Angeblich negative Auswirkungen der Budgetierung der Gesundheitsausgaben für Versicherte

Die Hessische Sozialministerin hat bei verschiedenen Gelegenheiten (so z. B. bei der Beantwortung der Frage 151 in der 18. Plenarsitzung, Frage 189 in der 24. Plenarsitzung, Frage 221 in der 28. Plenarsitzung) erklärt bzw. Äußerungen anderer Personen zitiert, dass in Hessen in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patientinnen und Patienten notwendige diagnostische und therapeutische Maßnahmen (andere sind von der GKV ohnehin nicht zu erstatten) mit Hinweis auf die Budgetierung der Gesundheitsausgaben vorenthalten worden seien.

Diese Vorbemerkung des Fragestellers vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. a) In wie vielen Fällen wurden Mitglieder der Landesregierung diesbezüglich angesprochen?

b) Sonstige Behörden?

Sowohl die Mitglieder der Landesregierung als auch die Fachabteilung des Sozialministeriums werden sehr häufig von Patienten, die Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung sind, hinsichtlich ihrer Probleme bei der Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln oder ärztlichen Diagnoseund Therapievorschlägen angesprochen. Eine quantitative Erfassung dieser zum Teil auch telefonischen oder persönlichen Anfragen erfolgte nicht.

Darüber hinaus wurde dem Sozialministerium z. B. eine von Orthopäden initiierte Unterschriftenaktion zugeleitet, mit der auf die schwierige Versorgungssituation in der GKV aufmerksam gemacht wird.

Frage 2. In wie vielen Fällen wurde von der Landesregierung und sonstigen Behörden solchen Mitteilungen nachgegangen, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenden sich die Versicherten an das Sozialministerium und sind sie zudem bereit, den Namen des behandelnden Vertrags(zahn)arztes zu nennen, so wird seitens des Sozialministeriums im Rahmen einer aufsichtsrechtlichen Überprüfung die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) bzw. die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen (KZVH) um Stellungnahme zu diesen Patientenbeschwerden gebeten. Eine quantitative Erfassung der Eingaben erfolgte nicht.

Da sich die Mehrzahl der Versicherten an ihre jeweilige Krankenkasse wenden, wurde bereits mit Einführung der Budgetierung 1993 gemeinsam von den Verbänden der Krankenkassen in Hessen und der KVH eine Clearingstelle eingerichtet, die bisher einmalig im Bundesgebiet ist. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur sachlichen Klärung von Patientenproblemen im Falle von Arznei- und Heilmittelverordnungen, indem sie sowohl dem Budgetgedanken als auch den Versorgungsbedürfnissen der Patienten Rechnung trägt.

Im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung ist seit kurzem für die Bundesknappschaft eine Rationierung bei den Leistungen aus dem Bereich der Parodontalbehandlung zu verzeichnen. Das Sozialministerium als Rechtsaufsicht überprüft derzeit die Zulässigkeit des Vorgehens der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Hessen (KZVH). Man muss in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass oftmals Selbsthilfegruppen (z.B. Deutsche Alzheimer Gesellschaft, Deutsche Rheuma-Liga und andere) darauf aufmerksam machen, dass ihre Mitglieder zunehmend mehr Schwierigkeiten haben, die für sie medizinisch notwendigen Arzneimittelverordnungen zu erhalten. Hier stellt sich zugleich auch die Frage, ob diese chronisch Kranken auch unter Budgetbedingungen noch eine Therapie nach den neuesten Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft erhalten (siehe Broschüre "Die Rationierung wird sichtbar - Eine Studie über den Budgetverlauf 1999 auf der Basis von Verordnungsdaten von IMS"). Da in diesen Fällen häufig keine patienten- oder arztbezogenen Informationen vorliegen, ist diese Problematik Maßnahmen der Rechtsaufsicht des Landes nur sehr schwer zugänglich, bedarf jedoch einer sehr genauen Beobachtung.

Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Patienten oftmals nicht den Mut haben, den Namen des Vertragsarztes zu nennen, da sie Nachteile in zukünftigen Behandlungsfällen befürchten.

Häufig ist auch festzustellen, dass es den Versicherten nicht um eine konkrete Behandlungssituation geht, sondern dass sie aufgrund der Rationierungsdiskussionen in der Öffentlichkeit stark verunsichert und verängstigt sind, ob ihnen im Krankheitsfalle tatsächlich die medizinisch notwendigen vertragsärztlichen Leistungen sowie Verordnungen zur Verfügung gestellt werden.

Man muss davon ausgehen, dass in diesen Fällen das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient bzw. in das Gesundheitswesen allein durch diese Debatte gestört ist.

Frage 3. In wie vielen Fällen konnte von der Landesregierung und sonstigen Behörden eine konkrete unzureichende Diagnostik/Therapie festgestellt werden?

