Rechtsverhältnisse an der Nachbarwand

Bei der Regelung der Rechtsverhältnisse an der Nachbarwand ist zu bedenken, dass eine normative Klärung der Eigentumsverhältnisse an der Nachbarwand der Gesetzgebungskompetenz des Landes entzogen ist. Das Eigentum an der Nachbarwand richtet sich nämlich nach den bundesgesetzlichen Bestimmungen der §§ 903 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Der Entwurf spricht deshalb das Eigentum an der Nachbarwand nicht an, sondern umgeht diese Frage, indem er nur von dem Eigentum an den benachbarten Grundstücken spricht.

Zu § 4:

Die Beschaffenheit der Nachbarwand richtet sich in erster Linie nach den zwischen den Nachbarn insoweit getroffenen Vereinbarungen unter Beachtung der baurechtlichen Vorschriften. Für den Fall, dass nichts Besonderes vereinbart worden ist, hat der Erbauer die Nachbarwand nur für einen solchen Anbau herzurichten, der an die Beschaffenheit der Wand keine höheren Anforderungen stellt als sein eigenes Gebäude.

Im Regelfall darf davon ausgegangen werden, dass die auf den beiden Grundstücken errichteten Gebäude vergleichbar sind.

Deshalb soll die Nachbarwand je zur Hälfte auf den beiden Grundstücken stehen. Nur wenn für eines der beiden Grundstücke eine stärkere Wand erforderlich ist, erscheint es angemessen, dass auf dem Grundstück dieses Nachbarn ein größerer Teil der Nachbarwand errichtet wird (Absatz 2). Absatz 3 stellt klar, dass Ansprüche nach den §§ 912 und 915 des Bürgerlichen Gesetzbuches ausgeschlossen sind, soweit die Nachbarwand den Anforderungen des Absatzes 2 entspricht. Wenn jedoch die Nachbarwand vor einem Anbau beseitigt wird, so soll dem Nachbarn für die Zeit ihres Bestehens der Entschädigungsanspruch nach § 912 des Bürgerlichen Gesetzbuches zustehen.

Die in § 4 erwähnte Dicke der Nachbarwand bezieht sich nur auf die Erfordernisse, die durch den beiderseitigen Nutzungszweck bestimmt sind. Das schließt nicht aus, dass aus baurechtlichen Gründen (z.B. Brandschutz) die Nachbarwand noch dicker sein muss oder dass baurechtlich eine geringere Dicke genügt.

§ 4 steht einer Verstärkung der Nachbarwand auf dem eigenen Grundstück nicht entgegen. Besondere Bestimmungen hierüber erscheinen jedoch entbehrlich.

Zu § 5:

Der Nachbar ist - unbeschadet der Regelung des § 9 - nur berechtigt, nicht aber auch verpflichtet, von der Anbaumöglichkeit Gebrauch zu machen. Der Erbauer einer Nachbarwand, die den Anforderungen des § 3 entspricht, darf dem Anbau durch den Nachbarn nicht mehr widersprechen.

Satz 2 stellt klar, was unter Anbau im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist. Nur ein Anbau im Sinne dieser Bestimmung löst die Zahlungspflicht des § 7 aus.

Zu § 6:

Der Eigentümer bzw. der Erbbauberechtigte des zuerst bebauten Grundstücks hat ein schutzwürdiges Interesse daran, von einem beabsichtigten Anbau an die Nachbarwand rechtzeitig Kenntnis zu erlangen. Deshalb soll der Anbauende verpflichtet werden, die Absicht des Anbaus mindestens drei Monate vor Beginn der Bauarbeiten schriftlich anzuzeigen. Die Anzeigepflicht soll sich nicht nur auf die reine Tatsache des Anbaus erstrecken, sondern auch alle Einzelheiten umfassen, die der Nachbar erkennen muß, um etwaige Einwendungen erheben zu können. Berechtigte Einwendungen, die der Nachbar geltend machen könnte, wären z. B. Bedenken gegen die Belastbarkeit der Nachbarwand durch den geplanten Anbau. Die technischen Einzelheiten, die der Nachbar zu einer solchen Prüfung des Bauvorhabens kennen müßte, sind daher mitzuteilen.

