Stromerzeugung

Errichtung von Hochwasserrückhaltebecken wieder eine größere Rolle im Hochwasserschutz zuzuweisen.

Zur Effizienzsteigerung des vorhandenen Talsperrenvolumens wird der Betrieb der bestehenden Talsperren und Hochwasserrückhaltebecken mit den Regelorganen dem zu erwartenden Niederschlagsereignis (Abflussvolumen der Hochwasserwelle) durch flexible Steuerung vorausschauend angepasst.

Die aus dem Prognosemodell des Deutschen Wetterdienstes abgeleiteten zu erwartenden Niederschläge werden in einem Abfluss- und Steuerungsmodell erfasst. Auf dieser Grundlage wird bei Hochwasserereignissen, die den Ausbaugrad der jeweiligen Talsperre überschreiten, durch Vorabsenkung trotzdem noch eine überregional wirksame Steigerung der Abflussverringerung erreicht. Hierbei ist die zu erwartende Hochwassersituation Unterstrom der Talsperren und der zu erwartende Hochwasserabfluss aus dem unterstromigen Niederschlagsgebiet ebenfalls von ausschlaggebender Bedeutung. Dies wird gewährleistet durch die enge Anbindung des Betriebs der Talsperren an die sich aus den Rechenmodellen in den Flussgebieten ergebenden Anforderungen im Rahmen der zentralen Hochwasserdienstordnungen. Die verstärkte Nutzung der hessischen Talsperren wurde bereits in den zurückliegenden Jahren als zusätzliche Maßnahme zur Hochwasserrückhaltung in Angriff genommen.

Frage 2. Das Land Hessen ist mit ca. 100 km Rheinanlieger und damit einer verstärkten Hochwassergefahr ausgesetzt.

a) Welches sind die Ursachen der Hochwassergefahr am Rhein?

Im Friedensvertrag von Versailles wurde Frankreich das Recht eingeräumt, den Rhein zwischen den äußersten Punkten der französischen Grenze insbesondere zur Stromerzeugung sowie für Schifffahrtszwecke zu nutzen (Art.

358). In Ausübung dieses Rechts baute Frankreich von 1928 bis 1959 den Rheinseitenkanal von Kembs bis Breisach. Aufgrund des Oberrheinvertrages vom 27. Oktober 1956 (BGB. II S. 1863) wurde der anschließende Abschnitt bis Kehl/Straßburg von 1957 bis 1970 in der so genannten "Schlingenlösung" teils als Kanal, teils durch Kanalisierung des alten Rheinbetts ausgebaut.

Im Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg vom 4. Juli 1969 (BGBl. 1970 II S. 726) vereinbarten die beiden Länder, den weiteren Ausbau gemeinsam durchzuführen. Hierbei wurde der Bau der beiden Staustufen Gambsheim und Iffezheim vorgesehen.

Der Ausbau hat durch den Wegfall von Überschwemmungsgebieten (Retentionsräumen) und den schnelleren Abfluss der Hochwasserwelle zu einer größeren Hochwassergefahr geführt. Der entscheidende Eingriff des Oberrheinausbaus in das Abflussregime für die hessische Rheinstrecke beruht in einer Ve rringerung der Überschwemmungsflächen am Oberrhein. Durch den Ausbau bis Iffezheim sind über 130 km² Retentionsfläche verloren gegangen.

b) Welche generellen Abhilfemaßnahmen wurden ergriffen?

In Ausführung des vorstehend genannten Vertrags vom 4. Juli 1969 ist eine Internationale Hochwasserstudienkommission für den Rhein eingesetzt worden, die für die vier beteiligten Regierungen - Frankreich, Österreich, Schweiz und Bundesrepublik Deutschland - Empfehlungen für die notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen ausgearbeitet hat. Der Abschlussbericht dieser Hochwasserstudienkommission empfiehlt den Sonderbetrieb der Rheinkraftwerke, den Einsatz von Retentionswehren sowie den Einsatz von Poldern.

Hessen war in der Hochwasserstudienkommission vertreten. Der Bund hatte während der Verhandlungen zum oben genannten Vertrag von 1969 und auch nach dessen Abschluss von den Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen eine Beteiligung an den Ausbaukosten verlangt und seinerseits eine Beteiligung an den Kosten für die zu treffenden Hochwasserschutzmaßnahmen angeboten.

Baden-Württemberg hat sich aus seiner besonderen Interessenlage heraus Lage der Staustufen am Oberrhein, bereits erfolgte Vorfinanzierung wasserwirtschaftlicher Folgemaßnahmen im Zusammenhang mit dem Oberrheinvertrag vom 27. Oktober 1956 - im Jahr 1971 in einem Verwaltungsabkommen mit dem Bund verpflichtet, 30 v.H. der auf die Bundesrepublik Deutschland entfallenden Baukosten für den Rheinausbau zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg zu tragen. Der Bund übernahm als Gegenleistung 41,5 v.H. der Aufwendungen des Landes für die notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen.

