Lobbyismusprobleme

Nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage 1236 des Unterzeichners mit dem Titel Lobbyismusprobleme in Thüringen durch die Landesregierung in Drucksache 5/2749 sind hinsichtlich des strukturellen Vorgehens der Landesregierung und einer etwaigen Auswahl der Informationen nach Ansicht des Fragestellers noch Fragen offen und Problemstellungen ungeklärt. So fällt in der Beantwortung zu Frage 2 (Beraterverträge) auf, dass offensichtlich hinsichtlich der Aktivitäten zur Einführung von E-Government in Thüringen zahlreiche Verträge abgeschlossen wurden. Aus der Antwort auf Frage 2 in der Kleinen Anfrage lässt sich schließen, dass das Projekt offensichtlich in mehrere Umsetzungsetappen aufgeteilt wurde. Aus dem 7. Tätigkeitsbericht des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz ergibt sich, dass im Jahr 2006 der Projekt-Vertrag mit dem Generalunternehmer wegen größerer zeitlicher Verzögerungen vom Thüringer Finanzministerium gekündigt wurde. Das Projekt - z. B. Errichtung des Serviceportals - war 2007 noch nicht abgeschlossen (vgl. S. 116 des Berichts).

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter Hinzuziehung welcher Institutionen und Einzelpersonen wurde das Projekt thegov zur Einführung des E-Governments in Thüringen von welchen öffentlichen Stellen unter Verwendung von Finanzmitteln in welcher Höhe in Thüringen konzipiert und umgesetzt?

2. Wer hat nach welchen Kriterien entschieden, für welche Planungs- und Umsetzungskomponenten externer Sach- und Fachverstand für das unter Frage 1 genannte Projekt herangezogen wird?

3. War das Modell Generalunternehmer für das Projekt thegov von Anfang an vorgesehen und welche Gründe gab es gegebenenfalls dafür? Welches Unternehmen wurde als Generalunternehmen beauftragt und welche Subunternehmer bzw. Einzelpersonen wurden nach Kenntnis der Landesregierung vom Generalunternehmer herangezogen? Welche Zusicherungen musste der Generalunternehmer nach Kenntnis der Landesregierung hinsichtlich der Subunternehmen und Einzelpersonen geben?

4. Wann und auf Grundlage welcher Ausschreibungen fanden die Vergaben der Umsetzungsetappen von thegov statt bzw. wann erfolgten die Vertragsabschlüsse (bitte Inhalt Verträge soweit wie möglich wiedergeben, insbesondere hinsichtlich der jeweiligen Arbeitsinhalte und der fachlichen und logistischen Anforderungen/Standards an das Bewerber-Unternehmen)?

5. Wann waren diese Umsetzungsetappen jeweils abgeschlossen bzw. wann hätten diese laut Ausschreibung/Vertrag abgeschlossen sein müssen? Welches Finanzvolumen hatten die Verträge jeweils? In welcher Weise und mit welchem Ergebnis wurde die Umsetzung des Projekts - gegebenenfalls auch nur teilweise - abgeschlossen bzw. warum gegebenenfalls nicht abgeschlossen?

6. Welche Gründe lassen sich für welche Art Schwierigkeiten (Verzögerungen usw.) bei der Umsetzung des thegov-Projekts benennen? Welche (finanziellen) Schäden sind dem Land aus den Problemen bei der Durchführung des Projekts entstanden? In welcher Form und in welchem Umfang hat das Land beim Generalunternehmer gegebenenfalls Schadensersatz- bzw. Regressansprüche geltend gemacht? Welche Beanstandungen/Handlungsempfehlungen des Thüringer Rechnungshofs gab es hinsichtlich des Projekts thegov und seiner Umsetzung?

7. Gab es vor den Zuschlägen in den Vergabeverfahren bzw. vor den Vertragsabschlüssen mit dem Generalunternehmer des Projekts thegov noch andere Vergaben bzw. Vertragsabschlüsse (bitte Zeitpunkt, Aufgabenstellungen und finanziellen Umfang benennen)? Zu welchen Unregelmäßigkeiten war es gegebenenfalls bei der Vertragsabwicklung gekommen? Zu welchen Zuschlägen bzw. Vertragsabschlüssen ist es gegebenenfalls mit dem Generalunternehmer des thegov-Projekts nach Kündigung des Generalvertrages noch gekommen - insbesondere, gab es dabei Unregelmäßigkeiten?

Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. August 2011 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Zur Beantwortung wird auf die beigefügte Anlage verwiesen.

Zu 2.: Die Landesregierung hat im Jahr 2001 mit dem Rahmenkonzept Moderne Verwaltung in Deutschlands starker Mitte eine schlanke und effiziente Organisation des Modernisierungsprozesses beschrieben, um dem Interesse an einer straff und zügig durchzuführenden Verwaltungsreform gerecht zu werden. In der zur Umsetzung dieses Konzepts gebildeten interministeriellen Arbeitsgruppe fünf Electronic Government wurden die Inhalte des dem Projekt zugrundeliegenden Konzepts für e-Government im Freistaat Thüringen abgestimmt und die vom Thüringer Innenministerium federführend in einem Realisierungskonzept erarbeiteten sowie zur Umsetzung vorgeschlagenen Maßnahmen begleitet. Die Landesverwaltung wendet bei solchen Entscheidungen die Richtlinie zum wirtschaftlichen Einsatz von Haushaltsmitteln für die Vergabe von Gutachten, Studien, Forschungsaufträgen und ähnlichen Werkverträgen vom 6. Februar 2001 an. Im Übrigen wird nach § 7 der Thüringer Landeshaushaltsordnung und den zugehörigen Verwaltungsvorschriften verfahren.

Zu 3.: Die Verdingungsunterlagen enthalten keine Eingrenzung auf das Modell Generalunternehmer. So wurden u.a. auch ausdrücklich Bietergemeinschaften zugelassen. Im Angebot des späteren Auftragnehmers wurde ausgeführt, dass sich Technologieführer und führende Dienstleister im öffentlichen Bereich im Rahmen von Kooperationen als Partner gefunden haben, die einer Landesverwaltung eine hohe Sicherheit in der Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen bieten können. In diesem Sinn haben die Industriepartner T-Systems GEI ORACLE Deutschland Fujitsu Siemens Computers und PDV Systeme gemeinsam über den Systemintegrator T-Systems GEI der als Generalunternehmer alle Leistungen bündelt, dem Freistaat ihre Leistungen angeboten. Nach der Vertragsergänzung vom 31. Januar 2006 wurden zu den bereits genannten Unterauftragnehmern, die Firmen TELEPORT bremen online services & Co KG, graphische Informationstechnik Beratungsgesellschaft (grit) und FJD Information Technologies AG hinzugezogen. Nach den Verdingungsunterlagen war gefordert, dass der Bieter den Umfang der Übertragung von Leistungen an Unterauftragnehmer darstellt und insbesondere KMU aus der Region berücksichtigt.

Zu 4.: Das Vergabeverfahren der Ausschreibung gemäß den nationalen Vorschriften der VOL/A kam im Vorfeld der Beauftragungen im Zusammenhang mit dem Projekt nicht zur Anwendung. Der Generalunternehmer wurde im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Vergabebekanntmachung und Teilnahmewettbewerb ermittelt. Im Übrigen wird auf die beigefügte Anlage verwiesen.

Zu 5.: Zur Beantwortung wird auf die beigefügte Anlage verwiesen. Das Projekt ist mit dem Ende des Vertrages zwischen dem Generalunternehmer und dem Freistaat beendet worden. Auf den bis dahin realisierten technischen und konzeptionellen Teilschritten wurden andere E-Government-Projekte, insbesondere das Thüringer Serviceportal aufgebaut.