Siehe Antwort zu Frage 2.

Frage 4. Welche Konsequenzen wurden von der Landesregierung und sonstigen Behörden aus solchen Erkenntnissen gezogen?

Aufgrund des engagierten Vorgehens der KVH und der Krankenkassen konnten bisher Versorgungsprobleme im Einzelfall gelöst werden, sodass weitergehende aufsichtsrechtliche Maßnahmen nicht angezeigt waren. Trotzdem muss die medizinische Versorgung der Versicherten der GKV sorgfältig beobachtet werden. Aus diesem Grunde wird in dieser Frage auch ein stetiger Meinungsaustausch mit den Verbänden der Krankenkassen in Hessen, der KVH und der KZVH gepflegt.

Frage 5. a) Ist die Landesregierung in solchen Fällen unzureichender Behandlung aufsichtsmäßig tätig geworden bzw. sind andere Behörden, Institutionen oder die ärztliche Selbstverwaltung aufsichtsmäßig tätig geworden?

b) Wenn ja, mit welchen Ergebnissen oder Konsequenzen?

Bisher war ein aufsichtsrechtliches Vorgehen gegen einzelne Leistungserbringer nicht erforderlich, da durch die Einschaltung der KVH oder der Krankenkassen die Verordnungs- oder Diagnose- bzw. Therapieprobleme der Patienten gelöst werden konnten.

Vor dem Hintergrund der Proteste der hessischen Fachärzte gegen die bestehenden Budgetierungsregelungen im Gesundheitswesen wurden die KVH und die Verbände der Krankenkassen in Hessen schriftlich um sofortige Information des Sozialministeriums in Fällen von Behandlungsverweigerungen aufgefordert, um gegebenenfalls zeitnah aufsichtsrechtlich tätig werden zu können.

Frage 6. Hat die Landesregierung eigene systematische Untersuchungen zur Frage der Vorenthaltung von Diagnostik oder Leistungen wegen Erschöpfung des Budgets angestellt, oder sind ihr systematische Untersuchungen bekannt?

Eigene Untersuchungen der Landes zur Frage Budgetierung und Rationierung bestehen nicht. Im Übrigen wird auf die beigefügte Broschüre von Dr. Bausch, 1. Vorsitzender der KVH, oder auch auf die verschiedenen Publikationen z. B. des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) verwiesen.

Frage 7. Welche Handlungskonsequenzen zieht die Landesregierung gegebenenfalls aus solchen Erkenntnissen?

Zahlreiche Äußerungen sowohl vonseiten der Leistungserbringer als auch vonseiten der Patienten verdeutlichen, dass die geltenden Budgetierungsregelungen zunehmend die Therapiemöglichkeiten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung einschränken und dem medizinischen Fortschritt nur noch schwer Rechnung getragen werden kann. Wenn auch noch keine gravierenden Rationierungen zu beobachten sind, so wird es doch insbesondere für die Gruppe der chronisch kranken Versicherten immer schwieriger, die medizinisch notwendige Behandlung zu erhalten. Es ist dem großen Engagement der KVH und der Krankenkassen zu verdanken, dass es keine Versorgungsdefizite gibt.

Dies wird jedoch immer schwieriger und auch im Rahmen der Rechtsaufsicht werden die auf das Gesundheitswesen zukommenden Rationierungsprobleme nicht gelöst werden können. Einzig eine von der hessischen Landesregierung immer wieder geforderte Gesundheitsreform, die die derzeit geltenden sektoralen Budgets mit der damit verbundenen rechtlich äußerst umstrittenen Kollektivhaftung durch intelligentere Steuerungsmaßnahmen ablöst, kann hier tatsächlich Abhilfe schaffen.

Frage 8. Wie will die Landesregierung angesichts ihrer regelmäßigen Aussage, es gebe Mängel in der Behandlung, für das IV. Quartal 2000 die Versorgung der hessischen Bevölkerung sicherstellen?

In Fällen der konkreten Leistungsverweigerung wird selbstverständlich mit den Mitteln der Rechtsaufsicht versucht werden, hier Abhilfe zu schaffen. Im Bedarfsfalle wird man auch eine Aufsichtsanordnung, versehen mit der sofortigen Vollziehung, durchführen.

Ich gehe aber auch davon aus, dass die Krankenkassen ihre Mitglieder in Fällen der Leistungsverweigerung entsprechend beraten und unterstützen und auf bestehende Behandlungsalternativen hinweisen. Auch die KVH wird zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages die Patienten entsprechend über die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten informieren. Den Versicherten ist auf jeden Fall zu raten, dass sie sich bei Behandlungsverweigerungen möglichst umgehend an ihre Krankenkassen oder das Sozialministerium wenden.