Richtlinie Wasserrecht und Bahnanlagen der Deutschen Bundesbahn

Das Thüringer Umweltministerium hat bereits am 9. Januar 1992 die Richtlinie Wasserrecht und Bahnanlagen der Deutschen Bundesbahn zum Erlaß für Thüringen erhoben. Diese Richtlinie empfiehlt seitens der Deutschen Bundesbahn Regelungen zwischen Gemeinwohlinteressen des Bahnbaus mit denen des Wasserrechts. Besondere Berücksichtigung findet dabei der Neubau von Bahnanlagen in Wasserschutzgebieten. Für diesen Fall schreibt dieser Erlaß die Verlegung der Gewinnungsanlage vor, wenn die Bahnanlage durch die Zone I oder II führen soll.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung:

1. Welche Gründe haben das Umweltministerium dazu bewogen, dieser Richtlinie der Bundesbahn den Status eines Erlasses zu geben?

2. Welche Wassergewinnungsanlagen sind in Thüringen durch den geplanten Neubau von Bahnanlagen betroffen?

3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, durch Forderungen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Bau neuer Bahnanlagen die Konflikte beim Vollzug der obengenannten Regelung zu mindern?

4. Wie beurteilt die Landesregierung die Zukunft der Wasserversorgung der Stadt Erfurt bei Wegfall der Wasserschutzgebiete Dreienbrunnen und Möbisburg/Bischleben?

Das Thüringer Ministerium für Umwelt und Landesplanung hat im Einvernehmen mit dem Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehrdie Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 5. März 1993 wie folgt beantwortet:

Allgemeines:

Die Aus - und Neubaustrecken nach Erfurt sind im Katalog der Verkehrswegeprojekte Deutsche Einheit aufgenommen worden. Die Landesregierung mißt der Eisenbahn-Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt-Berlin eine große Bedeutung für unser Land zu. Nicht nur die Landeshauptstadt wird dadurch besser erreichbar sein, sondern die Verknüpfung zwischen der und der Linie Paris-Frankfurt-Dresden wird eine strukturelle Verbesserung im Schienenverkehr im gesamten Land mit sich bringen (Regionalbahnen im Takt, S-Bahn). Jedoch insbesondere für den Güterverkehr auf der Schiene sind neue und schnelle Kapazitäten nötig, damit der rapide Anstieg des Schwerlastverkehrs auf den Fernstraßen spürbar reduziertwerdenkann.

Die Realisierung der Strecken bringt stets einen Konflikt zwischen Verkehrsweg und anderen Nutzungen mit sich. Sofern wasserwirtschaftliche Belange bei der Trassenwahl betroffen sind, wendet die Landesregierung die Richtlinie Wasserrecht und Bahnanlagen an.

Die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser hat auf ihrer 96. Sitzung am 6./7.Juni 1991 die Richtlinie Wasserrecht und Bahnanlagen der Deutschen Bundesbahn - Richtlinie der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser und der Deutschen Bundesbahn beschlossen und den Ländern die Einführung empfohlen.

Diese Richtlinie löst die aus dem Jahre 1969 stammende Richtlinie der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser und der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn ab. Die Richtlinie nennt die für die Aufgabenerfüllung durch die Deutsche Bundesbahn zu beachtenden materiell-rechtlichen Vorschriften des Gewässerschutzes und grenzt die Kompetenzbereiche ab.

Die Richtlinie war erforderlich, da gemäß der §§ 4 und 38 des Bundesbahngesetzes die materiellen Inhalte der wasserrechtlichen Vorschriften durch die Bundesbahn in eigener Zuständigkeit umgesetzt werden.

Nach Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XI Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3 Buchst. a gilt das Bundesbahngesetz sinngemäß auch für das Sondervermögen Deutsche Reichsbahn.

Die Planung der Eisenbahn-Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt-Berlin hat derzeit das Stadium des Raumordnungsverfahrens erreicht. Mit allen Betroffenen werden die Belange des Baus eingehend erörtert. Diskussionsgrundlage ist die aus den Vorplanungen hervorgegangene Vorzugsvariante, als Streckenführung mit den unter den gegebenen Bedingungen optimalen, d.h. dem konfliktärmsten Verlauf. Wasserwirtschaftliche Aspekte werden dabei mit in den Entscheidungsprozeß einbezogen. Die Trassenführung kann daher noch in einigen Bereichen entscheidend verändert werden. Die Streckenführung (Neubaustrecke und Ausbaustrecke) der Vorzugsvariante (Nr. 5) tangiert in Thüringen eine Anzahl von Wassergewinnungsanlagen bzw. deren Schutzzonen. Neben 23 kleineren Schutzzonen (davon in zehn Fällen nur die Trinkwasserschutzzone III), werden die Schutzzonen II der Wasserwerke Stadtilm und Erfurt-Möbisburg berührt. Der Ersatz der Anlage des Wasserwerkes Stadtilm in Dörnfeld erscheint aus bilanzseitigen Gründen zwar möglich, wird aber einen hohen Erschließungsaufwand und umfangreiche Anschlußkosten erfordern. Aus diesem Grunde wird die sogenannte Westumfahrung Gehren-Gräfinau-Angstedt von seiten des Ministeriums bevorzugt, da diese Variante dieses Wasserschutzgebiet nicht berührt. Während für die kleineren dieser Anlagen Ersatzmöglichkeiten bestehen, wird die Gewinnungsanlage in Erfurt-Möbisburg als nicht ersetzbar bewertet.

