Mineralwollewerk Bad Berka

Die Bürger der Gemeinde Bergern fühlen sich durch den Betrieb des Mineralwollewerkes Bad Berka stark beeinträchtigt. Das Werk, das bereits zu DDR-Zeiten die Bürger der umliegenden Gemeinden belastete, stellt phenolgebundene Mineralwolle her und erzeugt durch Ausgasungen erhebliche Belastungen des Umfeldes.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist die in Bad Berka betriebene Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigungsbedürftig?

2. Entspricht der technische Stand dieser Anlage den Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der Vierten Bundes-Immissionsschutzverordnung?

3. Wurden seit 1989 an der Anlage zur Herstellung von mineralischer Wolle technische Veränderungen vorgenommen?

4. Wurden zu den Auswirkungen der Emissionen des Mineralwollewerkes Gutachten angefertigt, wenn ja, welche Ergebnisse zeigen diese?

5. Welche Auswirkungen auf Natur und Landschaft sowie auf die menschliche Gesundheit haben die Emissionen des Mineralwollewerkes?

6. Sind der umliegenden Bevölkerung die Immissionsdaten der Anlage zugänglich gemacht worden?

7. Welche Zukunft hat nach Ansicht der Landesregierung Bad Berka als Kurort bei Weiterbetrieb der Anlage zur Herstellung von Mineralwolle?

Das Thüringer Ministerium für Umwelt und Landesplanung hat im Einvernehmen mit dem Thüringer

Ministerium für Soziales und Gesundheit und dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 14. Dezember 1992 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Das Werk zur Herstellung von Mineralwolle wurde 1971 errichtet und liegt am Ortsrand von Bad Berka. In einem Kupolofen wird silikatisches Gestein geschmolzen, welches in die Blasekammer geschleudert wird und dort in feinen Fasern erstarrt. Zur Erhaltung der Faserform wird in der Blasekammer Phenolformaldehydharz zugegeben, welches in der anschließenden Härtekammer aushärtet. Bei der Mineralwolleherstellung wird Staub, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff, Stickstoffoxid, Formaldehyd und Phenol emittiert.

Zu 1.: Nach der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (4. ist die bestehende Anlage nach Nummer 2.11 (Anlagen zum Schmelzen mineralischer Stoffe) und Nummer 5.3 a (Anlagen zum Beschichten, Imprägnieren oder Tränken von Glasfasern, Mineralfasern oder bahnen- oder tafelförmigen Materialien einschließlich der zugehörigen Trocknungsanlagen) des Anhangs zu dieser Verordnung genehmigungsbedürftig.

Zu 2.: Die Anlage entspricht nicht dem Stand der Technik.

Nach Artikel 1 § 4 des Umweltrahmengesetzes vom 29. Juni 1990 handelt es sich bei dieser Anlage um eine Altanlage, da sie vor dem 1. Juli 1990 errichtet wurde. Aus diesem Grunde genießt sie Bestandsschutz und bedarf keiner Genehmigung gemäß § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz

Die Vereinigten Dämmstoff Werke Mineralwolle Bad Berka hat nach § 67 a das Betreiben ihrer Anlagen angezeigt.

Nach der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) Nummer 4.2.2 in Verbindung mit § 67 a Abs. 3 ist der Termin für die Einhaltung der Anforderungen aus der TA Luft für die o.g. Anlage der 1. Juli 1994.

Gemäß § 17 wurde im Rahmen der Altanlagensanierung am 4. März 1991 von der damals zuständigen Behörde - Staatliche Umweltinspektion Erfurt - eine nachträgliche Anordnung erlassen. Diese nachträgliche Anordnung legt die erforderlichen Maßnahmen fest, um den Stand der Technik zu realisieren. Als Endtermin wurde der 31. Dezember 1993 gefordert, also sechs Monate vor dem laut TA Luft Nummer 4.2.2 festgesetzten Termin. Vom Betreiber der Anlage wurde gegen diese nachträgliche Anordnung kein Widerspruch eingelegt.

Somit hat diese Anordnung Bestandskraft.

Gegenwärtig sind keine Gründe erkennbar, dass die zur Sanierung erforderlichen Maßnahmen nicht bis zum 31. Dezember 1993 abgeschlossen werden können. Ein Genehmigungsverfahren nach § 15 Wesentliche Änderungen genehmigungsbedürftiger Anlagen im Hinblick auf die Realisierung des Standes der Technik ist gegenwärtig in Vorbereitung.

Am 4. Dezember 1992 haben wir uns vor Ort über den neuesten Stand des Investitionsgeschehens informiert.

Meine Einladung an Herrn Büchner zur Teilnahme an dieser Begehung und Beratung im Mineralwollewerk konnte von ihm leider nicht wahrgenommen werden.

Nach Angaben der Geschäftsführung werden 43 Millionen Deutsche Mark, davon über 50 Prozent ausschließlich für den Umweltschutz, in das Werk investiert.