Da im Falle eines Anbaus vielfach auch der Besitzstand des Nutzungsberechtigten berührt werden kann, erscheint es sachgerecht, den Anbauenden zur Anzeige nicht nur dem Nachbarn im Sinne des § 1, sondern auch dem Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks gegenüber zu verpflichten. Eine Frist von mindestens drei Monaten erscheint notwendig, um dem Nachbarn die Möglichkeit zu geben, den geplanten Anbau sorgfältig zu prüfen und sich unter Umständen von Fachleuten beraten zu lassen. Außerdem ist die Frist so bemessen, dass die Nachbarn die Möglichkeit haben, etwaige Zweifelsfragen noch rechtzeitig im Verhandlungswege zu bereinigen.

Eine Frist, innerhalb der die Einwendungen geltend zu machen sind, sollte nicht vorgesehen werden. Es genügt, wenn festgelegt wird, dass die Einwendungen unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches) vorgebracht werden. Können sich die Nachbarn über die Berechtigung solcher Einwendungen nicht einigen, so bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung.

Absatz 3 betrifft den Fall, dass ein Anzeigeberechtigter im Sinne des Absatzes 1 nicht erreichbar ist. Es ist dem anbauwilligen Nachbarn nicht zuzumuten, sein Bauvorhaben auf lange Zeit zurückzustellen, bis der Berechtigte benachrichtigt werden kann.

Die Anzeige soll in solchen Fällen dem unmittelbaren Besitzer als Notadressaten zugehen, weil anzunehmen ist, dass dieser in aller Regel die erforderlichen Kenntnisse und auch ein eigenes Interesse daran haben wird, etwaige Einwendungen geltend zu machen. Dieser Bestimmung kommt insbesondere im Hinblick auf ungeklärte Eigentumsverhältnisse an Grundstücken besondere Bedeutung zu.

Auf den Rechtsgedanken des Absatzes 3 ist in einigen anderen Bestimmungen verwiesen (vgl. § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 2, § 16 Abs. 2, § 18 Satz l, § 22 Satz 2, § 38 Abs. 2, § 41 Abs. 2 Satz 2).

Zu § 7:

Die Bestimmung regelt die von dem anbauenden Nachbarn dem Erbauer der Nachbarwand zu zahlende Vergütung.

Absatz 1 bestimmt für den Regelfall, dass der anbauende Nachbar den halben Wert der Nachbarwand zu vergüten hat, soweit er die Wand für seinen Anbau benutzt.

Die Absätze 2 und 3 regeln Ausnahmefälle. Wenn die Wand allein im Interesse eines der beiden Nachbarn eine besondere Bauart oder Bemessung erhalten hat, so sollen die dadurch entstandenen Mehrkosten auch ausschließlich den dadurch begünstigten Nachbarn treffen (Absatz 2). Absatz 3 betrifft den Fall, dass die Nachbarwand abweichend von § 4 Abs. 2 auf einem der beiden Grundstücke eine größere Bodenfläche beansprucht als auf dem anderen. Diese Bestimmung steht in engem Zusammenhang mit den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Überbau (§§ 912 ff.). Wenn die Nachbarwand mitten auf der Grenze steht, kann keiner der beiden Nachbarn nach § 912 des Bürgerlichen Gesetzbuches eine Überbaurente oder nach § 915 des Bürgerlichen Gesetzbuches Übernahme des überbauten Grundstücksteils verlangen. Hingegen behält der benachteiligte Nachbar diese Rechte in den Fällen, die in Absatz 3 angesprochen sind. Es erscheint deshalb zweckmäßig, dem anbauenden Nachbarn die Möglichkeit zu geben, diesen Wertausgleich für den Überbau im Rahmen der Festsetzung der Vergütung nach § 7 vorzunehmen. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, so liegt darin ein Verzicht auf seine Rechte nach den §§ 912 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Absatz 4 Satz 1 regelt die Fälligkeit der Vergütung. Es erscheint zweckmäßig, hierfür den Zeitpunkt der Rohbauabnahme zu bestimmen, weil sich dieser Zeitpunkt unzweideutig ermitteln läßt. Dieser Zeitpunkt ist auch deshalb sachgerecht, weil damit die Benutzung der Nachbarwand vollzogen und der Anspruch des Erbauers der Wand begründet ist. Bei der Wertberechnung ist von den zu diesem Zeitpunkt üblichen Baukosten auszugehen und der bauliche Zustand der Nachbarwand angemessen zu berücksichtigen.

