Altschuldenhilfegesetz

Hat sich die Landesregierung bei ihrer Zustimmung zum Altschuldenhilfegesetz im Bundesrat von Rechtspositionen leiten lassen, die dem Rechtsgutachten von Prof. Dr. R. Scholz und Dr. K. Leciejewski entgegenstehen? Um welche Rechtspositionen handelt es sich dabei, und welchen Rechtsstandpunkt vertritt die Landesregierung zur Feststellung von Prof. Scholz und Dr. Leciejewski, wonach es sich bei den sogenannten Altschulden eindeutig nicht um Verbindlichkeiten im Sinne des bürgerlichen Rechts handelt?

2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 sowie § 2 Abs. 2 Altschuldenhilfegesetz getroffene Regelung, nach der die Antragsteller die Altverbindlichkeiten schriftlich anerkennen müssen und eine Rückforderung des Schuldanerkenntnisses ausgeschlossen wird, den Verdacht der Nötigung erfüllt und einer gerichtlichen Prüfung nicht standhält?

3. Wird mit der Erlösteilungsregelung im Altschuldenhilfegesetz sowie aufgrund Kapitalmangel und geringer Einkommen vieler Mieter der Einigungsvertrag, Artikel 22 - Bildung auch von individuellem Wohneigentum für breite Kreise der Bevölkerung der ostdeutschen Bundesländer - verletzt und ein schneller Verkauf der Wohnungen an Wohnungsunternehmen, Bau- und Bodenspekulanten sowie andere finanzkräftige Geldanleger aus den alten Bundesländern begünstigt?

Wie wird die Landesregierung solchen bereits vorhandenen Erscheinungen entgegenwirken?

4. Hält die Landesregierung aus den in Frage 3 genannten Gründen kurzfristig eine Bundesratsinitiative zur Novellierung des Altschuldenhilfegesetzes für notwendig, um den jetzigen Mietern in fünf bis sieben Jahren noch die Chance zum Erwerb ihrer Mietwohnung zu den gegenwärtigen Konditionen zu ermöglichen?

Das Thüringer Innenministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 26. Oktober 1993 wie folgt beantwortet:

Zu 1.: Die Landesregierung hat sich bei ihrer Zustimmung zum Altschuldenhilfegesetz in erster Linie von der Erwägung leiten lassen, dass es der Wohnungswirtschaft ermöglicht werden muß, handlungsfähig zu werden.

Das Altschuldenhilfegesetz stimmt in wesentlichen Eckwerten mit dem Rechtsgutachten zur Problematik früherer Kreditverträge in der ehemaligen DDR im Bereich des Wohnungsbaus von Prof. Dr. Rupert Scholz und Dr. Klaus Leciejewski überein.

Das Gutachten von Scholz/Lieciejewski geht davon aus, dass durch die Altschulden nur die Kommunen verpflichtet sein könnten (vgl. S. 89 ff.). Der Übergang der Altverbindlichkeiten auf die Wohnungsunternehmen bedürfe eines weiteren zivilrechtlichen Aktes. Dies ergebe sich auch aus § 2 Abs. 1 Satz 3 Altschuldenhilfegesetz.

Das Gutachten geht davon aus, dass es schwerlich einzusehen sei daß die Kommunen als jetziger Eigentümer vor allem von Grund und Boden der ehemaligen volkseigenen Wohnungsbaubetriebe berechtigt sein sollen, über dieses Vermögen zu verfügen, andererseits aber von allen hiermit verbundenen Alt-Schulden befreit sein sollen. (S. 131). Sinngemäß wird unter Punkt 5 der abschließenden Ergebnisse formuliert, daß, sofern die Wohnungsbauunternehmen in Anspruch genommen werden sollten, es insgesamt eines Ausgleichssystems bedürfe, das in der prinzipiellen Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers liegt (vgl. S. 134). Genau dieses System wird durch das Altschuldenhilfegesetz errichtet.

Auf dieser Basis hat die Landesregierung dem Altschuldenhilfegesetz zugestimmt.

Zu 2.: Die Landesregierung teilt die der Fragestellung zugrundeliegende Auffassung nicht. Das Altschuldenhilfegesetz stellt ein Angebot für die Wohnungsunternehmen dar. Von diesem Angebot Gebrauch zu machen, steht jedem Wohnungsunternehmen frei. Die Entscheidung wird aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen getroffen werden.

Die Entscheidungsfreiheit der Wohnungsunternehmen wird dadurch betont, dass sie von ihrem Antrag und dem Schuldanerkenntnis bis zu drei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheides der Kreditanstalt für Wiederaufbau über die Altschuldenhilfe von ihrem Antrag zurücktreten können. Die Landesregierung ist der Ansicht, dass die Regelung des § 2 Abs. 2 einer gerichtlichen Prüfung standhalten wird.

Altschuldenhilfen stellen Subventionen dar. Mit der Gewährung von Subventionen können Auflagen und Bedingungen verknüpft werden. Hierzu kann auch die Abgabe eines nichtrückforderbaren Schuldanerkenntnisses zählen.

Zu 3.: Sinn der Verpflichtung, Erlösanteile aus der Veräußerung gemäß § 5 Abs. 2 Altschuldenhilfegesetz an den Erblastentilgungsfonds abzuführen, ist, zu einer zügigen Privatisierung beizutragen. Bereits von daher steht es im Einklang mit Artikel 22 Abs. 4 des Einigungsvertrages.

Das Gesetz selbst hat Vorsorge gegen Spekulationen getroffen, indem in § 5 Abs. 1 Altschuldenhilfegesetz die Pflicht zur vorrangigen Veräußerung an die Mieter bzw. die Genossenschaftsmitglieder aufgenommen wurde.

Diesem Ziel wird weiterhin dadurch Rechnung getragen, dass die Gewährung der Teilentlastung davon abhängt, ob das antragstellende Wohnungsunternehmen alle Möglichkeiten des Wohnungsverkaufs an seine Mieter bzw. Mitglieder ausgeschöpft hat, bevor es auf Kaufangebote Dritter eingeht.

Es hat sich gezeigt, dass eine umsichtige Vorbereitung der Privatisierung durch

- sachkundige Beratung,

- mit den Bewohnern abgestimmte Sanierungs- und Modernisierungskonzepte,

- nachvollziehbare Kaufpreisangebote und

- solide Finanzierungskonzepte bisher regelmäßig zu hohen Verkaufsquoten überwiegend an die Mieter geführt hat.

Im übrigen verweise ich auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 366 des Herrn Abgeordneten Griese (SPD) vom 3. Oktober 1993.