Bundesjagdgesetz

Allgemeines:

1. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ist das Bundesjagdgesetz (BJG) gemäß der Übergangsregelung in Kapitel VI, Sachgebiet F Abschnitt III des Vertrages der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag vom 31. August 1990 und dem dazu ergangenen Bundesgesetz (BGBl. II S. 885) mit Ausnahme der Abschnitte II Jagdbezirke und Hegegemeinschaften und III Beteiligung Dritter an der Ausübung des Jagdrechts in Kraft. Insoweit wurde zugleich eine Übergangsfrist bis zum 31. März 1992 festgesetzt.

Nach Artikel 75 Nr. 3 des Grundgesetzes (GG) gehört das Bundesjagdgesetz zu den Rahmenvorschriften, so dass die Bundesländer den durch Bundesrecht gesteckten Rahmen des BJG durch Landesjagdgesetze auszufüllen und zu ergänzen haben. Wegen der Rechtsklarheit und der Einheitlichkeit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland muss das Landesjagdgesetz spätestens mit Beendigung der Übergangsfrist (31. März 1992) in Kraft treten.

Die Landesregierung sieht es als ihre Pflicht an, schnellstmöglich den Eigentümern von Grund und Boden das daran gebundene Jagdrecht zu gewährleisten. Dies soll auf Basis des Jagdbezirkssystems, wie es im BJG vorgeschrieben ist, noch vor Ablauf der Übergangsfrist und vor Beginn der Hauptjagdzeit durch die Verabschiedung des Thüringer Jagdgesetzes geschehen. Die intensiven Arbeiten an dem Entwurf, die juristische und fachliche Beratung aus Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz lassen den Gesetzentwurf als ausgewogene und dauerhafte Regelung erscheinen. Sofern die praktischen Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zusätzlichen Regelungsbedarf erfordern, beabsichtigt die Landesregierung die Vorlage einer Gesetzesnovelle.

2. Der vorliegende Entwurf eines Landesjagdgesetzes bezweckt (siehe auch § 1 des BJG) die jagdrechtlichen Vorschriften mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere denen der Landeskultur, des Natur- und Tierschutzes sowie der Landschaftspflege zu vereinigen. Die Landesregierung unterstützt aber den gemeinsamen bundes- und europapolitischen Ausgangspunkt, der die Trennung von Jagdrecht einerseits und Natur- und Tierschutzrecht andererseits als gleichberechtigte, nebeneinander stehende Rechtskreise vorsieht.Jagdrecht und Jagdausübungsrecht als privatrechtliche Vermögenspositionen unterliegen dem Eigentumgsschutz des Artikels 14 GG. Einschränkungen sind deshalb nur im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums zulässig. Darüber hinausgehende Eingriffe stellen eine Enteignung dar; sie dürfen nur im öffentlichen Interesse erfolgen und müssen entschädigt werden. Aus diesem Grunde ist bei jeder Einschränkung der Jagdberechtigungen durch natur- und tierschutzrechtliche Bestimmungen eine Güterabwägung vorzunehmen.

Das Naturschutzrecht sieht den Tierartenschutz als Selbstzweck und fordert dessen Nachhaltigkeit zur Sicherung der Lebensgrundlagen des Menschen. Nach diesem Ansatz, der für alle Tiere gilt, die nicht zum Wild gehören, ist die Natur mit ihren natürlichen Regelungsmechanismen solange sich selbst zu überlassen, als ein menschlicher Eingriff nicht erforderlich ist.

