Umweltschutz

Auch Thüringen ist davon betroffen.

Wirksamer Umweltschutz erfordert nicht nur entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen und Vorgaben, sondern auch wirksame Erfassung, Verfolgung und Ahndung zu Verstößen gegen Umweltschutzbestimmungen.

Um dem Verursacherprinzip konsequent nachzukommen, ein entsprechendes Umweltschutzbewußtsein aufzubauen bzw. deren Aufweichung entgegenzuwirken, fragen wir die Landesregierung:

3. Wie verteilen sich die erfaßten Umweltstraftaten auf die verschiedenen Bereiche, gibt es hierbei bestimmte Entwicklungstendenzen?

4. Welche Motive und Hintergründe führen zu Umweltstraftaten?

5. Welche Probleme treten bei der Aufklärung und Ahndung der Umweltstraftaten auf?

6. Gibt es Aussagen zum Dunkelfeld der Umweltstraftaten?

7. Wie beurteilt die Landesregierung das Umweltstrafrecht?

8. Welche Änderungen der bestehenden rechtlichen Grundlagen zur Bekämpfung der Umweltkriminalität hält die Landesregierung für erforderlich und wird sie unterstützen?

9. Welchen Stellenwert mißt die Landesregierung dem Strafrecht als Anreiz für umweltgerechtes Verhalten bei, wie schätzt sie den bewußtseinsbildenden Beitrag des Umweltstrafrechtes ein?

10. Sind die zuständigen Behörden materiell und personell in der Lage, die Umweltkriminalität wirksam zu bekämpfen?

11. Welche Initiativen und Maßnahmen zur weiteren Verbesserung sind geplant (Sondereinheiten, spezielle Beauftragte, verstärkte Aus- und Fortbildung, bessere Ausstattung, besserer Informationsfluß)? 12. Besteht eine ausreichende Zusammenarbeit zwischen Justiz-, Polizei- und anderen Fachbehörden, zwischen zentralen und örtlichen Behörden?

13. Welche Präventivmaßnahmen zur Verhinderung von Umweltstraftaten ergreift die Landesregierung bzw. sind durch siegeplant(z.B.Öffentlichkeitsarbeit,Umwelterziehungund-aufklärung,Umweltberatungusw.)?

15. September 1992

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Das Thüringer Justizministerium hat unter Berücksichtigung der Beiträge des Thüringer Ministeriums für Umwelt und Landesplanung und des Thüringer Innenministeriums die Große Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 12. August 1992 wie folgt beantwortet:

Die Thüringer Landesregierung betrachtet einen wirksamen Umweltschutz als notwendige Voraussetzung für die Gesundheit des Menschen und den Fortbestand menschlichen Lebens überhaupt. Die zu schützende Umwelt umfaßt nicht nur den den Menschen umgebenden Lebensraum, sondern auch den Menschen selbst als Bestandteil eben dieses Lebensraumes. Die Kombination von ökologischem und anthropozentrischem Interessenschutz bezeichnet die Schutzrichtung der sogenannten Umwelt-Strafvorschriften. Es geht nicht primär um den Schutz der Umwelt vor dem Menschen, wie die rein ökologische Theorie dies postuliert, sondern um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen vor dem Menschen für den Menschen. Es gilt, eine bloße Existenz zukünftiger Generationen in verschmutzter Luft, mit verunreinigtem Wasser und umgeben von einer dezimierten Pflanzen- und Tierwelt zu vermeiden.

Der Gefährdung des Menschen in seiner Existenz durch eine zerstörte Umwelt sollen die Umweltstrafvorschriften begegnen.