Schließlich schlägt Absatz 4 Satz 3 vor, die Durchführung des Anbaus auf Verlangen des Erbauers der Nachbarwand von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Diese Regelung erscheint notwendig, weil der Vergütungsanspruch gefährdet sein kann und mit dem Anbau vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Zu § 8:

Bis zum Anbau steht die Nachbarwand im Alleineigentum des Erbauers. Deshalb sollen auch ihn allein die Unterhaltungskosten treffen.

Für die Zeit nach dem Anbau erscheint es sinnvoll, auf das Beteiligungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 bis 3 abzustellen.

Nach Abbruch eines der beiden Gebäude wird sich regelmäßig die Notwendigkeit ergeben, die stehengebliebene Wand in einen für eine Außenwand geeigneten Zustand zu versetzen. Insbesondere wird ein wetterfester Außenputz aufgebracht werden müssen. Es erscheint billig, die Verpflichtung hierzu demjenigen aufzuerlegen, der durch den Abbruch seines Gebäudes den Anlaß zu solchen Maßnahmen gegeben hat (Absatz 3 Satz 1). Bedarf die Wand gelegentlich des Abbruchs eines der beiden Gebäude noch weiterer Instandsetzungsarbeiten, so spricht die Vermutung dafür, dass dieser Reparaturbedarf noch während der Zeit entstanden ist, als die Wand noch gemeinsam genutzt wurde. Die Kosten für solche Reparaturen sollen deshalb von den

beiden Nachbarn im Verhältnis ihrer Beteiligung gemeinsam getragen werden (Absatz 3 Satz 2).

Nach Abbruch des einen Gebäudes und nach Durchführung der in Absatz 3 Satz 1 und 2 erwähnten Instandsetzungsarbeiten sind die Kosten für die künftige Unterhaltung der Wand nach den allgemeinen Vorschriften zu tragen (z.B. § 922 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

Zu § 9:

Durch die Errichtung einer Nachbarwand wird dem Nachbarn eine Möglichkeit zum Anbau geboten, von der er Gebrauch machen kann, aber nicht muß. Regelmäßig entstehen durch den - zwischen den Nachbarn vereinbarten - Bau einer Nachbarwand höhere Kosten, als wenn der Erbauer sich auf die Errichtung einer Grenzwand auf seinem Grundstück beschränkt hätte, die für seinen eigenen Bedarf ausgereicht hätte. Wenn aber der Nachbar von der Anbaumöglichkeit keinen Gebrauch macht, der Erbauer der Nachbarwand mithin keinen Vergütungsanspruch nach § 7 erhält, erscheint es billig, ihm einen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten, die er im Interesse des Nachbarn durch die Errichtung der Nachbarwand aufgebracht hat, zu geben. Eine Ausnahme erscheint dabei für den Fall geboten, dass der Anbau infolge einer Veränderung der Rechtslage nicht mehr möglich ist. Absatz 1 Satz 3 bestimmt insoweit, dass die Mehraufwendungen beiden Nachbarn anteilig zur Last fallen.

