Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit ist deren Qualität und Akzeptanz ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor
Juli 2011 hat folgenden Wortlaut:
Für viele Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist es wichtig, dass eine gut funktionierende Justiz vorhanden ist. So hängt das Sicherheitsempfinden der Bürger wesentlich davon ab, dass ein Vertrauen in eine effektive Strafverfolgung und einen sinnvollen und angemessenen Strafvollzug besteht. Strafverfolgung und Strafvollzug sind außerdem Bereiche, in denen die Justiz einen wesentlichen Beitrag zum Bevölkerungsschutz leisten und durch erfolgreiche Resozialisierung Straftätern wieder die Chance geben kann, sich auf wertvolle Weise in die Gesellschaft einzubringen.
Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit ist deren Qualität und Akzeptanz ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor. Auch unter der Bevölkerung trägt eine gute Abwicklung von Zivilstreitigkeiten wesentlich zum Rechtsfrieden bei. Gleiches gilt für effektive Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürger im öffentlichen Bereich.
Eine hohe Qualität in der Justiz zu gewährleisten, auch in Zeiten finanziell angespannter Situationen, muss daher das Ziel der Justizpolitik des Landes sein. Einen Überblick darüber zu erhalten, in welcher Art und Weise dies in der Justiz in Thüringen umgesetzt wird, ist daher ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des Erfolgs der Arbeit in der Landespolitik.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie hat sich die Geschäftsbelastung in Thüringen seit 2004 (aufgeschlüsselt nach Eingängen und Erledigungen) bei den ordentlichen Gerichten (aufgegliedert nach Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgericht in Zivil- und Strafverfahren sowie Verfahren vor Familiengerichten) entwickelt?
2. Wie hat sich die Geschäftsbelastung in Thüringen seit 2004 (aufgeschlüsselt nach Eingängen und Erledigungen) bei den Staatsanwaltschaften und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelt (bitte getrennt aufführen)?
3. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei Richtern, Staatsanwälten und Gerichtsvollziehern seit 2004 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (aufgeschlüsselt in den zivil- und strafverfahrensrechtlichen Bereich) - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern - bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
4. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei den Staatsanwälten seit 2004 in den Staatsanwaltschaften - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern - bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
5. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei den Richtern seit 2004 in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern
- bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
6. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei den Richtern seit 2004 in der Sozialgerichtsbarkeit - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern - bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
7. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei den Richtern seit 2004 in der Finanzgerichtsbarkeit - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern - bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
8. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei den Richtern seit 2004 in der Arbeitsgerichtsbarkeit - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern - bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
9. Wie haben sich in Thüringen der Personalbestand und die durchschnittliche Arbeitsbelastung bei Richtern und Staatsanwälten seit 2004 bei Ordnungswidrigkeitsverfahren - auch im Vergleich zu den anderen Bundesländern - bezogen auf 1 000 Einwohner entwickelt?
10.Wie stellt sich die Verfahrensdauer in Thüringen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivil-, Strafverfahren und Verfahren vor Familiengerichten) seit 2004 im Vergleich zu anderen Bundesländern dar?
11.Wie stellt sich die Verfahrensdauer in Thüringen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit seit 2004 im Vergleich zu anderen Bundesländern dar?
Die Entwicklung des Geschäftsanfalls seit dem Jahre 2004 ist in der Anlage aufgeschlüsselt nach Neuzugängen und Erledigungen zusammengestellt.
Der Geschäftsanfall im Bereich der Zivil- und Strafsachen ist seit dem Jahr 2004 deutlich zurückgegangen.
Anders stellt sich die Situation aktuell im Bereich der Familiengerichte dar. Der Geschäftsanfall hat sich im Vergleich zum Jahr 2004 erhöht, weil es infolge des Inkrafttretens des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu Zuständigkeitserweiterungen der Familiengerichte kam. Die Familiengerichte sind seit dem 1. September 2009 auch für Vormundschaften, Adoptionsverfahren und alle aus der Ehe herrührenden vermögensrechtlichen Streitigkeiten zuständig.