Die Einbeziehung des Tierschutzrechts in das Jagdrecht ist durch den § 44 a BJG vorgeschrieben. Umgekehrt ordnet das Tierschutzrecht mehrfach an, dass die Vorschriften des Jagdrechts unberührt bleiben. Tierschutzrecht und Jagdrecht stehen also in einer gegenseitigen Wechselwirkung nebeneinander. Dabei kann die jagdliche Nutzung des Wildes als aus dem Tierschutzgesetz herausgenommener besonderer Abschnitt der zulässigen Nutzung von Tieren und damit als Spezialregelung betrachtet werden. Daß der Mensch ein Tier zwar nicht mißbrauchen, aber doch benutzen, ja abnutzen, gebrauchen und verbrauchen darf, kann als elementarer Satz der Findung von Sittlichkeit und Sachenrecht bezeichnet werden. Die Jagdgesetzgebung hat darauf zu achten, dass die Grenzen der ordnungsgemäßen Jagdausübung so gezogen werden, dass sie den Schutzbereich des Tierschutzrechts nicht verletzen.

3. Das Bundesjagdgesetz als Rahmengesetz wird durch das Landesjagdgesetz ergänzt und ausgefüllt. Das Bundesjagdgesetz ist unmittelbar geltendes Recht und deshalb neben dem Landesjagdgesetz anwendbar. Regelungen, die im Bundesjagdgesetz enthalten sind, brauchen somit im Landesjagdgesetz nicht wiederholt zu werden. Um das Landesjagdgesetz zu straffen und unnötige Konflikte durch unterschiedliche Formulierungen zu vermeiden, verzichtet der vorliegende Entwurf auf wörtliche oder sinngemäße Wiederholungen des Bundesrechts.

4. Der Entwurf des Landesjagdgesetzes für Thüringen lehnt sich im wesentlichen an das Landesjagdgesetz Bayerns an, wobei positive Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz und Hessen Berücksichtigung gefunden haben. Dies ist unzweifelhaft sinnvoll, weil die Zusammenarbeit dieser vier Bundesländer auch in den kommenden Jahren besonders intensiv sein wird.

Dennoch enthält der Entwurf für Thüringen einige Änderungen inhaltlicher, systematischer und redaktioneller Art. Als Beispiele seien die Landesjagdbezirke, die Anzahl der Jagdpächter, Jagdscheingebühr und Jagdabgabe, Hegegemeinschaften und der Jagdbeirat genannt. Dabei kommt es darauf an, den berechtigten Ansprüchen der einheimischen Jägerinnen und Jäger weitestgehend gerecht zu werden, ohne verbriefte Rechte der Eigentümer einzuschränken. Detailregelungen werden in den Durchführungsvorschriften des Landesjagdgesetzes in diesem Sinne vorgenommen.

5. Die bei der Durchführung des Gesetzes auf dem Gebiet des Jagdwesens dem Land Thüringen und seinen Landkreisen entstehenden Kosten werden aus dem Aufkommen der Jagdscheingebühren und der Jagdabgabe gedeckt. Auf § 27 wird verwiesen, wobei die Jagdscheingebühr dem Kreis und die Jagdabgabe dem Land zur Verfügung steht. Zusätzliche Verwaltungskosten entstehen dem Land durch dieses Gesetz deshalb nicht.

B. Im einzelnen zu § 1:

Wie in zahlreichen neueren Gesetzen wird im ersten Abschnitt ein Paragraph über die grundsätzliche Bedeutung der freilebenden Tierwelt für den Naturhaushalt und über den Gesetzeszweck vorangestellt. Die wichtigsten Ziele des Gesetzes bestehen in der Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes, in der Sicherung und Verbesserung der Lebensgrundlagen des Wildes, in der Anpassung der Wildbestände an ihren Lebensraum, insbesondere an die land-, forst- und fischereiwirtschaftlich genutzte und betreute Landschaft und in der Harmonisierung der jagdlichen Inter-essen mit den sonstigen Belangen des allgemeinen Wohls, insbesondere der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege.