Zu 3.:

Die Richtlinie, die in der Antwort zu Frage 1 erläutert wurde, erwähnt die Möglichkeiten der Landesregierung, die Entscheidung zum Bau neuer Bahnanlagen einvernehmlich mit den Deutschen Bahnen (Reichsbahn und Bundesbahn) herbeizuführen. Der Trassenverlauf wird immer einen Kompromiß zwischen technisch Machbarem, finanziell Vertretbarem und ökologisch Tolerierbarem darstellen.

Vom Thüringer Ministerium für Umwelt und Landesplanung sind die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes und insbesondere des Gewässerschutzes in allen Stadien der bisherigen Planungsarbeiten eingebracht worden. Die Zusammenarbeit mit den Deutschen Bahnen und den beteiligten Planungsbüros wird bis zum Abschluß der Bauarbeiten weitergeführt.

In der interministeriellen Arbeitsgruppe der Thüringer Ministerien für Wirtschaft und Verkehr sowie Umwelt und Landesplanung wird regelmäßig über den Fortgang der Planungsarbeiten beraten. Die Belange des Wasserschutzes wurden unseres Erachtens bei der Auswahl der Trassenführung durchaus optimal vorgetragen und entsprechend berücksichtigt. Zur Strecke Erfurt-Leipzig finden intensive länderübergreifende Überlegungen zur geringstmöglichen Beeinträchtigung des Wasserwerkes Wischroda im Bereich des Finnetunnels statt.

Da im Bereich des Bahnbaus keine dem Straßenbau vergleichbare Richtlinie für bautechnische Anlagen in Wassergewinnungsgebieten besteht, sollte die Richtlinie für den Straßenbau in Wasserschutzgebieten auch als Grundlage im Bahnbau

Zu 4.:

Die Wasserversorgung der Stadt Erfurt ist nach geltendem Recht eine primäre kommunale Pflichtaufgabe der Stadtverwaltung von Erfurt. Der Landesregierung steht es nicht zu, in diese kommunale Aufgabe einzugreifen. Die Stadt Erfurt hat in alleiniger Verantwortung eine Konzeption zur Trinkwasserbereitstellung zu erstellen und zu vertreten.

Aus fachlicher Sicht erachten wir, ebenso wie die Stadt Erfurt, das Wasserwerk Möbisburg mit einer Kapazität von 32.000 pro Tag als unersetzbar. Für die Situation der der Stadt näher gelegenen Wasserwerke Bischleben wurde der Landeshauptstadt auch aus den Gründen der Stadtentwicklung und der Schützbarkeit des Grundwassers eine Analyse zur Situation der Trinkwasserversorgung aller Erfurter Wasserwerke empfohlen.

Aufgrund der geogen bedingten Konzentrationen an Sulfat und Kalzium ist eine Einspeisung von Ohra-Fernwasser zum Erreichen der EG-Normen unseres Erachtens unbedingt notwendig.

Aus diesem Grunde wird im Bereich Molsdorf eine Trassenführung vorgeschlagen, die für das Wasserwerk Möbisburg aus unserer Sicht die geringste Beeinträchtigung und Gefährdung darstellt, jedoch trotz optimaler Führung, die auf Forderungen des Thüringer Ministeriums für Umwelt und Landesplanung zurückgeht, die Trinkwasserschutzzone II in geringerem Umfang als ursprünglich vorgesehen queren wird. Eine andere Trassenführung, die das Wasserschutzgebiet II des Wasserwerkes Möbisburg nicht berührt, ist bei der Westeinfahrt nach Erfurt nicht möglich.

Anmerkung zu Frage 4:

· Wir verweisen auf den Brief an Herrn Oberbürgermeister Ruge im Februar 1993 (Anlage). Dort wurde das Problem der Wasserwerke Steiger, Hochheim etc. offen gelassen.

· Wasserwerk Möbisburg

Von vier Varianten wird von uns die Westvariante favorisiert. Sie hat die kürzeste Durchquerung des Trinkwasserschutzgebietes II mit 950 m statt 2.500 m der Variante 3 a und stellt damit die optimalste Lösung dar.

