Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern in ausbildungsfremden Fächern
Aufgrund der aktuellen Stellenregulierung kommt es nicht selten zu Einsätzen von Lehrerinnen und Lehrern in ausbildungsfremden Fächern (z.B. Ethik), ohne dass die Forderung nach vorhandener Qualifikation erfüllt wäre.
Allein mit dem Hinweis auf fachliche Nähe unterrichten auch Lehrkräfte, die bisher an keiner Fortbildungsmaßnahme, etwa für das Fach Ethik, teilgenommen haben.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer, die zur Zeit Ethik unterrichten, verfügen über eine abgeschlossene Qualifizierung, wie viele sind in einer Qualifizierung begriffen und wie viele hatten mit Beginn dieses Schuljahres noch keinerlei Fortbildung im Fach Ethik?
2. Welche Rolle spielte die fachliche Nähe bei den Richtlinien, die das Kultusministerium diesbezüglich für die staatlichen Schulämter erließ? Sind die Kriterien für fachliche Nähe tatsächlich nur dann nicht erfüllt, wenn eine Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter oder zum Staatsbürgerkundelehrer vorliegt?
3. Was unternahm die Landesregierung, um für die Unterrichtserlaubnis für das Fach Ethik ähnlich hohe Mindestanforderungen zu stellen wie die evangelischen Kirchen in bezug auf die Unterrichtserlaubnis für das Fach Religion?
4. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer, die zur Zeit Wirtschaft und Technik bzw. Wirtschaft/Umwelt/Europa unterrichten, verfügen über eine abgeschlossene Qualifizierung, wie viele sind in einer Qualifizierung begriffen und wie viele hatten mit Beginn dieses Schuljahres noch keinerlei Fortbildung in diesen Fächern?
5. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer, die zur Zeit Englisch und Französisch unterrichten, verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung oder Qualifizierung, wie viele sind in einer Qualifizierung begriffen und wie viele hatten mit Beginn dieses Schuljahres noch keinerlei Fortbildung in diesen Fächern?
6. Inwieweit hat die Landesregierung darauf Einfluß genommen, mit der jeweiligen Altersstufe pädagogisch vertraute Lehrerinnen und Lehrer in den neuen Fächern einzusetzen?
Das Thüringer Kultusministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. November 1992 wie folgt beantwortet:
Zu 1.: Kein in Ethik unterrichtender Lehrer und keine in Ethik unterrichtende Lehrerin verfügt zur Zeit über eine abgeschlossene Ausbildung. Bis zu den Winterferien werden 70 Lehrerinnen und Lehrer die Unterrichtserlaubnis erworben haben.
1.559 Lehrerinnen und Lehrer befinden sich in der Qualifizierung. Da Ethik Ersatzfach ist und nur dann unterrichtet wird, wenn Religionsunterricht eingerichtet ist, liegen Zahlen über den Einsatz im Fach Ethik erst nach Auswertung der Schulstatistik im Januar vor.
Zu 2.: Im Schreiben des Thüringer Kultusministeriums an die Staatlichen Schulämter und Koordinatoren in Thüringen vom 21. Juli 1992 heißt es unter Punkt V.3.b: Ist die Erteilung von Unterricht als Voraussetzung einer Lehrbefähigung für ein weiteres Fach nicht gegeben, hat ein Lehrer aber eine vom Thüringer Kultusministerium organisierte oder genehmigte Qualifizierungsmaßnahme abgeschlossen, oder nimmt er an einer solchen teil, oder ist ihm die Teilnahme an einer solchen Maßnahme in der ersten Hälfte des Schuljahrs 1992/93 zugesagt, so ist das durch die Bildung einer besonderen Auswahlgruppe zu berücksichtigen.
Weiter heißt es im Punkt V.6 im gleichen Schreiben:
a) Unter mehreren auf eine Stelle bezogenen Auswahlgruppen hat die Gruppe Vorrang, deren Mitglieder die für die Stelle benötigte Lehrbefähigungskombination oder Einzellehrbefähigung oder eine gleichgestellte Lehrbefähigung für ein weiteres Fach besitzen.
b) Es folgt diejenige Auswahlgruppe, für deren Lehrbefähigungskombination oder Einzellehrbefähigung die fachliche Nähe zu der für die fragliche Stelle benötigten Lehrbefähigungskombination oder Einzellehrbefähigung gegeben ist. Eine Auswahlgruppe von Teilnehmern an einer Qualifizierungsmaßnahme (V.3.b, c) hat Vorrang.