Zum 1. September 2009 wurde mit dem Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs auch der Versorgungsausgleich ganz wesentlich reformiert. Insbesondere die Übergangsvorschriften des Reformwerks sind von nicht unerheblicher Bedeutung für die aktuelle Entwicklung. So regelt u. a. § 50 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz, dass die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Versorgungsausgleichs-Überleitungsgesetzes ausgesetzten Verfahren von Amts wegen bis spätestens zum 1. September 2014 wieder aufgenommen werden sollen. Ursache für die ausstehende Klärung des Versorgungsausgleichs in zahlreichen Verfahren waren Besonderheiten in den neuen Bundesländern, die bislang eine Entscheidung verhindert haben. Insbesondere in den Verfahren, in denen Ehegatten Ost- und Westanwartschaften erworben hatten, konnte keine Klärung des Versorgungsausgleichs erfolgen und mussten seit 1992 entsprechende Verfahren ausgesetzt werden. Die genaue Zahl der Verfahren ist nicht bekannt. Aus dem Ergebnis von Probezählungen muss damit gerechnet werden, dass es sich bei den Thüringer Amtsgerichten um insgesamt etwa 30 000
Verfahren handelt, die nunmehr wieder aufgenommen und erledigt werden müssen.
Zu 2.: Die Entwicklung des Geschäftsanfalls seit dem Jahre 2004 ist in der Anlage aufgeschlüsselt nach Neuzugängen und Erledigungen zusammengestellt. Die Zahl der Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften ist seit dem Jahre 2004 um etwa 18,4 Prozent zurückgegangen.
Im Bereich der Verwaltungsgerichte kam es seit 2004 zu einem deutlichen Rückgang des Geschäftsanfalls.
Die Zahl der Neuzugänge an Hauptsacheverfahren vor den Verwaltungsgerichten hat sich fast halbiert. Im Bereich des Thüringer Oberverwaltungsgerichts waren hingegen Zuwächse zu verzeichnen. Die Zahl der Hauptsacheverfahren in der zweiten Instanz stieg im Jahr 2010 im Vergleich zum Jahr 2004 um etwa 32,4 Prozente. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Eingangszahlen in den Vergleichsjahren stark variieren.
Zu 3.: Die Entwicklung des Personalbestandes und die durchschnittliche Eingangsbelastung sind in der Anlage zusammengefasst.
Hinsichtlich der erbetenen Aufschlüsselung auf 1 000 Einwohner ist anzumerken, dass es keinen empirischen Befund gibt, wonach es pro 1 000 Einwohner einen feststehenden konkreten Geschäftsanfall an richterlicher Tätigkeit in der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder bei den Staatsanwaltschaften gibt.
Die Eingangsbelastung pro Richter bzw. Staatsanwalt ergibt sich aus den im jeweiligen Geschäftsjahr tatsächlich eingesetzten richterlichen Arbeitskraftanteilen in einem Gebiet und folgt mittelbar den richterlichen Geschäftsverteilungsplänen.
Die Zahlen belegen, dass die Eingangsbelastung in Thüringen ganz überwiegend geringer ist als im Bundesdurchschnitt.
Hinsichtlich der Gerichtsvollzieher findet keine statistische Erhebung zur Personalverwendung für einzelne Tätigkeiten des Gerichtsvollziehers statt. Hinsichtlich der Geschäftstätigkeit wird jährlich eine Übersicht über die Geschäftstätigkeit der Gerichtsvollzieher in der deutschen Gerichtsvollzieherzeitung (DGVZ) veröffentlicht, die die Daten sämtlicher Bundesländer umfasst. Auf die frei zugänglichen Veröffentlichungen (DGVZ 2004 bis 2009, jeweils Heft Nr. 9) wird Bezug genommen.
Zu 4.: Die Entwicklung des Personalbestandes und die durchschnittliche Eingangsbelastung der Staatsanwälte (einschließlich Amtsanwälte) sind in der Anlage zusammengefasst.
Hinsichtlich der erbetenen Aufschlüsselung auf 1 000 Einwohner ist anzumerken, dass es keinen empirischen Befund gibt, wonach es pro 1 000 Einwohner einen feststehenden konkreten Geschäftsanfall für staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gibt.
Die Eingangsbelastung ist seit 2004 zurückgegangen. Ein Vergleich mit den übrigen Bundesländern ist nur eingeschränkt möglich, da in den einzelnen Bundesländern in einem sehr unterschiedlichen Umfang Amtsanwälte zur Erledigung von staatsanwaltschaftlichen Aufgaben eingesetzt werden. In Thüringen sind bei allen Staatsanwaltschaften insgesamt nur elf Amtsanwälte im Einsatz. Verfahren, die in anderen Bundesländern von Amtsanwälten bearbeitet werden, werden in Thüringen von Staatsanwälten erledigt.
Zu 5.: Die Entwicklung des Personalbestandes und die durchschnittliche Eingangsbelastung in der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind in der Anlage mit den verfügbaren Zahlen zusammengefasst.
Hinsichtlich der erbetenen Aufschlüsselung auf 1 000 Einwohner ist anzumerken, dass es keinen empirischen Befund gibt, wonach es pro 1 000 Einwohner einen feststehenden konkreten Geschäftsanfall an richterlicher Tätigkeit in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt.