Windhundprinzip

In der 68. Plenarsitzung der 5. Legislaturperiode äußerte sich Staatssekretär Staschewski zur Vergabe von Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zum Zwecke der einzelbetrieblichen Förderung sinngemäß wie folgt: Wir vergeben keine Mittel nach dem Windhundprinzip.

Ich frage die Landesregierung:

1. Was versteht die Landesregierung unter einer Mittelvergabe nach dem sogenannten Windhundprinzip und wie beurteilt und begründet sie eine solche Praxis?

2. Nach welchen Kriterien und/oder Prinzipien wurden Mittel aus der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe für die Jahre 2010 und 2011 vor dem 1. April 2011 vergeben?

3. Nach welchen Kriterien und/oder Prinzipien wurden Mittel aus der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe für das Jahr 2011 zwischen dem 1. April und 31. August 2011 vergeben?

4. Nach welchen Kriterien und/oder Prinzipien wurden Mittel aus der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe für das Jahr 2011 ab dem 1. September 2011 bislang vergeben?

5. Kann nach Einschätzung der Landesregierung von einem sogenannten Windhundprinzip gesprochen werden, wenn Anträge für die Mittelvergabe der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe in den Jahren 2009 und 2010 nach Eingang der Anträge geprüft und bewilligt worden sind (d.h., wenn ein Antrag, der im Frühjahr 2010 gestellt wurde, vor einem Antrag bewilligt wird, der im Herbst 2010 gestellt wurde) und wie begründet die Landesregierung ihre diesbezügliche Einschätzung?

6. Inwiefern schätzt die Landesregierung ihre Bewilligungspraxis von aus der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe in den Jahren 2009 und 2010 als sogenanntes Windhundprinzip ein und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

7. Inwiefern hat die Landesregierung sichergestellt, dass Mittel aus der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe vor dem 1. April 2011 nicht nach Eingangsdatum der Anträge bearbeitet worden, um einer Vergabe nach dem sogenannten Windhundprinzip zu entgehen und wie begründet die Landesregierung ihre diesbezügliche Auffassung?

8. Inwiefern sieht die Landesregierung die Selbstbindung der Verwaltung unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 Grundgesetz gewahrt, wenn eine Mittelvergabe der eingangs genannten Gemeinschaftsaufgabe im Jahre 2010 nach Eingangsdatum und erfolgter Prüfung vergeben wurde, jedoch Anträge aus dem Jahre 2010 im Jahre 2011 nach anderen Kriterien (sog. Priorisierungsverfahren) bewilligt werden, wenn für diese Anträge keine Änderung der Rechtslage vorliegt und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

9. Welchem Prinzip unterwirft sich die Landesregierung allgemein bei der Vergabe von Fördermitteln, inwiefern strebt sie eine einheitliche Vergabepraxis an und wie begründet sie ihre diesbezügliche Auffassung?

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 28. November 2011 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Unter Mittelvergabe nach dem Windhundprinzip können 2 Ansätze verstanden werden:

1. die Reihenfolge der Vergabe von Fördermitteln richtet sich nach der Reihenfolge der Antragstellung,

2. die Reihenfolge der Vergabe von Fördermitteln richtet sich nach dem Zeitpunkt der Vervollständigung der Förderanträge.

In beiden Fällen dient das sog. Windhundprinzip der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens.

Zu 2.: Die Mittelvergabe in den Jahren 2010 und 2011 vor dem 1. April erfolgte nach den Vorgaben der jeweils anwendbaren GRW-Richtlinie. Die Reihenfolge der Bewilligung richtete sich dabei nach dem Zeitpunkt der Antragsvervollständigung.

Zu 3.: Die Bewilligung der für das Jahr 2011 vorgesehenen Mittel aus der einzelbetrieblichen GRW erfolgte auch zwischen dem 1. April und dem 31. August 2011 nach den Regelungen der auf den jeweiligen Antrag anwendbaren GRW-Richtlinie. Die Reihenfolge der Bewilligung richtete sich dabei bis zum 30. April 2011 nach dem Zeitpunkt der Antragsvervollständigung.

Nach diesem Zeitpunkt wurde ein Priorisierungsverfahren eingeführt, bei dem neben den Bewilligungsvoraussetzungen der GRW-Richtlinie ein zusätzliches Kriterium Zuschussbedarf je neuen Dauerarbeits-/bzw. Ausbildungsplatz für die Bestimmung der Reihenfolge der Bewilligung vollständiger Anträge herangezogen wurde. Die Bestimmung der Reihenfolge zur Bewilligung vollständiger Anträge richtete sich nach dem günstigsten Verhältnis zwischen beantragtem Zuschuss und den beabsichtigten neu zu schaffenden Dauerarbeits-/bzw. Ausbildungsplätzen.

Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

Zu 5.: Ja, hierbei handelt es sich um ein sog. Windhundverfahren im Sinne des 1. Ansatzes des in der Antwort zu Frage 1 dargelegten Verständnisses.

Zu 6.: In den Jahren 2009 und 2010 wurden GRW-Anträge, die den Voraussetzungen der jeweils geltenden GRWRichtlinie entsprachen, in der Reihenfolge ihrer Vervollständigung bewilligt.

Zu 7.: Wie bereits in Antwort auf Frage 2 dargelegt, wurde aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bis zum 30. April 2011 das sog. Windhundverfahren gemäß des 2. Ansatzes in Antwort auf Frage 1 angewandt.

Dies resultierte daraus, dass in den zurückliegenden Jahren die verfügbaren Fördermittel zu dem beantragten Zuschussvolumen in einem deutlich günstigeren Verhältnis standen.

Zu 8.: Die Vergabepraxis im Rahmen der einzelbetrieblichen GRW-Förderung ist und war stets mit dem Gleichheitssatz des Artikels 3 Grundgesetz vereinbar. Dieser garantiert allen Antragstellern eine Gleichbehandlung mit Wettbewerbern. So ist die Verwaltung verpflichtet, soweit sich eine Verwaltungspraxis gebildet hat, tatsächlich gleiche Fälle auch rechtlich gleich zu behandeln.

Dabei bleibt eine allgemeine Änderung der Verwaltungspraxis immer möglich. Eine solche allgemeine Änderung der Verwaltungspraxis hat mit der Einführung des Priorisierungsverfahrens stattgefunden. Das gewählte Konzept, nach dem sich die Reihenfolge der Bewilligungen richtet, garantiert eine rechtliche Gleichbehandlung von tatsächlich Gleichem. Die Priorisierungskriterien ermöglichen nämlich eine sachlich fundierte Differenzierung zwischen den zur Förderung beantragten Vorhaben.

Dabei ist es unerheblich, ob die GRW-Richtlinie geändert wurde, oder die Förderpraxis unterhalb der Richtlinie angepasst wurde, wenn im Ergebnis alle Antragsteller gleich behandelt wurden. Mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist auch, dass das neue Verfahren auch auf bereits vorliegende Anträge angewendet wurde.

Maßgeblich für die Einhaltung des Gleichheitssatzes ist nämlich der Zeitpunkt der Bewilligung.

Zu 9.: Fördermittel werden entsprechend dem Zweck des jeweiligen Fördertatbestandes, der Mittelausstattung und gemäß den in der Thüringer Landeshaushaltsordnung §§ 23, 44) sowie den entsprechenden Verwaltungsvorschriften zur Thüringer Landeshaushaltsordnung verankerten Haushaltsgrundsätzen vergeben. Dies gewährleistet eine einheitliche Förderpraxis und trägt dem Gleichheitssatz des Artikels 3

Grundgesetz Rechnung.