommunen und private Grundeigentümer über den Grubenbauen des Kalireviers für den Fall, dass ein für Schäden verantwortliches Bergbauunternehmen zum Zeitpunkt eines eintretenden Schadens nicht mehr existiert? Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, diese Risiken weitestgehend zu minimieren bzw. wie wird ihnen vorgebeugt?
11.Gibt es Altlasten im Kalirevier, die von nicht mehr dort ansässigen privaten Unternehmen hinterlassen wurden? Wenn ja, welche Gefahren gehen von ihnen aus?
12.Wer haftet bei Umweltschäden, die in Folge dieser Altlasten entstehen, und wer wäre gegebenenfalls für deren Aufarbeitung bzw. entsprechende Sanierungsmaßnahmen zuständig?
13.Welches Rechtsverhältnis zwischen dem Mutterkonzern Kali und Salz AG und den Tochtergesellschaften besteht nach Kenntnis der Landesregierung in Bezug auf die Haftung für mögliche Schäden, die mit den Kaligewinnungsprozessen zusammenhängen?
Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 16. Juni 2011 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen:
Die K+S KALI betreibt in Thüringen den Standort Unterbreizbach des Werkes Werra. Die dort bei der Kaliproduktion anfallenden festen salzhaltigen Rückstände werden vollständig als Versatz nach Untertage verbracht. Eine Rückstandshalde gibt es am Standort Unterbreizbach nicht. Die anfallenden flüssigen salzhaltigen Rückstände (Salzabwasser) werden entweder beim Untertageversatz verwertet oder im Salzabwasserverbund zur weiteren Verwertung in die hessischen Standorte des Werkes Werra transpor tiert. Derzeit werden in Unterbreizbach keine Salzabwässer mehr in die Werra eingeleitet. Die Salzabwasserversenkung wurde hier bereits im Jahr 2007 eingestellt.
Für die Grube Unterbreizbach besteht keine grundsätzliche Versatzpflicht. Jedoch sind einzelne der bereits aufgefahrenen Abbaue und Abbaufelder aus Gründen der Standsicherheit sowie des Lagerstättenschutzes nachträglich durch Versatz zu stabilisieren. Dies erfolgt zum größten Teil (> eine Million Tonnen/Jahr) mit den anfallenden Aufbereitungsrückständen aus der Kaliproduktion und in geringerem Umfang (ca. 200 000 Tonnen/Jahr) mit mineralischen Abfällen zur Verwertung.
Zu 1.: Die im einleitenden Textteil der Kleinen Anfrage zitierte Aussage der K+S KALI dass Behörden und Öffentlichkeit jederzeit die Stetigkeit und Angemessenheit der zur langfristigen Umweltvorsorge vorgesehenen Rückstellungen nachvollziehen können, ist zutreffend. Die Rückstellungen werden jährlich im Finanzbericht des Unternehmens ausgewiesen und vom Wirtschaftsprüfer bestätigt. Die Bilanz wird durch die zuständigen Behörden regelmäßig eingesehen.
Zu 2.: Die für eine ordnungsgemäße Stilllegung des Bergwerkes Unterbreizbach erforderlichen Maßnahmen werden zu einem späteren Zeitpunkt im gesetzlich vorgeschriebenen Abschlussbetriebsplan beschrieben und sind durch das Thüringer Landesbergamt als zuständige Behörde zuzulassen. Für den Thüringer Standort Unterbreizbach des Werkes Werra der K+S KALI sind aus derzeitiger Sicht keine darüber hinausgehenden Umweltsanierungserfordernisse zu erwarten.
Zu 3.: Die Zulassung der den Übergang zwischen Betriebsphase und Nachbetriebsphase regelt, erfolgt auf der Grundlage des Bundesberggesetzes in Verbindung mit dem allgemeinen Umweltrecht. Erst nach Abarbeitung des Abschlussbetriebsplanes endet die Bergaufsicht und in der Folge die bergrechtliche Zuständigkeit. Inwieweit in der Nachbetriebsphase ein Anpassungsbedarf in Bezug auf das Umweltrecht besteht, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden.
Zu 4.: Sofern nach Erschöpfung der Lagerstättenvorräte im thüringischen Teil des Werra-Kalireviers ein über die planmäßigen Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung hinausgehendes Sanierungserfordernis bestehen sollte, hat diese Sanierung im Rahmen der Abarbeitung des Abschlussbetriebsplanes durch den Unternehmer zu erfolgen. Der Gesetzgeber hat mit § 55 Abs. 2 Satz 1 hierzu unter anderem vorgesehen, dass für die Erteilung der Zulassung eines Abschlussbetriebsplanes der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes sowie ... die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche... sichergestellt sein müssen.