Im Jahr 1993 werden z. B. folgende Maßnahmen durchgeführt:

- Neubau des Ofenhauses mit Prozeßleittechnik und Ersatz der Venturiwaschanlage durch Zyklone als Vorabscheider, Schlauchfilter und eine thermische Nachverbrennung,

- Ersatz der Zyklone an der Beschichtungsanlage (Blase- und Härtekammer) durch eine Wander-Filteranlage.

Durch diese Maßnahmen werden die in der TA Luft festgelegten Grenzwerte unterschritten.

Zu 3.: Ein wesentlicher Beitrag zur Verminderung der Phenol- und Formaldehydemissionen wurde durch den Einsatz eines schadstoffarmen Bindemittels möglich. Die darin enthaltenen Komponenten Formaldehyd wurden von bisher 1,0 bis 1,5 Prozent auf 0,25 bis 0,40 Prozent und bei Phenol von bisher 1,5 bis 2,0 Prozent auf 0,80 Prozent gesenkt. Außerdem wurde der Bindemittelverbrauch um 20 bis 25 Prozent gesenkt.

Im Bereich der Kupolöfen wurde die gesamte Venturiwaschanlage erneuert.

Weiterhin wurde das Heizhaus von Rohbraunkohle auf leichtes Heizöl umgestellt. Eine weitere Umstellung auf Erdgas ist für 1993 vorgesehen.

Zu 4.: Seit 1989 wurden im Mineralwollewerk Emissionsmessungen, Gutachten und Untersuchungen durch die Hessische Landesanstalt für Umwelt, den Technischen Überwachungsverein (TÜV) Thüringen, das Hygieneinstitut Gera, den TÜV Bayern, das Institut für Material und Umweltanalytik-Luftanalytik Zweigniederlassung Rudolstadt und einem Bindemittelhersteller aus Ludwigshafen sowie gezielte Immissionsmessungen durch das Institut für Zement, Dessau, durchgeführt.

Die Auswertung der vorliegenden Meßberichte zeigt folgende Ergebnisse:

Die Emissionswerte im Abgas der Härtekammer lagen 1992 um ein Viertel unter den Grenzwerten der TA Luft.

Die Emissionswerte im Abgas der Faserabsetzkammer lagen um das Eineinhalbfache über den Grenzwerten der TA Luft.

Die Emissionswerte im Abgas der Kupolofenanlage zeigten eine hohe Überschreitung bei dem Parameter Staub.

Dies resultierte aus der zum Meßzeitpunkt vorhandenen vernachlässigten Entstaubungstechnik, die jedoch zwischenzeitlich instand gesetzt wurde.

Gemäß der nachträglichen Anordnung vom 4. März 1991 muss die gesamte Abgasreinigung bis zum 31. Dezember 1993 dem Stand der Technik entsprechen.

Die Immissionsmessungen in dem in der Hauptwindrichtung liegenden Ort Hetschburg ergaben bei Phenol 0,0104

Milligramm pro Kubikmeter und bei Formaldehyd 0,99 mal 10-3 Milligramm pro Kubikmeter.

Einzuhaltende Immissionswerte (Grenzwerte) liegen für Phenol und Formaldehyd nicht vor. Vom Bundesumweltamt wird für Phenol ein Richtwert von 0,014 Milligramm pro Kubikmeter und vom Bundesgesundheitsamt wird für Formaldehyd ein Richtwert von 0,120 Milligramm pro Kubikmeter empfohlen.

Im Februar 1993 wird eine Immissionsprognose im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zur wesentlichen Änderung auf der Grundlage von Ausbreitungsrechnungen erstellt.

Weitere Emissionsmessungen sind erst nach Abschluß der Investitionsmaßnahmen sinnvoll.

An den Arbeitsplätzen liegt eine sichere Grenzwerteinhaltung für die Luftschadstoffe vor.

Zu 5.: Werden die zu Frage 4 genannten Richtwerte als Grundlage einer Bewertung herangezogen, dann ist nach dem heutigen Wissensstand mit keinen schädigenden Wirkungen bei Mensch, Tier und Pflanze zu rechnen.

Weiterhin wird davon ausgegangen, dass bei Einhaltung der Emissionsgrenzwerte, wie sie in der TA Luft festgeschrieben sind,

- schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können,

- Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung.

Zu 6.: Erst kürzlich, mit Schreiben vom 29. Oktober 1992, habe ich Herrn Singer aus Bergern ausführlich zu Fragen der Luftreinhaltung bei der Mineralwolleherstellung informiert. Auch Vertreter der Vereinigte Dämmstoff Werke Mineralwolle haben die Presse und Bürger über die Umweltsituation und geplante Maßnahmen in Kenntnis gesetzt.

Zu 7.: Bad Berka liegt nicht im unmittelbaren Einwirkungsbereich des Werkes.

Für Bad Berka sind zur Zeit noch die Hauptverursacher der Luftverunreinigung der Hausbrand und der Kraftfahrzeugverkehr.

Die Stadtverordnetenversammlung Bad Berka hat in ihrem Beschluß Nr. 21 - 8/90 vom 25. September 1990 dem jetzigen Standort des Mineralwollewerkes grundsätzlich zugestimmt, allerdings bei Einhaltung der TA Luft. Der Kurort-Status wird angestrebt.