Der Wert eines Grundsatzparagraphen dieser Art ist daran zu messen, ob und inwieweit die darin enthaltenen programmatischen Ziele in den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes ihren Niederschlag finden.

a) Die Forderung, einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, findet außer in den Vorschriften über die Gestaltung der Jagdbezirke (§ 4), über die Mindestgrößen der Eigen- und Gemeinschaftsjagdbezirke sowie der Jagdpachtflächengröße und über die Mindestpachtzeit (§§ 8, 10 und 14) vor allem in § 13 (Aufgaben und räumlicher Wirkungsbereich der Hegegemeinschaften), § 15 (Anzahl der Jagdpächter), § 27 (Mittel zur Förderung), § 29 (Sachliche Gebote und Verbote), § 31 (Örtliche Beschränkungen), § 32

(Regelung der Bejagung), § 33 (Jagd- und Schonzeiten), § 34 (Aussetzen von Tieren) und § 43 (Natürliche Äsung, Fütterung des Wildes) ihren konkreten Niederschlag.

b) Die Vermeidung von Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild haben vorwiegend § 13 (Aufgaben und räumlicher Wirkungsbereich der Hegegemeinschaften), § 27 (Mittel zur Förderung des Jagdwesens und Gegenstand der Förderung), § 32 (Regelung der Bejagung) und § 33 (Jagd- und Schonzeiten) zum Ziel.

c) Der Sicherung und Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes sollen insbesondere § 21 (Schutz der Nist-, Brut- und Zufluchtsstätten des Wildes), § 22 (Wildschutzgebiete), § 24 (Wildgehege), § 34 (Aussetzen von Tieren), § 43 (Natürliche Äsung, Fütterung des Wildes) und die Vorschriften über die finanzielle Förderung (§ 27) dienen.

d) Schließlich beinhalten insbesondere die Vorschriften über die befriedeten Bezirke (§ 6) und § 12 (Jagdnutzung), § 24

(Wildgehege), § 25 (Jägerprüfung, Falknerprüfung), § 29 (Sachliche Gebote und Verbote), § 32 (Regelung der Bejagung), § 33 (Jagd- und Schonzeiten), § 34 (Aussetzen von Tieren), § 37 (Erlegen von Schalenwild, Wildfolge), § 39 (Verwendung von Jagdhunden), § 53 (Jagdbeirat) sowie die Vorschriften über den Jagdschutz (§§ 40 bis 42), Regelungen, die den Ausgleich zwischen den jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere der Landeskultur, des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Tierschutzes und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Ziel haben. Dabei ist davon auszugehen, dass die Belange der Allgemeinheit und die jagdlichen Interessen nicht gegensätzlicher Natur sind oder sein müssen.

Interessenausgleich bedeutet nur, dass Maximalforderungen nicht erfüllt werden können. Der Gesetzentwurf bemüht sich, hier einen vernünftigen Mittelweg zu suchen.

Die vorgenannten Ziele sind weitgehend bereits im Bundesjagdgesetz vorgegeben. So entsprechen beispielsweise die §§ 1 bis 8, 10 a, 11 und 12, 19, 19 a, 21 bis 24 BJG u. a. auch den in den §§ 1 und 2 (Grundsätze) genannten Gesetzeszielen.

Die §§ 1, 10 a, 12, 21 und 22 BJG dienen außerdem dem Schutz vor Wildschäden und dem notwendigen Ausgleich der jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, der vorwiegend auch mit Hilfe der §§ 27 bis 35, 36 und 37 des Bundesjagdgesetzes erreicht werden soll.

Zu § 2:

Im § 1 wird die Erhaltung des Wildes und die Sicherung des Ausgleichs der jagdlichen Interessen mit den Belangen der Landeskultur zum Wohle der Allgemeinheit nicht als besondere Aufgabe der staatlichen Jagdhoheit genannt. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen des § 1, auf die selbstverständlich auch die staatliche Jagdaufsicht abgestellt sein muß.