· Eine Richtlinie ist kein Gesetz, d.h. Ausnahmen sind möglich. Diesen Einzelfall sehen wir in Möbisburg gegeben und halten die Westvariante für den bestmöglichsten Kompromiß aus den Festlegungen von Trinkwasserschutzgebieten und den daraus resultierenden Verboten und Beschränkungen u. a. auch für die wirtschaftliche Entwicklung ergeben sich vielfältige Interessenüberschneidungen.

Daher halte ich es für erforderlich, dass sich die Stadt Erfurt als Trägerin der öffentlichen Wasserversorgung in Abstimmung mit der oberen Wasserbehörde, dem Landesverwaltungsamt, grundlegend mit der Problematik der stadteigenen Trinkwasserversorgungsanlagen auseinandersetzt und eine übereinstimmende Auffassung zur weiteren Verfahrensweise in Trinkwasserschutzgebieten erarbeitet.

Im Südwesten der Stadt befinden sich außer dem Wasserwerk Möbisburg weitere für die Stadt nicht unbedeutende Wasserversorgungsanlagen, einschließlich der Eigenwasserversorgungsanlage. Diese begründen den notwendigen Schutz großer Flächen in den Ortsteilen Hochheim und Bischleben. Die festgesetzten Trinkwasserschutzgebiete sind aufgrund der Bestimmungen des Umweltrahmengesetzes vom 26.09.1990 und des Einigungsvertrages vom weiterhinrechtskräftig.

Damit gelten auch die implizierten Beschränkungen z. B. in der Trinkwasserschutzzone II weiter. Was die Errichtung von Hoch - und Tiefbauten betrifft, so sind die Regelungen der ehemaligen DDR und die nach Recht der Alt-Bundesländer sehr ähnlich. Auch waren und sind Einzelfallregelungen im pflichtgemäßen Ermessensspielraum als Ausnahme möglich.

So wurde und wird meines Wissens von der Wasserbehörde bei einer Lückenbebauung und Anschluß an eine den Regeln der Technik entsprechende Kanalisation mit sicherer Ableitung aus dem Trinkwasserschutzgebiet II diese Möglichkeit regelmäßig geprüft. Trotzdem sind oft keine eindeutigen Entscheidungen möglich und eine als unumgänglich zugelassene Ausnahme zieht weitere Forderungen nach Ausnahmen nach sich.

Die erforderlichen Schutzmaßnahmen können bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen in den betroffenen Ortsteilen erheblich beeinträchtigen. Ich erlaube mir daher, Sie auf die Notwendigkeit grundlegender konzeptioneller Überlegungen zur langfristigen Entwicklung bereits jetzt hinzuweisen. Dabei sind neben der Sicherung der Trinkwasserversorgung für die Landeshauptstadt die finanziellen Auswirkungen für den Einzelbürger sowie die Durchsetzbarkeit der notwendigen Beschränkungen und Verbote in Wasserschutzgebieten zu berücksichtigen. Sofern die Stadt weiterhin Einspeisungen aus den Brunnen erhält, wären auch diese einzubeziehen.

Meinem Haus ist bekannt, dass im Zuge der Übertragung der Verantwortung für die Trinkwasserversorgung auf die Kommunen in vielen Gemeinden die Ausdehnung der Trinkwasserschutzzonen zur Diskussion steht. Wegen des bereits erwähnten Nutzungskonfliktes wird dabei häufig die Verkleinerung der Schutzgebiete meines Erachtens zu sehr in den Vordergrund gestellt. Die hydrogeologischen Rahmenbedingungen für die Festsetzung der Schutzgebiete sind aber unverändert geblieben. Im Gegensatz dazu ist allein schon durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens das Gefährdungspotential erheblich angestiegen.

Diese Tatsache schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall eine Überarbeitung der bestehenden Trinkwasserschutzgebiete erforderlich sein kann. Dazu ist verständlicherweise eine verantwortungsbewußte Überprüfung und ggf. auch eine Überarbeitung der Versorgungskonzeption notwendig. In der damaligen DDR wurden Beschlüsse zu Trinkwasserschutzgebieten mit weitgehend einheitlichen Verboten und Beschränkungen erlassen. Nach den Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes und des künftigen Landeswasserrechtes bieten Verordnungen zum Schutz der Gewinnungsanlagen

Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes halte ich es für erforderlich, unter Beachtung der Versorgungssicherheit nach Menge und Güte, die Konzeption der Wasserversorgung für die Landeshauptstadt sorgfältig zu überprüfen und gegebenenfalls eine Überarbeitung der Trinkwasserschutzzonen bei der zuständigen Wasserbehörde zu veranlassen.

Eine schematische Verkleinerung aus rein wirtschaftlichen Erwägungen kann von meinem Haus aus politischer Verantwortung heraus nicht mitgetragen werden. Dabei messe ich dem Schutz und der Erhaltung des Wasserwerkes Möbisburg höchste Priorität zu. Die realistischen Schutzmöglichkeiten der stadtnäher gelegenen Wasserwerke in unmittelbarer Nähe eines Ortskernes erscheinen mir dagegen überdenkenswert.