Am 26 Juni 2011 wurden im Stausee bei einem Restwasserstand von ca

Juli 2011 hat folgenden Wortlaut:

Am 23. Juni 2011 wurde auf Anordnung des Landesverwaltungsamtes begonnen den Stausee Haina abzulassen. Die Talsperre befindet sich unmittelbar am Rand des FFH-Gebietes Gleichberge. Am Vortag wurden bei einer Veranstaltung im Landratsamt Hildburghausen die Ergebnisse der vorausgegangenen biologischen Untersuchungen vorgestellt. Demnach wurde laut Gutachten kein Juwel (Anm. d. V.: keine naturschutzfachlich geschützte Art) in der benannten Talsperre gefunden. Sollte beim Ablassen allerdings eine geschützte Art entdeckt werden, sollte das Ablassen gestoppt und der Lebensraum erhalten werden.

Am 26. Juni 2011 wurden im Stausee bei einem Restwasserstand von ca. 1,5 Meter mittels Elektrofischerei Teile des Fischbestandes abgefischt. Dabei wurden einige Bitterlinge eingefangen und vom beauftragten Biologen auch eindeutig identifiziert und dokumentiert. Obwohl der Bitterling eine laut Anhang 2 der FFHRichtlinie geschützte Art ist, wurde das Ablassen nicht gestoppt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Bitterlingsvorkommen sind in Thüringen bekannt und wie wird ihre Gefährdungssituation eingeschätzt?

2. Welches sind die Gefährdungsursachen, die für das seltene Vorkommen von Bitterlingen verantwortlich sind?

3. Wie alt waren die im Stausee Haina gefangenen Bitterlinge und wie viele Tiere welchen Geschlechts wurden wohin umgesetzt?

4. Konnten bei der Abfischung Bitterlinge des Jahrgangs 2011 gerettet werden?

5. Wie wird die Überlebensfähigkeit von eventuell in den beim Abfischen geborgenen Muscheln vorhandenen Bitterlingseiern bzw. Jungfischen eingeschätzt?

6. Besteht bei der geringen Lebenserwartung von Bitterlingen eine reelle Chance, dass die umgesetzten Tiere den Bestand langfristig sichern können?

7. Haben die Bitterlinge und deren Nachwuchs das Umsetzen schadlos überstanden?

8. Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um die geretteten Bitterlinge in den Stausee Haina nach der Sanierung zurückführen zu können?

9. Warum wurde das Ablassen nicht gestoppt, als die Bitterlinge gefunden wurden?

10.Als die Bitterlinge gefunden wurden, betrug die Höhe des Wasserstandes noch ca. 1,5 Meter. Hätte dieser Wasserstand ausgereicht, den Lebensraum der Bitterlinge zu erhalten?

11.Wäre von dem Stausee bei einem Wasserstand von 1,5 Meter noch eine deutlich höhere Gefahr ausgegangen als bei völliger Entleerung?

12. Der Stausee Haina übt einen relevanten Einfluss auf das FFH-Gebiet Gleichberge aus. Inwieweit sind in Bezug auf das Ablassen im oben genannten Zeitraum Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt worden oder sind diese eventuell fehlerhaft gewesen?

13.Ist das Vorkommen von Bitterlingen ein hinreichender Grund, den Stausee Haina als für sie geeigneten Lebensraum zu erhalten?

14.In der Broschüre Fische in Thüringen vom Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt (Herausgeber) aus dem Jahr 2004 wird empfohlen, durch Bitterlingsbesatz in einigen geeigneten Speichern im Landkreis Hildburghausen das Vorkommen dieser bedrohten Art in Thüringen zu stabilisieren. Welche Maßnahmen wurden seitdem in dieser Hinsicht ergriffen bzw. sind noch geplant?

15.Erfolgte bzw. erfolgt in diesem Zusammenhang eine Abstimmung mit den Betreibern der Speicher hinsichtlich eventueller Eingriffe im Rahmen notwendiger Sanierungsmaßnahmen?

Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. August 2011 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Das Vorkommen des Bitterlings in Thüringen ist in der vom Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz (TMLFUN) im Jahr 2004 herausgegebenen Broschüre Fische in Thüringen (3. überarbeitete und stark erweiterte Auflage) dokumentiert.

Seither wurden noch folgende weitere Vorkommen festgestellt:

- Pleiße in Nobitz und Windischleuba,

- Sperrgrabenlache im Naturschutzgebiet (NSG) Dankmarshäuser Rhäden.

Trotz dieser neu hinzugekommenen Fundorte ist der Bitterling den Angaben der im Entwurf vorliegenden Roten Liste Fische und Rundmäuler Thüringens, (Arbeitsstand 02/2010) zufolge in die Gefährdungskategorie 1, also als vom Aussterben bedroht, einzustufen.