Strafnormen können jedoch nur den vorhandenen Ist-Zustand schützen, also versuchen, die partiell gefährdete, aber noch relativ heile Welt vor einer Verschlechterung der natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren. Das Strafrecht kann allenfalls einen Stop bewirken, also den status quo sichern. Allerdings sind strafrechtliche Sanktionen als Unterstützung von umweltbeeinflussenden Maßnahmen der Verwaltungsbehörden erforderlich und unverzichtbar. Anerkannt ist jedoch, daß auf dem Gebiet des Umweltschutzes dem Strafrecht nur eine zweitrangige Bedeutung zusteht, es nur als ultima ratio begriffen werden kann; jeder Bürger ist für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen selbst verantwortlich, das Prinzip der Umweltverträglichkeit muss in seinem Bewußtsein aufgenommen und in konkretem Handeln - auch in nebensächlichen Erscheinungsformen - berücksichtigt werden.

Die Thüringer Landesregierung fühlt sich dem Artikel 16 des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion, der am 18. Mai 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik geschlossen wurde, verbunden; der Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie von Kultur- und sonstigen Sachgütern vor schädlichen Umwelteinwirkungen ist ihr daher ein besonderes Anliegen.

Zu den Fragen der Fraktion der CDU kann ich im einzelnen folgendes feststellen: Zu1.:

In Thüringen wurden erstmals 1991 polizeilich untersuchte Straftaten, wie in allen neuen Ländern, nach den bundeseinheitlichen Richtlinien der Polizeilichen Kriminalstatistik erfaßt. Das bis zum 3. Oktober 1990 unterschiedliche Rechtssystem, die von den Erfassungsmerkmalen der ehemaligen DDR abweichenden Grundsätze der Polizeilichen Kriminalstatistik der Bundesrepublik Deutschland und die Handhabung des Umweltstrafrechts, das heißt die bewußte Verschleierung von Umweltstraftaten durch das SED-Regime, lassen eine belegbare Aussage zur Entwicklung der

In der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahre 1991 in Thüringen 173 Umweltstraftaten erfaßt, von denen 55,5 % aufgeklärtwurden.

Über den Kriminalpolizeilichen Meldedienst wurden im ersten Halbjahr 1992 bisher 148 Umweltstraftaten in Thüringen gemeldet. Die Polizeiliche Kriminalstatistik für diesen Zeitraum liegt derzeit noch nicht vor. Für den Bereich der Staatsanwaltschaften steht statistisches Zahlenmaterial derzeit nicht zur Verfügung, jedoch ist eine steigende Tendenz der Umweltstraftaten feststellbar. Diese Zunahme an Ermittlungsverfahren kann auf verschiedene Umstände zurückgeführt werden, so auf die Entdeckung von Altlasten im Rahmen der Privatisierung, das Wirksamwerden von Altlasten durch schleichende Kontamination, die zunehmende Anzeigeerstattung von Privatpersonen zum Zweck späterer zivilrechtlicher Auseinandersetzung, die illegale Entsorgung schrottreifer Pkw und eine allgemein steigende Anzeigenbereitschaft aufgrund der zunehmenden Sensibilität zu Fragen des Umweltschutzes.

Zu 2.:

Die für das Jahr 1991 in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfaßten 173 Umweltstraftaten entsprechen 0,2 % der Gesamtkriminalität in Thüringen. Ein entsprechender Prozentsatz gilt nach hiesigen Erkenntnissen auch für die Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften.

Drucksache 1/1511

Zu 3.:

Von den in der Polizeilichen Kriminalstatistik 1991 erfaßten 173 Fällen betrafen 45 Vorgänge den Polizeidirektionsbereich Nordhausen, 33 den Polizeidirektionsbereich Suhl sowie in geringerem Umfang die Bereiche Saalfeld (25), Jena (24),

Die meisten Ermittlungsverfahren (mehr als 50 %) betreffen die umweltgefährdende Abfallbeseitigung gemäß § 326

Strafgesetzbuch Zirka 25 % der Verfahren sind auf eine strafbare Gewässerverunreinigung nach § 324 zurückzuführen.