Die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen lehnten demgegenüber eine Beteiligung an den Ausbaukosten ab und verlangten gleichzeitig vom Bund die Übernahme der vollen Kosten für die Hochwasserschutzmaßnahmen.

Die von Rheinland-Pfalz und Hessen in voller Übereinstimmung über die Sach- und Rechtsfragen in den Jahren 1969 bis 1974 mit der Bundesregierung geführten Verhandlungen blieben erfolglos. Daraufhin hat die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bundesverfassungsgericht beantragt festzustellen, dass der Bund gegen Art. 104 a Abs. 1 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Grundgesetz verstößt, indem er unterlässt, seine Pflicht dem Land Rheinland-Pfalz gegenüber anzuerkennen, die Folgewirkungen des Ausbaues des Oberrheins als Wasserstraße auf die Hochwassersituation auf seine Kosten zu beseitigen. Vo m Land Hessen ist der Standpunkt des Landes Rheinland-Pfalz durch einen entsprechenden Schriftsatz unterstützt worden, da er der gemeinsamen Rechtsauffassung entspricht.

Nachdem sich im November 1975 die Verfahrensbeteiligten über den Stand der Ausbauarbeiten am Oberrhein und die möglichen Schutzmaßnahmen gegen die Hochwassergefahr unterrichtet hatten, regte der Berichterstatter des Bundesverfassungsgerichts eine vergleichsweise Erledigung an. Er wies dabei darauf hin, dass Zweifel bestanden, "ob die komplexe rechtliche Problematik der Verantwortlichkeiten für den Hochwasserschutz im Zusammenhang mit dem Ausbau des Oberrheins längs der engen verfassungsrechtlichen Spur, an die sich das Bundesverfassungsgericht zu halten hat, vollständig gelöst werden kann". Es sei daher nicht auszuschließen, dass die rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten möglicherweise vor dem Verwaltungsgericht fortgesetzt werden müssten. Er sah eine Möglichkeit für eine einvernehmliche Regelung darin, dass sich, unter der Voraussetzung einer Beendigung des Verfassungsstreites und einer abschließenden Kostenbelastung für die Länder, der Bund und die beiden Länder gemeinsam an den Kosten für den Ausbau von Retentionsräumen auf dem Gebiet von Rheinland-Pfalz beteiligen sollten. Auf dieser Grundlage und auf der Grundlage der Empfehlungen der Hochwasserstudienkommission wurde das "Ve rwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen zur Regelung von Fragen des Hochwasserschutzes am Oberrhein" am 24. Mai/20. Juni und 28. Juli 1977 geschlossen (StAnz.

6/1978 S. 306). Das Änderungsabkommen hierzu datiert von 1989 (StAnz.

31/1989 S. 1599).

c) Gibt es vertragliche Regelungen über diese Maßnahmen?

In dem "Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen zur Regelung von Fragen des Hochwasserschutzes am Oberrhein" vom 24. Mai/20. Juni und 28. Juli 1977 sowie im Änderungsabkommen vom 3. November 1988/31. Januar 1989 und

16. Mai 1989 ist festgelegt, dass sich Hessen mit 20 v.H. an den Herstellungskosten der Polder in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Frankreich beteiligt.

Das Verwaltungsabkommen sieht weiter vor, von insgesamt 212 Mio. m³ Retentionsraum auf rheinland-pfälzischem Gebiet 62,7 Mio. m³ Retentionsraum zu errichten.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Polder:

1. Daxlander Aue (Rheinland-Pfalz),

2. Flotzgrün (Rheinland-Pfalz),

3. Kollerinsel (Rheinland-Pfalz),

4. noch nicht benannte Polder (linksrheinisch auf rheinland-pfälzischem Gebiet einschließlich 15 Mio. m3 für Ausgleichsvolumina, um gegenüber dem Hochwasserrückhalteprogramm nach der Empfehlung der Hochwasserstudienkommission eine Verschlechterung der Hochwassersituation unterhalb von Worms zu vermeiden),

5. Moder (Frankreich),

6. Erstein (Frankreich),

7. Söllingen (Baden-Württemberg).

Die Polderstandorte nach Punkt 4 sind von Rheinland-Pfalz untersucht worden; hierfür wurden die Raumordnungsverfahren eingeleitet.