Im Rahmen der staatlichen Ordnung des Jagdwesens nach § 2 Absatz 1 liegt es auch, wenn die Jagdbehörden beim Vollzug des Bundesjagdgesetzes und des Thüringer Jagdgesetzes darauf hinwirken, dass - unter Wahrung der jagdlichen Belange und der Interessen der Grundstückseigentümer - einer größeren Zahl von Jagdscheininhabern die Ausübung der Jagd ermöglicht wird. Eine entsprechende Einflußnahme der Jagdbehörde ist zum Beispiel bei der Beratung der Jagdgenossenschaften (vgl. § 11, Abs. 1 des Entwurfs in Verbindung mit der zukünftigen Gemeindeordnung) oder beim Vollzug der §§ 8 bis 10, 14 und 15 denkbar.

Die Förderung des Jagdwesens, die im Absatz 2 besonders herausgestellt wird, ist u. a. Ziel der staatlichen Jagdhoheit. Die Zielsetzung findet ihren konkreten Niederschlag in den §§ 27 und 28 des Entwurfs. Eventuelle weitere Zuschüsse zur Förderung der Jagd sollen durch die Erhebung einer Jagdabgabe nicht berührt werden.

Zu § 3:

Die Bestimmungen über die Gestaltung der Jagdbezirke (§ 5) und die Grundsätze zur Bildung von Eigenjagdbezirken und Gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§§ 7 und 8) sind bereits im Bundesjagdgesetz enthalten. Es ist angebracht, dass im Entwurf des Landesjagdgesetzes eine Vorschrift verankert ist, damit Umfang und Grenzen des Jagdbezirkes durch Verwaltungsakt festgestellt werden können, um im Streitfall oder in sonstigen Fällen der Unsicherheit der Sach- oder Rechtslage dementsprechend verfahren zu können.

Wie aus Bayern bekannt ist, wird es in der Praxis Bedürfnisse geben, eine klare Rechtsgrundlage zu schaffen, aus der sich unmißverständlich ergibt, über welche Sachverhalte eine Feststellung getroffen werden kann.

Zu § 4:

Die Gestaltung eines Jagdbezirkes muss die ordnungsgemäße Jagdbewirtschaftung ermöglichen. Die Bewirtschaftung gliedert sich in die Hege des Wildes (Jagdpflege), wie sie im § 1 Abs. 2 BJG gekennzeichnet ist, und in die Technik der Bejagung (Jagdausübung), die im § 1 Abs. 4 BJG enthalten ist. Grundsätzlich wird gefordert, dass durch eine Abrundung die Größe der Jagdbezirke möglichst wenig verändert werden soll. Analog den §§ 8 und 10 BJG gibt es eine Sperrvorschrift, wonach durch eine Abrundungsmaßnahme ein Jagdbezirk seine gesetzliche Mindestgröße nicht verlieren darf.

Die Beteiligten können Abrundungen untereinander in Schriftform vereinbaren, was der Zustimmung der unteren Jagdbehörde bedarf. Diese kann auf Antrag eines Beteiligten auch eine Abrundung vornehmen. Es ist hervorzuheben, dass unter Beachtung der §§ 8, 9 und 10 dieses Gesetzentwurfes die Landesjagdbezirke und sonstigen Eigenjagdbezirke in die Abrundung mit einbezogen werden.

Zu § 5:

Wird eine Abrundung während der Laufzeit eines Jagdpachtvertrages wirksam, so ist auch zu regeln, nach welchen Kriterien sich der Pachtpreis erhöht oder ermäßigt. Nach Absatz 1 soll für die Erhöhung oder Ermäßigung des Jagdpachtpreises nur noch die Flächenmehrung oder Flächenminderung ausschlaggebend sein. Aus Billigkeitsgründen wird davon abgesehen, hinsichtlich der Erhöhung des Pachtpreises für eine dem Jagdbezirk angegliederte Fläche den bisherigen Pachtzinsanteil mit zu berücksichtigen. Erfolgt eine Abtrennung von Grundflächen gegen den Willen des Pächters, der davon betroffen ist, so wird dies erst nach Ablauf der Pachtzeit wirksam.