Zu 2.: Der Bitterling ist für eine erfolgreiche Fortpflanzung an das Vorkommen von Großmuscheln gebunden. Im überwiegenden Teil der für den Bitterling geeigneten Gewässer fehlen jedoch Großmuschelbestände bzw. beschränken sich die Muschelfunde auf meist individuenarme Einzelvorkommen. Somit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung nachhaltiger Bestände nicht gegeben.

Zu 3.: In der Talsperre Haina wurden sieben lebende Bitterlinge gefangen sowie ein totes Tier geborgen. Weitere Bitterlinge, insbesondere Jungtiere, wurden trotz intensiver Suche nicht gefunden.

Die sieben lebend gefangenen Bitterlinge wurden erfolgreich in das Rückhaltebecken (RHB) Römhild umgesetzt.

Eine Geschlechterermittlung wurde nicht vorgenommen, da im Vordergrund das schnelle und sichere Umsetzen der Tiere stand.

Zu 4.: Siehe Ausführungen zu Frage 3.

Zu 5.: Sofern sich in den umgesetzten Muscheln bereits Eier bzw. Larven von Bitterlingen befunden haben, wurden diese mit umgesetzt. Die Muscheln wurden beim Umsetzen feucht gehalten. Somit waren die Eier bzw. Larven beim Umsetzen geschützt und überlebensfähig.

Zu 6.: Da die Tiere mehrere Jahre alt werden können, ist das nicht eine Frage der Lebenserwartung, sondern der Lebensbedingungen im Zielgewässer. Das RHB Römhild wurde auch deshalb als Besatzgewässer ausgewählt, weil die dort vorzufindenden Bedingungen denen in der Talsperre Haina vergleichbar sind. Ob sich die umgesetzten Bitterlinge im RHB Römhild zu einem reproduktiven und nachhaltigen Bestand entwickeln, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden.

Zu 7.: Siehe Ausführungen zu Fragen 3 bis 5.

Zu 8.: Nach der vollständigen Entleerung der Talsperre Haina im Jahr 2006 wurden keine Bitterlinge vom Pächter des Fischereiausübungrechtes in das Gewässer gesetzt. Zum damaligen Zeitpunkt wurde auch kein Bitterlingsvorkommen festgestellt. Die Herkunft der jetzt gefundenen Bitterlinge konnte nicht geklärt werden.

Aus diesem Grund und wegen der Anzahl der vorgefundenen Tiere kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich hier um Tiere aus einem autochthonen Bestand handelt.

Falls sich die in das RHB Römhild eingesetzten Tiere zu einem reproduktiven Bestand entwickeln sollten, ist bei Einhaltung der Bestimmungen des Thüringer Fischereigesetzes in Verbindung mit den Bestimmungen der Thüringer Fischereiverordnung (hier insbesondere die §§ 1 bis 4 sowie des § 8) die Rückführung einer angemessenen Anzahl von Tieren möglich und denkbar.

Anderenfalls kann im Rahmen eines Artenhilfsprojektes Besatz aus einem autochthonen und gesicherten Bestand in Ostthüringen bezogen werden.

Zu 9.: Ein Aussetzen des Ablassvorgangs für den Fall, dass besonders geschützte oder schützenswerte Arten gefunden würden, war nur vorgesehen, falls eine Umsiedlung in andere geeignete Gewässer oder Lebensräume nicht zur Option gestanden hätte und andere Tiere dadurch nicht übermäßig gefährdet worden wären.

Die Ausnahmegenehmigung der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Hildburghausen vom 14. Juni 2011 sah in den Nebenbestimmungen als bevorzugte Maßnahme zur Vermeidung von Schäden an gewässergebundenen, wildlebenden Tieren und Pflanzen eine Umsiedlung in geeignete Gewässer der näheren Umgebung vor. Diese Maßnahme wurde durch den sachverständigen Biologen, der die ökologische Begleitung durchführte, auch für die gefundenen adulten Bitterlinge als geeignet und angemessen beurteilt.

Das trifft insbesondere deshalb zu, weil die Wirtsmuscheln der Bitterlinge bereits überwiegend entnommen oder umgesiedelt waren und die aufnehmenden Gewässer mindestens die gleichen Lebensraumansprüche der Bitterlinge erfüllen wie die, die in der Talsperre Haina herrschten.

Zu 10.: Nein, da zum Zeitpunkt des Entdeckens der Bitterlinge bereits mehr als zwei Drittel des Wasservolumens abgelassen war. Ein Stoppen des Vorgangs hätte aufgrund des geringen Sauerstoffvorrates im verbleibenden Wasser und der erhöhten Sauerstoffzehrung durch das aufgewühlte Sediment und den dichten Fischbesatz innerhalb sehr kurzer Zeit zum Verenden aller verbleibenden, wassergebundenen Tiere geführt. Insofern blieb die Fortsetzung des Ablassvorganges auch nach der Entdeckung der Bitterlinge die einzig sinnvolle Handlungsoption zur Vermeidung von übermäßigen Beeinträchtigungen oder Schädigungen der gewässergebundenen wildlebenden Tiere der Talsperre Haina.

Zu 11.: Ja, da bei einem Teileinstau, unabhängig von der Wassertiefe, der Grundablass geschlossen wäre und sich zusätzlich die mögliche Speicherkapazität des Stauraumes im Hochwasserfall um die verbleibende Wassermenge reduziert. Somit wäre die Nutzung des Grundablasses im Hochwasserfall nur gegeben, wenn die Stauanlage ständig besetzt und gesteuert würde und eine ausreichende Zeit zur Verfügung gestanden hätte, den Teildauerstau im Hochwasserfall vorzuentlasten.

Zu 12.: Die Aussage, dass die Talsperre Haina einen relevanten Einfluss auf das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFHGebiet) Gleichberge ausübt, trifft im Grundsatz nicht zu, da im Standarddatenbogen zum FFH-Gebiet Nr. 117 Gleichberge weder ein entsprechender Lebensraumtyp genannt wird noch bei den allgemeinen Gebietsmerkmalen Angaben zu Binnengewässern verzeichnet sind. Im Standarddatenbogen ist der Bitterling nicht aufgeführt.

Vor dem Beginn der gab es zwischen der Thüringer Fernwasserversorgung und der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamtes Hildburghausen. Die naturschutzfachlich und -rechtlich relevanten Sachverhalte wurden in diesem Rahmen erörtert. Dies beinhaltete sowohl die FFH-Erheblichkeitsabschätzung als auch die Prüfung der artenschutzrechtlichen Situation sowie des Vorliegens von Biotopen nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz. Im Ergebnis dessen ist davon auszugehen, dass keine grundlegenden Bedenken der unteren Naturschutzbehörde als zuständige Behörde gegen die wasserwirtschaftlichen Vorhaben bzw. Anordnungen bestanden. Die Notwendigkeit einer Verträglichkeitsprüfung im Ergebnis der Erheblichkeitsabschätzung wurde seitens der zuständigen unteren Naturschutzbehörde offenbar nicht gesehen. Bezüglich der im Standarddatenbogen benannten Arten wurden Festlegungen zur Sicherung eventueller Vorkommen getroffen.

Unabhängig hiervon wurden die erforderlichen fischereirechtlichen Genehmigungen zum Umsetzen der den §§ 1 bis 3 der Thüringer Fischereiverordnung unterliegenden Fisch-, Krebs- und Muschelarten eingeholt.

Zu 13.: Das Vorkommen des Bitterlings (Anhang II der FFH-Richtlinie) in der Talsperre Haina war bis zur in Rede stehenden Feststellung beim Ablassen des Gewässers sowohl der Fischerei- als auch der Naturschutzverwaltung nicht bekannt. Die aktuelle Veröffentlichung in der Publikation Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen Nr. 48 (1), S. 11, enthält hierzu auch keine Hinweise.

Da, wie oben bereits ausgeführt, keine Population mit erfolgreicher Vermehrung nachweisbar war, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden, ob die Talsperre Haina tatsächlich einen geeigneten Lebensraum für den Bitterling darstellt.

Zu 14.: Für den Bitterling wurde in Thüringen bisher kein wissenschaftlich begleitetes Artenhilfsprogramm durchgeführt.

Zu 15.: Erforderliche und planbare Sanierungsmaßnahmen der Betreiber von Stauanlagen, die möglicherweise zur Beeinträchtigung von wildlebenden Pflanzen oder Tieren führen können, werden den zuständigen Wasser-, Naturschutz- und Forstbehörden zum Beginn der Planungsphase angezeigt. Sofern Genehmigungen erforderlich sind, werden die zuständigen Behörden und Träger öffentlicher Belange im Genehmigungsverfahren beteiligt.

Zur Abwehr von Gefahren, die von Stauanlagen für das Wohl der Allgemeinheit ausgehen, können jedoch dringende Maßnahmen geboten sein, die zu unvermeidbaren Schädigungen oder Beeinträchtigungen des lokalen Naturhaushaltes beziehungsweise von lokalen Vorkommen geschützter Arten führen. Dies trifft in der Abwägung insbesondere dann zu, wenn eine erhebliche potenzielle Gefahr für die Gesundheit oder das Leben von Bürgern festgestellt wird.