Im übrigen sind die Gemeinsamkeit, Nachbarschaft oder Wechselbezüglichkeit wissenschaftlicher oder fachpädagogischer Grundlagen der Lehrbefähigung von Auswahlgruppen abzuwägen. Auf der Grundlage der Abwägung ist zu bestimmen, welche Gruppe die fachlich nächste Lehrbefähigungskombination oder Einzellehrbefähigung besitzt.
c) Die Gründe sind auf der Liste derjenigen stellenbezogenen Auswahlgruppe, die als fachlich nächste bestimmt worden ist, kurz darzustellen.
Zu 3.: Im Schreiben des Thüringer Kultusministeriums vom 26. September 1991, Az.: 45/51550/30, über die Genehmigung zur Erteilung von Unterricht sowie in der Verwaltungsvorschrift des Thüringer Kultusministeriums zur Erteilung einer Unterrichtserlaubnis vom 12. Juni 1992, veröffentlicht im Amtsblatt des Thüringer Kultusministeriums und des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Nr. 7/1992, sind die Bedingungen zur Erlangung einer Unterrichtserlaubnis definiert. Sie sind für beide Fächer gleich.
Zu 4.: Zur Zeit unterrichten im Profilfach Wirtschaft und Technik an den Regelschulen überwiegend Diplomlehrerinnen/ und -lehrer der Fachrichtung Polytechnik. Diese verfügen über eine vorläufige Lehrbefähigung für das Fach (vgl. Amtsblatt des Thüringer Kultusministeriums und des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Nr. 7/1992), die nach Ablauf von drei Jahren über die erfolgreiche Teilnahme an Weiterbildungslehrgängen zu Inhalten der Wirtschaftswissenschaften in eine unbefristete Lehrbefähigung mündet. Seit 1991 werden dazu auf zentraler und regionaler Ebene Weiterbildungsseminare durchgeführt.
Die Anzahl der fachfremd eingesetzten Lehrerinnen und Lehrer (z.B. Mathematik- und Physiklehrer), die mit Beginn des Schuljahrs noch keinerlei Fortbildung in diesem Fach hatten, wird gegenwärtig ermittelt.
Für das Fach Wirtschaft/Umwelt/Europa verfügen zur Zeit noch keine Lehrerinnen und Lehrer über eine abgeschlossene Qualifizierung.
36 Multiplikatoren absolvieren gegenwärtig einen 210-Stunden-Weiterbildungslehrgang über das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, der mit der Unterrichtserlaubnis abschließen wird. Parallel dazu werden in den Kreisen Weiterbildungsveranstaltungen durchgeführt (Multiplikatorensystem), so dass alle im Fach unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit haben, sich zu qualifizieren.
Die Anzahl der in diesem Fach eingesetzten Lehrerinnen und Lehrer wird gegenwärtig erfaßt. Dadurch sind zur Zeit keine Angaben über die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer möglich, die mit Beginn dieses Schuljahres noch keinerlei Fortbildung in diesem Fach hatten.
Zu 5.: Zirka 1.540 Englisch-Lehrer verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung. 281 Französisch-Lehrer verfügen über eine abgeschlossene Ausbildung. 649 Lehrer werden in Englisch qualifiziert. 235 Lehrer werden in Französisch qualifiziert.
Abschließende Aussagen über den Lehrereinsatz sind erst nach Vorliegen der Schulstatistik möglich.
Zu 6.: In den laufenden Verfahren wurden die Schulämter beauftragt, die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend ihren Lehrbefähigungen und ihrer bisherigen Tätigkeiten einzusetzen. Insofern wurde über diesen fachgerechten Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer geregelt, dass sie in der ihrer Ausbildung entsprechenden Altersstufe eingesetzt werden. Dies gilt auch für die neuen Fächer.