Razzien

Absatz 1 Nr. 2 bildet die Rechtsgrundlage für sogenannte Razzien. Unter den dort formulierten Voraussetzungen ist ein konkreter Verdacht gegen die zu überprüfenden Personen nicht erforderlich. Notwendig ist jedoch, dass Tatsachen bekannt sind, die darauf hindeuten, dass an den jeweiligen Orten die in Nummer 2 genannten Tätigkeiten stattfinden.

Absatz 1 Nr. 3 ermöglicht die Identitätsfeststellung auch dann, wenn gegen den Betroffenen selbst ein konkreter Verdacht nicht besteht. Die Vorschrift rechtfertigt sich aus der besonderen Gefährdung der bezeichneten Objekte.

Absatz 1 Nr. 4 dient der Gefahrenabwehr. Die Vorschrift soll der Verhinderung schwerer Straftaten dienen und den friedlichen Ablauf von öffentlichen Versammlungen und Aufzügen sichern. An den Kontrollstellen können daher Identitätsfeststellungen vorgenommen werden, ohne dass ein konkreter Verdacht gegen die kontrollierte Person vorliegt. Dies ist z. B. im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs auch gemäß § 36 Abs. 5 (Verkehrskontrollen) möglich.

Absatz 1 Nr. 5 schafft eine Befugnisform für den Fall, dass die Aufgaben des Grenzschutzes von der Landespolizei wahrgenommen werden.

Die Identitätsfeststellung nach Absatz 1 Nr. 6 kommt zum Tragen, sobald ohne sofortiges polizeiliches Handeln die Verwirklichung eines privaten Rechts in Frage gestellt wäre.

Absatz 2 bezeichnet beispielhaft verschiedene zulässige Mittel zur Identitätsfeststellung. Dabei dient insbesondere die Pflicht zur Aushändigung mitgeführter Ausweispapiere auch dem Interesse des Betroffenen, da sich dadurch evtl. ein Verbringen zur Polizeibehörde erübrigt. Eine Pflicht zum Mitführen von Ausweispapieren enthält Absatz 2 nicht. Diese kann jedoch aus anderen Rechtsvorschriften (z. B. § 4 Abs. 2 Satz 2 folgen.

Zu § 15: § 15 - identisch mit § 9 Abs. 3 Musterentwurf - stellt klar, dass die Polizei zuständige Stelle für die Aushändigung von Berechtigungsscheinen ist. Unter Berechtigungsscheinen sind Papiere zu verstehen, die die Berechtigung für die Ausübung einer besonders geregelten Tätigkeit nachweisen, z. B. Jagdscheine, Waffenscheine, Reisegewerbekarten.

Zu § 16: § 16 regelt die Befugnis zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen, die außerhalb von Strafverfahren von der Polizei im ausschließlich präventiven Aufgabenbereich getroffen werden. Für diese Maßnahmen erhält die mit § 10 Musterentwurf übereinstimmende Vorschrift mehrere, an sich selbständige Einzelregelungen:

Nach Absatz 1 Nr. 1 sind zum Zweck der Identitätsfeststellung erkennungsdienstliche Maßnahmen dann zulässig, wenn andere Möglichkeiten mit zumutbarem Aufwand nicht bestehen.

Absatz 1 Nr. 2 dient in Ergänzung von § 81 b der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten (§ 2 Abs. 1 Satz 2).

Insbesondere ist diese Befugnisform auch in den Fällen anwendbar, in denen bereits eine Bestrafung erfolgt ist oder eine Verurteilung mangels Schuldfähigkeit nicht erfolgen konnte.

Absatz 2 räumt dem Betroffenen das Recht ein, die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen zu verlangen, wenn die Voraussetzungen für die Vornahme der jeweiligen Maßnahmen entfallen sind.

Absatz 3 formuliert eine nicht abschließende Begriffsbestimmung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Andere als die dort bezeichneten Methoden sind nur zulässig, wenn und soweit sie hinsichtlich der Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Betroffenen jenen vergleichbar sind.

Zu § 17: § 17 regelt die Vorladung zu einer Dienststelle der Polizei. Die Vorschrift entspricht § 11 Musterentwurf, Absatz 4 wurde umformuliert, Absatz 5 wegen fehlender Erforderlichkeit (vgl. die bestehende Regelung in § 26 Abs. 3 Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz) gestrichen.

Absatz 1 Nr. 1 setzt fest, dass eine Vorladung ausschließlich zum Zwecke der Aus-forschung unzulässig ist. Erforderlich sind vielmehr die dort genannten Voraussetzungen.

Absatz 1 Nr. 2 schützt die Interessen des Betroffenen. Es handelt sich allerdings nur um eine Soll-Vorschrift, weil das öffentliche Interesse in Ausnahmefällen Abweichungen erforderlich machen kann, Beispiel: Absatz 3 Nr. 1.