Die relativ starke Konzentration der Umweltstraftaten auf die genannten Erscheinungsformen wird von seiten der Staatsanwaltschaften u.a. darauf zurückgeführt, dass die Begehungsform dieser Straftaten relativ leicht feststellbar ist und in der Regel auch von Privatpersonen zur Anzeige gebracht werden kann. Besonders das unerlaubte Betreiben von Autoschrottplätzen und Altreifendeponien findet hier seinen wesentlichen Niederschlag. Verstöße im anlagenrechtlichen Bereich können in der Regel nur von Verwaltungsbehörden erfaßt und einer Ahndung zugeführt werden, so dass bereits eine Vorklärung durch die genannten Institutionen erfolgt. Insoweit konnten Schwerpunkte der Umweltstraftaten und Umweltordnungswidrigkeiten aus wasserwirtschaftlicher Sicht bei dem Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (Mineralölprodukte, landwirtschaftliche Abfallprodukte), bei der Nichtanzeige von Bohrungen, ungenehmigten Baumaßnahmen in Trinkwasserschutzzonen und dem Abbau mineralischer Rohstoffe ohne Genehmigung festgestellt werden.

Schwerpunkte in immissionsschutzrechtlicher, bergrechtlicher und strahlenschutzrechtlicher Sicht waren die Ignorierung von Auflagen und unvollständige Einbeziehung von Trägern öffentlicher Belange in die Abstimmung bei Genehmigungsverfahren.

Zu 4.: Wesentliche Triebfeder der vorerwähnten Umweltstraftaten dürfte Gewinnstreben sein. Durch ihre Handlungen versuchen die Täter, Entsorgungskosten zu umgehen, sowie Bau-, Erschließungs- und Planungskosten einzusparen. Auch dürfte bei manchen Tätern die unzutreffende Vorstellung vorherrschen, sich in den neuen Ländern in einem vergleichsweise rechtsfreien Raum zu bewegen. So wird teilweise versucht, die Behörden zu umgehen, um schneller und billiger zu einer gewerblichen Betätigung zu gelangen im Vertrauen darauf, dass infolge der Arbeitsüberlastung der Behörden Kontrollen vor Ort nur in geringem Umfang möglich sein können.

Auch Unkenntnis der teilweise komplexen umweltrechtlichen Vorschriften sowie der fahrlässige Umgang mit gefährlichen Stoffen erforderte das Einschreiten von Umwelt- und Strafverfolgungsbehörden.

Zu 5.:

Zu der bereits komplexen Problematik bei der Aufklärung von Umweltstraftaten kommt erschwerend hinzu, dass sich die erforderlichen Verwaltungsstrukturen noch im Aufbau befinden und daher die notwendige Erfahrung zu effektiver Aufklärung von Straftaten fehlt. In der ersten Aufbauphase der Thüringer Polizei traten in diesem Bereich materielle und personelle Probleme auf. Die Bedingungen für die Polizei werden jedoch kontinuierlich verbessert.

Im Rahmen der Altlastenproblematik fehlt nach Ansicht der Polizeibehörden in manchen Bereichen die Kooperationsund Informationsbereitschaft der Behörden gegenüber der Polizei.

Zu 6.: Belegbare Angaben zum Dunkelfeld der Umweltstraftaten lassen sich - wie auch in anderen Bereichen der Kriminalität nicht machen. Erfahrungen der alten Bundesländer besagen, dass dort bei jährlich registrierten durchschnittlich 2.000 bis 3.000 Umweltdelikten auch ein relativ großes Dunkelfeld besteht. Für die neuen Bundesländer und somit auch für Thüringen wird vermutet, dass die unkontrollierte Umweltbelastung und Umweltschädigung durch die Streitkräfte der früheren Sowjetunion, der ehemaligen Nationalen Volksarmee sowie der Industrie und Landwirtschaft der ehemaligen

Die Einschätzung eines relativ großen Dunkelfeldes findet eine gewisse Bestätigung in dem Umstand, dass nach den vorherigen Ausführungen Deliktschwerpunkte bisher lediglich im Bereich leicht erkennbarer Straftaten festgestellt wurden. Auch noch unzureichende Vorortkontrollen durch die fachtechnischen Behörden wie auch die insgesamt noch nicht voll entwickelte staatliche Kontrolle von Umweltverstößen führen dazu, dass eine relativ hohe Anzahl von Umweltdelikten bisher vermutlich unentdeckt blieb.