Enteignungsfälle

Ersatzrechtsenteignung ergänzt durch die §§ 5 und 6.

Absatz 1 entspricht dem § 87 Abs. 1 Die Enteignung, die bereits allgemein nach § 2 dem Wohle der Allgemeinheit dienen muß, muss danach auch in jedem Einzelfall für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich sein; der Enteignungszweck darf nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden können, etwa durch einen Gestattungsvertrag für Versorgungsleitungen in Straßengrundstücken oder durch ein Flurbereinigungsverfahren. Damit werden die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit festgelegt, und zwar auch für die Ersatzland- und die Ersatzrechtsenteignung.

Absatz 2 konkretisiert einzelne aus Absatz 1 fließende Erfordernisse für die in § 2 genannten Enteignungsfälle. § 87 Abs. 2 wird nur in vereinfachter Form übernommen, da sich seine Anforderungen zum Teil bereits aus Absatz 1 ergeben und zum anderen Teil entbehrlich sind, weil sie zu Verfahrenserschwerungen ohne Nutzen für den Betroffenen führen. Steht fest, daß das Vorhaben auf Grundstücken des Antragstellers möglich und zumutbar ist, so folgt die Unzulässigkeit der Enteignung bereits aus Absatz l. Absatz 2 Nr. 2 steht in Zusammenhang mit § 29 Abs. 1 Nr. 3 und § 30.

Zu § 5:

Für die Ersatzlandenteignung werden über § 4 Abs. 1 hinaus zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzungen aufgestellt. Die Bestimmung lehnt sich an § 90 an. Sie steht in Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 und § 14. Da das Gesetz neben der Geldentschädigung auch die Entschädigung in Land vorsieht, muss es auch die Enteignung von Gelände zulassen, das als Entschädigung für einen anderen Enteignungsbetroffenen zu verwenden ist. Ohne die Möglichkeit der zwangsweisen Beschaffung von Ersatzland ist das Recht auf Entschädigung in Land nicht in allen Fällen erfüllbar.

Absatz 1 macht die Zulässigkeit der Ersatzlandenteignung auch davon abhängig, dass der Enteignungsbegünstigte geeignetes Land weder aus dem eigenen Grundbesitz bereitstellen noch freihändig zu angemessenen Bedingungen - unter Umständen auch im Tauschweg - erwerben kann.

Absatz 2 nimmt Grundstücke von der Ersatzlandenteignung aus, deren Inanspruchnahme für die Betroffenen nicht zumutbar oder mit ihrer Zweckbestimmung nicht vereinbar wäre. Zusätzlich zu § 90 Abs. 2 sind Grundstücke ausgenommen, die mit einem eigengenutzten Eigenheim oder einer eigengenutzten Kleinsiedlung bebaut sind.

Absatz 3 will die land- oder forstwirtschaftliche und die privilegierte bauliche Nutzung von Außenbereichsgrundstücken sichern und damit die Grundstruktur des Außenbereichs im Einklang mit den planungsrechtlichen Bestimmungen sichern.

Absatz 4 soll eine Kette von Ersatzlandenteignungen verhindern.

Zu § 6:

Auch für die Ersatzrechtsenteignung werden über § 4 Abs. 1 hinaus zusätzliche Zulässigkeitsvoraussetzungen eingeführt. Die Bestimmung lehnt sich an § 91 an. Sie steht in Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 und § 15. Da das Gesetz neben der Geldund der Ersatzlandentschädigung auch die Entschädigung durch Gewährung anderer Rechte vorsieht, muss es auch die Enteignung für den Ersatz entzogener Rechte zulassen. Ohne diese Enteignungsmöglichkeit ist das Recht auf Entschädigung durch Gewährung anderer Rechte nicht in allen Fällen erfüllbar.

Die Enteignungsmöglichkeit ist auf die in diesem Gesetz genannten Fälle - insbesondere Rechte der Nebenberechtigten nach § 12 Abs. 2, Ersatzlandentschädigung nach § 14 Abs. 5, Rückenteignung nach § 42 Abs. 5 - beschränkt.

Zu § 7:

Die Bestimmung entspricht weitgehend § 92 Absatz 1 konkretisiert die Forderungen des § 4 Abs. 1 und legt den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs fest. Die nach § 4 Abs. 1 grundsätzlich zulässige Enteignung ist nach dem räumlichen Maß und nach der Art des Eingriffs auf den erforderlichen Umfang zu beschränken. Die Enteignungsbehörde muss unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenigen wählen, die den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigen.

Absatz 2 geht davon aus, dass die Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht dem Eigentümer gegen seinen Willen in der Regel nicht zuzumuten ist, weil er für die Dauer der Belastung das Grundstück nicht mehr wie bisher nutzen kann. Der Eigentümer kann deshalb an Stelle der Belastung mit einem Erbbaurecht in jedem Fall die Entziehung des Eigentums verlangen. Wird ein Grundstück mit einem anderen dinglichen Recht belastet, so hat der Eigentümer den Übernahmeanspruch nur, wenn im Einzelfall festgestellt wird, dass er wegen der Belastung das Grundstück nicht mehr in angemessenem Umfang in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art nutzen kann. An Stelle der in § 92 Abs. 2 Satz 2 genannten Voraussetzung, dass die Belastung für den Eigentümer unbillig sein müsse, wurde konkreter darauf abgestellt, ob das Grundstück noch in angemessenem Umfang in der bisher zulässigen Art genutzt werden kann. Dies verdeutlicht gleichzeitig den auch im Enteignungsrecht geltenden Grundsatz der Schadensminderungspflicht, indem nicht nur die bisherige tatsächliche Nutzung berücksichtigt werden muß. Absatz 3 gibt einen Anspruch auf räumliche Ausdehnung der Enteignung auf Restgrundstücke. Die Bestimmung stellt wie Absatz 2 ab auf die Nutzbarkeit des Restgrundstücks oder Restbesitzes nach der bisherigen rechtlich zulässigen Nutzung. Die Ausdehnung der Enteignung kann nicht verlangt werden, soweit bloßes Bauerwartungsland wegen der Enteignung nicht mehr zu Bauland werden kann, da ein Recht des Eigentümers, dass Bauerwartungsland zu Bauland wird, nicht besteht.

Absatz 4 nennt die Voraussetzungen für die Ausdehnung der Enteignung auf Zubehör und auf Bestandteile, die zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Gebäude verbunden oder in ein Gebäude eingefügt sind (§ 3 Abs. 2). Die Bestimmung stellt auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab.

Absatz 5 gibt dem Eigentümer das Recht, nach einer vorübergehenden Benutzung die Übernahme des Grundstücks zu verlangen, wenn die Wiederherstellung des Grundstücks unwirtschaftlich wäre. Diese im Baugesetzbuch nicht enthaltene Bestimmung ist notwendig, um bei einer vorübergehenden Benutzung die Rechte des Eigentümers zu wahren und wirtschaftlich unsinnige Aufwendungen für die Wiederherstellung des Grundstücks zu vermeiden. Der Anspruch ist, wie Absatz 6 Satz 2 zeigt, bei der Enteignungsbehörde geltend zu machen, soweit nicht schon außerhalb des förmlichen Verfahrens eine Einigung erzielt werden kann.

Absatz 6 bestimmt im Interesse der Rechtssicherheit die Fristen, in denen die Rechte nach den Absätzen 2 bis 5 geltend gemacht werden können. In den Fällen des Ab- satzes 5 beginnt die Frist mit der Anzeige über die Beendigung der Benutzung, weil die Anspruchsvoraussetzungen erst dann festgestellt werden können.

Zum Zweiten Teil

Der Zweite Teil befaßt sich mit der Enteignungsentschädigung als dem Kernstück des Gesetzes und dem Härteausgleich. Die Regelung folgt in weiten Bereichen der des Baugesetzbuches. Dadurch wird es möglich, die zu diesen Bestimmungen vorhandene Rechtsprechung und Literatur auch für das Landesenteignungsrecht nutzbar zu machen.

Zu § 8:

Die hier geregelten Entschädigungsgrundsätze entsprechen § 93 Die Unterscheidung zwischen der Entschädigung für den Rechtsverlust (Absatz 2 Nr. l, § 10) und der für andere Vermögensnachteile (Absatz 2 Nr. 2, § 11) ist übernommen worden.

Absatz 3 trägt dem Gedanken des Vorteilsausgleichs Rechnung.

Absatz 4 regelt den Zeitpunkt, von dem die Enteignungsbehörde bei der Ermittlung des Zustands des Grundstücks (Qualität) als Grundlage der Bewertung ausgehen muß. § 10 Abs. 1 Satz 2 regelt demgegenüber den Zeitpunkt, der für die Bewertung des Grundstücks in diesem Zustand maßgebend ist. In der Regel fallen beide Zeitpunkte - Entscheidung der Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag - zusammen. Absatz 4 Satz 2 verlegt den Stichtag für die Zustandsermittlung jedoch vor, wenn der Betroffene die Möglichkeit, das Grundstück zu nutzen, schon früher verliert. Der Gesetzentwurf stellt - abweichend vom Baugesetzbuch - der vorzeitigen Besitzeinweisung die vorzeitige Besitzüberlassung gleich. Beide Fälle, in denen ein Grundstück im Zusammenhang mit einer Enteignung tatsächlich in Anspruch genommen wird, werden auch von der Rechtsprechung gleichgestellt, da das Grundstück jeweils in gleicher Weise von der konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen wird. Die sonstigen von der Rechtsprechung entwickelten Fälle des Ausschlusses von der konjunkturellen Weiterentwicklung durch Vorwirkung der Enteignung sind gesetzestechnisch aufgrund ihrer Vielfalt nicht erfaßbar, so daß lediglich die beiden wichtigsten und häufigsten Fälle ausdrücklich geregelt werden. Im übrigen bleiben die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Vorwirkung der Enteignung unberührt.

Zu § 9:

Die Norm entspricht inhaltlich § 94 Sie benennt den Entschädigungsberechtigten und den Entschädigungsverpflichteten.

Absatz 1 legt fest, an wen die Entschädigung zu leisten ist, wenn eine Entschädigungspflicht nach § 8 besteht. Wie bereits § 8 Abs. 2 Nr. 2, so stellt auch Absatz 1 klar, dass der Betroffene nur dann Entschädigung verlangen kann, wenn er durch die Enteignung auch einen Vermögensnachteil erleidet.

Absatz 2 verpflichtet den Enteignungsbegünstigten zur Leistung der Entschädigung. Der Begünstigte der Erstenteignung - und nicht der von ihr Betroffene und von der Ersatzlandenteignung Begünstigte - hat nach Satz 2 im Fall der Ersatzlandenteignung die Entschädigung zu leisten. Entsprechendes gilt im Fall der Ersatzrechtsenteignung nach § 12 Abs. 2 Satz 3.

Zu § 10:

Die Bestimmung enthält die Regelung der Entschädigung für den Rechtsverlust. Sie entspricht weitgehend § 95 und bildet die notwendige Ergänzung zu § 8 Abs. 2 Nr. l.

Absatz 1 geht von dem Grundsatz aus, dass sich die Entschädigung für den Rechtsverlust nach dem Verkehrswert bemißt (Satz 1). Er wird in Anlehnung an die Legaldefinition des § 194 definiert. Die Beschaffenheit des Grundstücks wird insbesondere auch durch öffentlich-rechtliche Bestimmungen über seine Nutzbarkeit bestimmt. Von der Regelung eines eigenen Wertermittlungsverfahrens und der Einrichtung von Gutachterausschüssen ähnlich dem Baugesetzbuch wurde abgesehen, da davon keine schnellere und zügigere Abwicklung des Verfahrens zu erwarten ist. Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, die in der Wertermittlungsverordnung aufgrund des Baugesetzbuches und in den Richtlinien dazu enthalten sind, sind auch ohne ausdrückliche Regelung anwendbar. Im übrigen kann jederzeit auch das Gutachten eines Gutachterausschusses von der Enteignungsbehörde eingeholt werden.

Absatz 2 legt den maßgebenden Bewertungszeitpunkt fest. Er deckt sich regelmäßig mit dem für die Zustandsermittlung maßgebenden Zeitpunkt (§ 8 Abs. 4), also dem der Entscheidung über den Enteignungsantrag (Satz 1). Wird über den Grund der Enteignung und die Entschädigung getrennt entschieden (§ 28 Abs. 2), so kommt es, wie Satz 1 im Einklang mit der Rechtsprechung klarstellt, auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Entschädigung an. Satz 2, der den maßgebenden Zeitpunkt modifiziert, entspricht der Steigerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Das Hinausschieben des Bewertungszeitpunkts auf den Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenverhandlung für die Fälle wesentlich unrichtiger Entschädigungsfestsetzung durch die Enteignungsbehörde war hier nicht zu regeln und konnte der Rechtsprechung überlassen bleiben, da diese Frage für die Entscheidung der Enteignungsbehörde keine Bedeutung hat.

Es entspricht anerkannten Grundsätzen des Entschädigungsrechts, wenn nach Absatz 3 Nr. 1 Wertänderungen, die aufgrund des der bevorstehenden Enteignung zugrunde liegenden Vorhabens eintreten, bei der Festsetzung der Entschädigung unberücksichtigt bleiben. Die weiteren Nummern des Absatzes 3 schließen verschiedene Werterhöhungen aus, deren Berücksichtigung bei der Entschädigungsfestsetzung ungerechtfertigt wäre.

Absatz 4 enthält Grundsätze für die Errechnung der Entschädigung in einigen häufiger vorkommenden Sonderfällen.

Nach Absatz 5 sind Rechte Dritter bei der Festsetzung der Entschädigung für den Verlust des Eigentums am Grundstück zu berücksichtigen. Die Regelung überschneidet sich nicht mit Absatz 4 Nr. 4: dort besteht die Enteignung in der Belastung des Grundstücks, hier besteht sie im Entzug des Eigentums.

Absatz 6 regelt die Entschädigung für bauliche Anlagen, deren Abbruch entschädigungslos gefordert werden könnte.

Zu § 11:

Die Bestimmung entspricht § 96 ergänzt § 8 Abs. 2 Nr. 2 und regelt, wie die Entschädigung für andere Vermögensnachteile zu bemessen ist. Hier konnte nicht von einem festen Maßstab ausgegangen werden, wie in § 10 vom Verkehrswert. Es ist vielmehr notwendig, im Einzelfall die Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten abzuwägen.