Bei der Berechnung des Anspruchs ist im übrigen die künftige Inanspruchnahme eines Streifens des Nachbargrundstücks durch den Überbau (Absatz 1 Satz 2) und eine etwaige Einsparung von Bodenfläche auf dem Grundstück des Erbauers im Vergleich zu der für eine Grenzwand benötigten Fläche anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Der Anspruch darf höchstens den Vergütungsanspruch im Falle eines Anbaus erreichen. Durch die Verweisung auf § 7 Abs. 4 Satz 1 ist klargestellt, dass auch dieser Anspruch mit der Rohbauabnahme des auf dem Nachbargrundstück später errichteten Gebäudes fällig wird. Durch den Verzicht des Nachbarn auf einen Anbau und das Nebeneinanderstellen von zwei selbständigen Gebäuden ergibt sich die Frage, wer für den Anschluß der beiden Dachflächen sowie die Schließung des Zwischenraumes der beiden Gebäude zu sorgen hat, damit die Fuge zwischen den Wänden abgedeckt ist. Der Entwurf schlägt vor (Absatz 5), diese Verpflichtung allein dem anbauberechtigten Nachbarn aufzuerlegen, weil die Schwierigkeiten nur dadurch veranlaßt sind, dass er von seinem Anbaurecht keinen Gebrauch macht.

Zu § 10:

Die Nachbarwand entsteht auf Grund einer Vereinbarung der beiden Nachbarn (§ 3 Abs. 2). Der Nachbar stellt für die Errichtung der Wand einen Streifen seines Grundstücks zur Verfügung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2) und richtet sich mit seinen Planungen auf die künftige Anbaumöglichkeit ein. Auch vor dem Anbau ergibt sich damit für den anbauberechtigten Nachbarn eine Interessenlage, die es berechtigt erscheinen läßt, ihn vor einem einseitigen Abbruch der Wand durch den Erstbauenden zu schützen. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass der Eigentümer (Erbbauberechtigte) des zuerst bebauten Grundstücks die Nachbarwand nur mit Einwilligung des anbauberechtigten Nachbarn wieder beseitigen darf (Absatz 1 Satz 1). Er hat seine Absicht, die Nachbarwand abzubrechen, dem Nachbarn schriftlich mitzuteilen (Absatz 1 Satz 2). Damit der anbauberechtigte Nachbar andererseits die Pläne des Erbauers der Nachbarwand nicht durch eine rein schikanöse Verweigerung seiner Zustimmung zum Abbruch aufhalten kann, soll ein Widerspruch nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten möglich (Absatz 1 Satz 3) und darüber hinaus dann unbeachtlich sein, wenn der anbauberechtigte Nachbar seine Anbauabsicht nicht innerhalb angemessener Frist zu verwirklichen beginnt (Absatz 2). Um spätere Streitigkeiten über die nach Absatz 1 notwendigen Erklärungen möglichst auszuschließen, sieht der Entwurf in Absatz 1 Satz 2 und 3 hierfür die Schriftform vor.

Absatz 3 Satz 1 regelt den Fall der berechtigten Beseitigung der Nachbarwand durch deren Erbauer. Hier erscheint eine angemessene Vergütung gegenüber dem anbauberechtigten Nachbarn für die Dauer der Nutzung von dessen Grundstück durch die Nachbarwand gerechtfertigt. Satz 2 enthält die Sanktion für die Fälle, in denen der Erbauer der Nachbarwand diese beseitigt, ohne hierzu berechtigt zu sein. Es erscheint angemessen, ihn auch ohne Verschulden zum Ersatz des vollen Schadens zu verpflichten, der dem anbauberechtigten Nachbarn durch den Verlust der Anbaumöglichkeit entstanden ist. Dieser Schaden wird in der Regel in der Differenz zwischen der Vergütung nach § 7, die der Nachbar im Falle des Anbaus hätte zahlen müssen, und den Kosten der Errichtung einer Grenzwand bestehen, die der Nachbar nach Beseitigung der Nachbarwand in aller Regel wird bauen müssen. Wie in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 1, § 9 Abs. 3 Satz 2 soll auch hier die Fälligkeit des Schadensersatzanspruchs an den Zeitpunkt der Rohbauabnahme des von dem anbauberechtigten Nachbarn errichteten Gebäudes angeknüpft werden.