Dauer der Asyl- und Aufenthaltsverfahren in Thüringen
Mit dem Zuwanderungsgesetz 2005 wurde das Amt des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Rechtsgrundlage § 6Asylverfahrensgesetz alte Fassung) abgeschafft. Durch § (neue Fassung) ist geregelt, dass der Bundesbeauftragte in Verfahren, die vor dem 1. September 2004 anhängig geworden sind, auf der Grundlage des § 6 (alte Fassung) weiter tätig sein kann.
Die Betroffenen berichten über zu lange andauernde Asylverfahren, die sich teilweise über Jahre hinweg erstrecken können. Erst kürzlich hat ein Asylsuchender im Saale-Orla-Kreis durch einen Hungerstreik auf diese Problematik hingewiesen. Dabei handelt es sich um anerkannte Flüchtlinge nach Artikel 16 a Grundgesetz oder § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz, deren Anerkennung durch das Wirken des Bundesbeauftragten nicht rechtskräftig geworden ist und deren Verfahren noch anhängig sind. Damit werden ihnen wesentliche Integrationsleistungen (Zugang zu Sprachkursen, Arbeitsmarkt, Ausbildung und Studium etc.) für die gesamte Verfahrensdauer verweigert bzw. erheblich erschwert.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele laufende Asylverfahren sind in Thüringen bei den Verwaltungsgerichten und dem Thüringer Oberverwaltungsgericht anhängig, in denen der Bundesbeauftragte auf der Grundlage des § 87b verfahrensbeteiligt ist?
2. Welche Personen, deren Flüchtlingsanerkennung nicht rechtskräftig geworden sind, sind davon in Thüringen betroffen (nach Herkunftsland, Geschlecht und den Altersstufen 0-6 Jahren, 7-14 Jahren, 15-18 Jahren und über 18 Jahren aufschlüsseln)?
3. Seit wann sind diese Verfahren anhängig (bitte je nach Fall aufschlüsseln in Jahren nach: Beginn des Asylverfahrens, Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge [positiv/negativ], Entscheidung des Verwaltungsgerichtes [positiv/negativ], Zeitpunkt des Rechtsmitteleingangs beim Oberverwaltungsgericht/anderen höheren Gerichten [Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde ja/nein])?
4. In wie vielen Fällen nach Frage 1 hat der Bundesbeauftragte die Rechtskräftigkeit einer Flüchtlingsanerkennung (durch Bundesamt oder Gerichte) nach dem 1. September 2004 verhindert?
5. Seit wann sind die Verfahren beim Oberverwaltungsgericht Thüringen anhängig und in welchem Entscheidungsstatus befinden sich die Verfahren (Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde - ja/ nein)?
6. Welche Maßnahmen werden vorgeschlagen, um die Dauer der Asylanerkennungsverfahren in diesen Fällen im Freistaat von Seiten des Landes zu beschleunigen?
7. Wie bewertet die Landesregierung eine Bleiberechtsregelung, die bei lange andauernden Asylverfahren, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern ein individuelles Bleiberecht verschafft, so dass diese nicht mehr abgeschoben werden können, selbst wenn ihr Asylantrag abgelehnt wird?
Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 wie folgt beantwortet:
Zu 1.: Bei den Verwaltungsgerichten ist noch ein Asylverfahren anhängig, an dem der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten auf der Grundlage des § 87b beteiligt ist.
Beim Thüringer Oberverwaltungsgericht sind insgesamt noch 28 derartige Asylverfahren anhängig (acht Anträge auf Zulassung der Berufung und 20 Berufungsverfahren).
Zu 3.: Diese Frage lässt sich mit vertretbarem Aufwand nur teilweise beantworten.
Das beim Verwaltungsgericht Meiningen anhängige Verfahren ist im Dezember 2009 durch Abtrennung von einem anderen Verfahren entstanden. Das Ursprungsverfahren befindet sich seit 2010 in der zweiten Instanz.
Von dem beim Thüringer Oberverwaltungsgericht anhängigen acht Anträgen auf Zulassung der Berufung ist einer im Jahr 2006 und einer im Jahr 2010 eingegangen; sechs Anträge sind im Jahr 2008 beim Thüringer Oberverwaltungsgericht eingegangen.
Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat 2008 in einem, 2009 in 16, 2010 in zwei sowie 2011 in einem Verfahren die Berufung zugelassen.
In diesen Fällen waren die zugrunde liegenden Anträge auf Zulassung der Berufung wie folgt beim Thüringer Oberverwaltungsgericht anhängig: ein Verfahren seit 2003, ein Verfahren seit 2006, 15 Verfahren seit 2007, ein Verfahren seit 2008 sowie zwei Verfahren seit 2009.
Zu 4.: Der Bundesbeauftragte ist in dem beim Thüringer Oberverwaltungsgericht noch anhängigen 20 Fällen Rechtsmittelführer.
Zu 5.: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.
Zu 6.: Von Seiten des Landes wird auch weiterhin dafür gesorgt, dass die Rahmenbedingungen bei den Thüringer Gerichten so gestaltet sind, dass gerichtliche Verfahren schnellstmöglich bearbeitet werden können. Dies heißt in erster Linie, dass die Ausstattung der Gerichte in technischer und personeller Hinsicht auch künftig ausreichend bemessen sein wird.
Einen direkten Einfluss auf die konkrete Verfahrensgestaltung und damit auch auf die Verfahrensdauer hat die Landesregierung damit allerdings nicht. Dies folgt aus dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, der in Artikel 86 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen und Artikel 97 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt ist.
Zu 7.: Eine Bleiberechtsregelung, die ausschließlich auf die Dauer des Aufenthalts abstellt, kommt für die Landesregierung nicht in Betracht.