Zu 6.: Gegenüber der ursprünglichen Zeitplanung hatte das Projekt im Sommer 2006 einen erheblichen Verzug in der Realisierung. Über die Verantwortung bestanden zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen. Einvernehmen bestand darin, das Projekt nicht mehr gemeinsam fortsetzen zu wollen. Die Vereinbarung über die Trennung vom Vertragspartner für die Umsetzung des Projektes und die damit verbundenen Auswirkungen auch finanzieller Art unterliegen einer Geheimhaltungsvereinbarung. Daher sind Auskünfte nur im Rahmen einer persönlichen Einsichtnahme oder in nicht-öffentlicher Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses möglich, wie dies bereits in der Sitzung vom 9. November 2006 zu diesem Thema geschehen ist. Beanstandungen oder Handlungsempfehlungen des Thüringer Rechnungshofs hinsichtlich des Projekts und seiner Umsetzung liegen der Landesregierung nicht vor.

Zu 7.: Zur Beantwortung wird auf die beigefügte Anlage verwiesen. Darüber hinaus bestanden und bestehen zwischen dem Freistaat Thüringen und dem Konzern Deutsche Telekom AG vielfältige und zahlreichen Vertragsbeziehungen im Telekommunikations- und IT-Umfeld. Eine Aufzählung und Recherche aller Einzelverträge mit dem Telekom Konzern seit dem Jahr 1991 bis heute ist im Rahmen einer Kleinen Anfrage nicht leistbar, so dass hier allein auf Verträge mit konkretem Bezug auf die E-Government-Entwicklung in Thüringen mit hohem Auftragsvolumen abgestellt wird.

So wurden vor den Vertragsabschlüssen zum Projekt mit der Konzerntochter T-Systems Monopolverträge für Kommunikationsleistungen im Bereich Datenverkehr und Sprache abgeschlossen. Bereits am 28. März 1996 wurde ein Rahmenvertrag über die Errichtung und Bereitstellung der Landeskommunikationsnetzes geschlossen mit einem monatlichen Volumen von ca. 137 000 Deutschen Mark. Dieser Vertrag wurde in den Folgejahren mehrfach ergänzt und angepasst, um den geänderten technischen Anforderungen und dem gestiegenen Bedarf Rechnung zu tragen. Im Jahr 2010 wurden für die Bereitstellung des Landesdatennetzes ca. 7.3 Millionen Euro aufgewendet. Am 24. September 1998 wurde ein zentraler Rahmenvertrag für die Telefonverbindungen abgeschlossen und in den Jahren 1999, 2000, 2003 und 2008 angepasst. Im Jahr 2010 wurden ca. 2,3 Millionen Euro für die Telefonverbindungen der Landeseinrichtungen aufgewendet. Daneben wurde am 7. Oktober 1998 ein Rahmenvertrag über das Telekom Designed Network TESTA-Plattform Deutschland für die öffentliche Verwaltung im Projekt TESTA Europa geschlossen. Dies betrifft das Datennetz zum sicheren Austausch von Daten zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Mit der Beendigung des TESTA-Netzes ist der Freistaat am 8. Juli 2009 der Rahmenvereinbarung von Deutschland online Infrastruktur e.V. (DOI) mit der Konzerntochter T-Systems beigetreten und nutzt somit das neue DOI-Netz als Kopplungsnetz zwischen Bund und Ländern mit einem vergleichbaren finanziellen Volumen von ca. 50 000 Euro im Jahr. Am 21. März 2001 wurde zwischen dem Freistaat und der Deutschen Telekom AG die Erarbeitung eines produktneutralen, technologischen Umsetzungskonzepts für das PPP-Projekt e-Government mit einem voraussichtlichen Volumen von ca. 35 000 Euro vereinbart. In der Zeit vom Dezember 2002 bis März 2007 wurde mit Hilfe der Konzerntochter T-Systems das der Polizei zur Unterstützung der Beschaffungsvorgänge und der Inventarisierung entwickelt. Die Kosten dafür belaufen sich auf ca. 1,6 Millionen Euro. Kürzlich, am 1. April 2011, wurde der Konzerntochter T-Systems der Zuschlag für die Einrichtung der neuen VPN-Einwahllösung erteilt. Auf dieser Grundlage können mobile Datengeräte, wie Laptops oder Heimarbeitsplätze, zeitgemäß sicher an das Landesdatennetz angeschlossen werden.

Unregelmäßigkeiten im Sinne einer nicht rechtskonformen Vertragsabwicklung sind in keinem Fall bekannt geworden.