Zu 5.: Ob, und wenn ja, welche Sanierungsmaßnahmen in Folge des derzeit im thüringischen Teil des Werra-Kalireviers laufenden Bergbaubetriebes eventuell erforderlich sein könnten, kann zum heutigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Daraus gegebenenfalls resultierende Kosten sind demgemäß derzeit nicht abschätzbar.
Zu 6.: Da derzeit für den Thüringer Standort Unterbreizbach des Werkes Werra der K+S KALI keine Umweltsanierungserfordernisse erkennbar sind (vgl. Antwort zu Frage 2), ist zum heutigen Zeitpunkt die Bildung zusätzlicher Rückstellungen, die über das Maß der Rückstellungen für kommende bergrechtliche Verpflichtungen hinausgehen, nicht erforderlich.
Zu 7.: Rücklagen sind Teil des Eigenkapitals eines Unternehmens und dienen der Erhöhung der Selbstfinanzierungsmittel des Betriebes. Während offene Rücklagen auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen sind, stehen stille Rücklagen nicht in der Bilanz. Rücklagen können für zusätzliche Investitionen im Unternehmen genutzt werden. Über Rücklagen der K+S KALI liegen der Landesregierung keine Informationen vor.
Das Unternehmen hat jedoch zweckgebundene Rückstellungen als negative Bilanzpositionen in seine Bilanz aufgenommen. Welche Personen und Unternehmen durch die K+S KALI im Einzelfall damit beauftragt werden, die Angemessenheit der gebildeten Rückstellungen gutachterlich zu überprüfen, entzieht sich der Kenntnis der Landesregierung.
Zu 8.: Das Thüringer Landesbergamt als zuständige Behörde hat sich von der K+S KALI Gutachten vorlegen lassen und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen in ihre Entscheidungen einbezogen. Nach derzeitigem Kenntnisstand sind bei Einhaltung der bergrechtlich zugelassenen Betriebspläne extreme Schadensereignisse, wie in der Frage geschildert, ausgeschlossen.
Sollte es durch unvorhersehbare Ereignisse zu Schäden kommen, bleibt zu deren Behebung das Vermögen des Bergbautreibenden. Die K+S KALI hat nach eigenem Bekunden Umwelthaftpflichtversicherungen für Schadensereignisse aus seiner Betriebstätigkeit abgeschlossen (vgl. Gesamtstrategie zur Verminderung von Umweltbelastungen der K+S KALI überarbeitete Fassung vom 31. Oktober 2009, S. 91).
Zu 9.: Bezüglich der Rückstellungen gibt es derzeit keine weiteren Forderungen der Landesregierung.
Zu 10.: Mit Abarbeitung eines zugelassenen, den Anforderungen des geltenden Berg- und Umweltrechts genügenden Abschlussbetriebsplanes ist sichergestellt, dass der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes gewährleistet ist.
Sofern in der dann folgenden Nachbetriebsphase dennoch Schäden auftreten und weder das verursachende Bergwerksunternehmen noch ein eventueller Rechtsnachfolger existieren sollten, würden nach den zur Zeit geltenden gesetzlichen Regelungen die Bestimmungen des Thüringer Altbergbau- und greifen.
Zu 11.: Die Landesregierung geht davon aus, dass sich diese Frage auf Altlastenstandorte bezieht, die nach 1990 privatisiert und später von den Eigentümern herrenlos hinterlassen worden sind. Gründe hierfür können Insolvenz oder Grundstücksaufgabe sein.
Im thüringischen Teil des Werra-Kalireviers (westlich der Klassikerstraße gelegener Teil des Wartburgkreises) sind der Landesregierung keine derartigen Altlastenfälle bekannt.
Zu 12.: Grundsätzlich sind nach § 4 Abs. 3 Bundes-Bodenschutzgesetz der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern zu sanieren. Nach § 4 Abs. 6 ist der frühere Eigentümer eines Grundstücks zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste.
Die Auswahl des Sanierungspflichtigen hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Zu 13.: Die K+S AG ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, welche die Geschäftsanteile an der K+S KALI hält. Die K+S KALI betreibt unter anderem die Kalisalzgewinnung an der Werra. Die K+S AG ist damit faktisch die Eigentümerin der K+S KALI Entsprechend haften die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für diese Gesellschaft nicht mit ihrem vollen Vermögen, sondern lediglich mit ihrem Gesellschaftsanteil, also ihrer finanziellen Einlage in die Mithin haftet die K+S AG im Regelfall nicht für mögliche Schäden, die mit der Geschäftstätigkeit der K+S KALI im Zusammenhang stehen. Ausnahmen gelten nach der Rechtsprechung für extreme und seltene Fälle einer sogenannten Durchgriffshaftung. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn eine AG eine rechtsmissbräuchlich einsetzt.