Nach Ausführung aller Poldermaßnahmen am Oberrhein wird auf der hessischen Rheinstrecke weitgehend ein Hochwasserschutz erreicht, wie er vor dem Oberrheinausbau vorhanden war. Als Anhaltspunkt für die Zeit vor dem Beginn des Oberrheinausbaus kann ein 200-jährlicher Hochwasserschutz für die Strecke Worms bis Mainz und für die Strecke Mainz bis Kaub ein nahezu 100-jährlicher Hochwasserschutz angegeben werden.

d) Welche Maßnahmen der Hochwasserabwehr sind im hessischen Ried vorgesehen?

Von den rund 120 km Rhein- und Mainwinterdeichen in Hessen is t über ein Drittel bereits mit einem Kostenaufwand von etwa 108 Mio. saniert worden und schützt dort gegen ein Hochwasser mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 200 Jahren. Die verbleibenden zu sanierenden Deichabschnitte werden im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel in der Reihenfolge der Dringlichkeit instand gesetzt. Der Fortschritt der Deichsanierung hängt von den Landtagsbeschlüssen zum jeweiligen Haushalt ab; es wird aber damit gerechnet, dass die Deichsanierungen an Rhein und Main bis zum Jahr 2020 andauern werden.

Seit dem Jahr 1999 ist die Mitteleinstellung in diesem Bereich stetig gestiegen, nachdem sie zuvor seit dem Jahr 1996 kontinuierlich gefallen war (vgl. auch Antwort auf Frage 6. Im Haushaltsplan 2002 ist die höchste Summe seit 10 Jahren eingestellt. Vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers wird dieses hohe Niveau auch in den nächsten Jahren fortgesetzt.

Dennoch erfordert das geschilderte Schadenspotenzial angesichts der jährlich eingestellten Haushaltsmittel nicht nur eine Priorisierung der Deichsanierungsabschnitte, sondern auch schnell wirksam werdende Maßnahmen. Diese Notwendigkeit entsteht insbesondere durch die Wahrnehmung der Ve rantwortung für das Leben der im potenziellen Überschwemmungsgebiet lebenden Menschen. Um einen kurzfristig erzielbaren Sicherheitszuwachs an den am stärksten gefährdeten Deichabschnitten zu erzielen, wird in Wahrnehmung dieser Verantwortung in den kommenden zwei Jahren das "Sofortprogramm Deichsicherheit" zur Ausführung kommen. Damit wird der vorhandene Schadenserwartungswert kurzfristig auf ein akzeptables Niveau abgesenkt. Für die Umsetzung des Sofortprogramms bedarf es keines Planfeststellungsverfahrens, keiner Umweltverträglichkeitsprüfung und keiner aufwendigen Baufeldfreistellung. Das Programm ist bautechnisch derart gestaltet, dass die nachfolgende Regelsanierung die Maßnahmen des Sofortprogramms vollständig berücksichtigt und darauf aufbaut. Es entstehen dadurch keine Mehrkosten.

Die Hochwassersicherheit wird bei Durchführung des Sofortprogramms um ein beträchtliches Maß erhöht, sodass die Deichbruchgefahr deutlich gemindert wird: Zum einen wird die Sicherheit gegen die Versagensarten "Rückschreitende Erosion" und "Böschungsbruch" hergestellt, zum anderen erhöht sich die Sicherheit gegen "hydraulischen Grundbruch" deutlich. Lediglich die Sicherheit gegen "Überströmung" bleibt unverändert, da die Höhe der Deiche durch das Sofortprogramm nicht verändert wird.

Darüber hinaus haben in 1997 und in 2000 große Katastrophenschutzübungen im Hessischen Ried unter Beteiligung der Landkreise Bergstraße und GroßGerau stattgefunden. Die Übungen zeigten, dass die erforderliche zuverlässige Vorwarnzeit von 6 bis 8 Stunden für eine eventuelle Evakuierung erst nach Abschluss der Deichsanierung sichergestellt werden kann.

Frage 3. Im Hochwasserschutz kommt der Information und Warnung der Bevölkerung eine große Bedeutung zu.

a) Gibt es in Hessen Hochwasser-Alarmpläne?

Nach § 94 Abs. 2 Nr. 8 des Hessischen Wassergesetzes in der Fassung vom 18. Juni 2002 obliegt den oberen Wasserbehörden die Wahrnehmung des Zentralen Hochwassermelde- und -warndienstes. Ziel des Zentralen Hochwassermelde- und -warndienstes ist es, die zuständigen Behörden und die gefährdeten Anlieger so früh wie möglich über drohende Hochwassergefahren zu unterrichten, damit rechtzeitig Schutz- und Abwehrmaßnahmen eingeleitet werden können. Für größere Gewässer wurden "Zentrale-" und für kleinere Gewässer wegen der oftmals sehr kurzen Anlaufzeiten der Hochwasserwellen "Dezentrale Hochwasserdienstordnungen" erlassen.