Absatz 3 regelt die zwangsweise Durchsetzung einer auf Absatz 1 beruhenden Vorladung. Sie ist nur möglich, wenn die Angaben zur Abwehr einer Gefahr für die bezeichneten wesentlichen Rechtsgüter erforderlich sind (Nummer 1) oder erkennungsdienstliche Maßnahmen, die, wie ausgeführt, sachgerecht nur auf der Dienststelle realisiert werden können, durchgeführt werden sollen (Nummer 2). Die Mittel der Durchsetzung sind in den §§ 51 ff. benannt.

Absatz 4 entspricht § 136 a Auch im außerstrafrechtlichen Bereich sind Ver-nehmungsmethoden verboten, die einen Verstoß gegen die Würde des Menschen im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 GG darstellen.

Zu § 18: § 18 regelt eine polizeiliche Standardmaßnahme. Die Vorschrift bezieht sich nur auf den Bereich der Gefahrenabwehr. Für entsprechende Handlungen zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten gilt § 164

Zu § 19: § 19 regelt den polizeilichen Entzug der Freiheit, soweit dieser nicht lediglich eine Nebenfolge einer sonstigen polizeilichen Maßnahme darstellt. Die hier normierte Freiheitsentziehung (Artikel 104 Abs. 2 GG) erfordert grundsätzlich die Beteiligung des Richters (vgl. § 20). Absatz 1 Nr. 1 beinhaltet den sogenannten Schutzgewahrsam. Umfaßt wird auch die polizeiliche Befugnis, jemanden zu retten, der sich das Leben nehmen will, auch wenn er in freier Selbstbestimmung handelt.

Der Fall der Ingewahrsamnahme zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (Absatz 1 Nr. 2) wurde auf Fälle von erheblicher Bedeutung beschränkt. Die in Nummer 2 2. Halbsatz enthaltenen Kriterien stellen konkrete Anhaltspunkte für die zu treffende Prognoseentscheidung zur Verfügung. Es handelt sich jedoch nicht um Regelbeispiele (wie z. B. bei § 243 Abs. 1 sondern um typische Anhaltspunkte, die dem Polizeibeamten in der praktischen Arbeit Hilfestellung leisten sollen.

Der Gewahrsam nach Absatz 1 Nr. 3 ist in Ergänzung zu Absatz 1 Nr. 2 notwendig, weil der Sachverhalt weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Nicht erforderlich ist es, dass von dem Minderjährigen eine konkrete Gefahr ausgeht oder dass eine solche von ihm droht.

Der Gewahrsam nach Absatz 3 dient dem Zweck, Entwichene in eine Anstalt zurückzubringen. Die Vorschrift ist erforderlich, um eine Befugnisnorm für die Fälle zu schaffen, in denen kein Ersuchen der Vollzugsanstalt vorliegt, die Polizei also z. B. von einer Flucht zuerst Kenntnis erlangt.

Zu § 20:

Die Bestimmung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig (Artikel 104 Abs. 2 GG). Die Polizei hat bei Freiheitsentziehungen unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Von der richterlichen Vorführung darf nur abgesehen werden, wenn die Herbeiführung der Gerichtsentscheidung länger dauern würde als eine (kurzfristige) Freiheitsentziehung [beispielsweise zur Personalienfeststellung (Absatz 1 Satz 1, 2)]. Absatz 2 legt die Zuständigkeit des Amtsgerichts fest. Zwar wäre vom Grundgesetz her auch die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes durchaus möglich, da Artikel 104 GG nicht die Entscheidung eines bestimmten Richters fordert. Es wird jedoch - in Übereinstimmung mit § 14 Abs. 2 Musterentwurf - als zweckmäßig angesehen, den Amtsrichter für zuständig zu erklären, da dieser auch über Freiheitsentziehungen nach anderen gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden hat und in der Regel ortsnäher ist als die Verwaltungsgerichte.

Zu § 21: Absatz 1 trägt, in Übereinstimmung mit § 15 Abs. 1 Musterentwurf, dem Artikel 5 der Menschenrechtskonvention Rechnung.

Danach muss jeder Festgenommene unverzüglich über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet werden.

Absatz 2 enthält aus rechtsstaatlichen Gründen eine dem Artikel 104 Abs. 4 GG vergleichbare Bestimmung, obwohl die genannte Grundgesetzregelung nur für Freiheitsentziehungen durch den Richter, nicht durch die Polizei gilt. Die Pflicht der Polizei beschränkt sich dabei darauf, Gelegenheit zur Benachrichtigung zu geben. Für den Fall, dass die festgehaltene Person dazu nicht selbst imstande ist und die Benachrichtigung nicht ihrem mutmaßlichen Willen widerspricht, soll diese jedoch

durch die Polizei erfolgen. Bei der Festhaltung von Minderjährigen oder von Personen, für die ein Betreuer bestellt ist (vgl. Betreuungsgesetz - vom 12.09.1990, BGBl. I S. 2002), ist zudem in jedem Fall die Benachrichtigung des Sorgenberechtigten erforderlich.

Absatz 3 Satz 1 und 2 enthalten Soll-Vorschriften, da deren Verwirklichung von den tatsächlichen Gegebenheiten abhängt.

Nach Möglichkeit sollen auch Minderjährige und Kranke, auch Suchtkranke, gesondert untergebracht werden.

Absatz 3 Satz 3 lehnt sich an § 119 Abs. 3 an. Als Beschränkungen kommen z. B. Fesselung oder Schreibverbot in Betracht.

Zu § 22: Nummer 1 enthält den selbstverständlichen Grundsatz, dass der Betroffene nach Wegfall des Grundes für die Freiheitsentziehung zu entlassen ist.

Nummer 2 ist wegen der richterlichen Entscheidungsgewalt (§ 20) erforderlich.

Nummer 3 enthält die materielle Regelung über die Höchstdauer des Gewahrsams nach Polizeirecht. Durch Artikel 104 Abs. 2 Satz 3 GG ist nicht vorgegeben, dass eine Entlassung bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen notwendig ist. Gefordert wird nur eine richterliche Entscheidung bis zu diesem Zeitpunkt. Mit richterlicher Entscheidung ist verfassungsrechtlich auch ein längerer Gewahrsam möglich. Durch die Formulierung der Ziffer 3 wird somit klargestellt, dass nicht nur auf Grund anderer Gesetze, sondern allein nach dem Polizeiaufgabengesetz der zuständige Amtsrichter Unterbindungsgewahrsam bis zu acht Tagen verhängen darf. Auf eine solche Präventivregelung kann nach den polizeilichen Erfahrungen insbesondere im Zusammenhang mit gewalttätigen Demonstrationen Rechts- und Linksradikaler sowie Ausschreitungen bei Fußballspielen nicht verzichtet werden. Es ist nur schwer erträglich, wenn offensichtlich gewaltbereite Störer nur kurzfristig festgehalten werden können und nach ihrer Entlassung z. B. Straftaten bei Großereignissen begehen.

Zu § 23: § 23 gibt der Polizei eine Befugnis zur Durchsuchung von Personen zu ausschließlich präventivpolizeilichen Zwecken. Die Vorschrift stimmt mit § 17 Musterentwurf überein.

Absatz 1 Nr. 1 dient dem Schutz des Betroffenen (Selbsttötung oder Selbstverletzung) und der Eigensicherung der Beamten.

Die Regelung gilt für alle Fälle des Festhaltens und nicht nur für den Gewahrsam im Sinne von § 19.

Absatz 1 Nr. 2 knüpft an § 27 an. Sicherstellungen nach der sind nicht gemeint.

Absatz 1 Nr. 3 eröffnet die Möglichkeit der Durchsuchung zur Identitätsfeststellung, die in diesem Falle in erster Linie im Interesse des Betroffenen - z. B. Benachrichtigung von Angehörigen - liegt.

Absatz 1 Nr. 4 erlaubt im Sicherheitsinteresse Durchsuchungen an den Orten, an denen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 oder 5

Identitätsfeststellungen möglich sind.

Absatz 1 Nr. 5 ermöglicht die Durchsuchung bei Personen, die sich in der Nähe von Objekten im Sinne § 14 Abs. 1 Nr. 3 aufhalten. Auch diese Regelung ist aus Sicherheitsgründen unerläßlich.

Die Durchsuchung nach Absatz 2 dient der Eigensicherung der Beamten und dem Schutz Dritter vor den Angriffen von Rechtsbrechern, deren Identität in Erfüllung polizeilicher Aufgaben festgestellt werden soll.

Artikel 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) gebietet Absatz 3. Die Ausnahmeregelung in Satz 1 2. Halbsatz trägt insbesondere Notwehrsituationen Rechnung.

Zu § 24: § 24 gestattet - in Übereinstimmung mit § 18 Musterentwurf - die Durchsuchung von Sachen, zu denen auch Grundstücke gehören, die nicht im Sinne von § 123 befriedetes Besitztum sind. Für diese gilt § 25.

Absatz 1 Nr. 1 knüpft an § 23 an. Die Vorschrift stellt eine folgerichtige Ergänzung der Befugnis zur Durchsuchung von Personen dar, da eine Durchsuchung allein der Person z. B. dann nicht effektiv wäre, wenn eine Person Reisegepäck bei sich hat.