Arbeitslosigkeit

Oktober 1993 hat folgenden Wortlaut:

Aus dem ehemaligen VEB Kombinat Oberbekleidung wurde die Midek-Holding AG gebildet. Vorstandssprecher der Midek-Holding AG wurde der ehemalige Generaldirektor des Kombinats. Mit Wirkung vom 1. Juli 1990 gingen aus dem ehemaligen VEB Modetreff Arnstadt, welcher Teil des Kombinates war, zwei voneinander ökonomisch und juristisch selbständige i.A. hervor. Eine der beiden Gesellschaften (Betriebsstätte Arnstadt, Ichtershäuser Straße) wurde zur classique-moden Arnstadt umgewandelt.

Nach Angaben von Mitarbeitern dieses Unternehmens sei diesem Unternehmen seitens der Muttergesellschaft Midek-Holding AG keinerlei Unterstützung zuteil geworden, was vor allem bedeutet habe, keine Aufträge erteilt zu bekommen. Der Arnstädter Betrieb sei nur zahlendes Mitglied gewesen. Trotz dieser Umstände habe sich das Unternehmen aus eigener Kraft stabilisiert.

So habe sich der Betrieb um Privatisierung bemüht. Zu diesem Zeitpunkt habe der Betrieb etwa 100 Beschäftigte fast ausnahmslos Frauen - und eine gute Auftragslage gehabt. Dennoch sei das Bestreben der classique-moden Arnstadt nach Herauslösung aus der Midek-Holding AG und nach Privatisierung über ein (MBO) gescheitert.

Die Gründe dafür liegen im unklaren. Bei der Belegschaft verstärkte sich der Verdacht, dass der Betrieb in Arnstadt liquidiert werden sollte und dass bei beteiligten Personen Interessenkollisionen vorlagen.

Die classique-moden wurde Mitte des Jahres nach einer Entscheidung des Aufsichtsrates der Muttergesellschaft, der ebenfalls in Liquidation befindlichen Midek-Holding AG, liquidiert. Die Beschäftigten vorwiegend Frauen - wurden in die Arbeitslosigkeit geschickt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bekannt, warum die classique-moden Arnstadt trotz eines von der Treuhandanstalt bestätigten Betriebskonzepts nicht aus der Midek-Holding AG herausgelöst wurde? Welche Unterlagen liegen der Landesregierung im Zusammenhang mit der Schließung des Unternehmens vor?

2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Fortführung des Unternehmens hätte erstrebt werden sollen?

3. Mit welchen einzelnen Maßnahmen hat die Landesregierung versucht, die Privatisierung und Fortführung des Betriebes zu unterstützen?

4. Ist der Landesregierung bekannt, ob Interessenkollisionen beteiligter Personen die Privatisierungsbemühungen beeinträchtigt haben könnten? Falls ja, mit welchen Mitteln hat sie gegenüber der Treuhandanstalt darauf hingewirkt, diese Situation zu beheben?

5. Sieht die Landesregierung Veranlassung, die Vorgänge um die Liquidation des Betriebes classique-moden Arnstadt zu überprüfen?

6. Welches Konzept hat die Landesregierung zur Wiederbelebung des Textilstandortes Arnstadt?

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 16. November 1993 wie folgt beantwortet:

Vorbemerkung:

Die classique-moden war einschließlich des juristisch nicht abgespaltenen Betriebsteiles Modetreff Arnstadt ein Unternehmen der Midek-Holding AG, die durch die Treuhandanstalt Berlin verwaltet wird.

Mit Beschluß der Liquidation der Midek-Holding AG bemühte sich die Treuhandanstalt, Käufer für die einzelnen Unternehmen zu finden.

In Arnstadt gab es noch Übertragungsansprüche einer Erbengemeinschaft für die classique-moden; auf Rückübertragungsansprüche bezüglich Modetreff war ausdrücklich verzichtet worden. Da die Reprivatisierer sich nicht um die classique-moden kümmerten, wurde der Betrieb von der Treuhandanstalt zurückgenommen und zur Übergabe als Management-Buyout (MBO) vorbereitet.

Im März 1993, wenige Tage vor Vertragsabschluß, verzichtete der bis dahin privatisierungswillige Geschäftsführer auf die Übernahme. Die laut Liquidator der Treuhandanstalt weitreichenden Unterstützungen waren damit haltlos geworden.

Der Liquidator suchte daraufhin nach einem kurzfristig zur Übernahme bereiten Ersatzmann; den fand er in dem Vorstandssprecher der Midek-Holding AG.

Die Übernahme des Betriebsteiles Modetreff erfolgte wegen klarer Besitzverhältnisse zunächst auf Mietbasis, der Verkauf wird vorbereitet.

Der Betriebsteil classique-moden steht weiter in Liquidation. Wenn sich kein Käufer findet, wird der Betrieb geräumt und anderweitig vermarktet.

Zu 1.: Es liegt allein in der Entscheidung der Treuhandanstalt Berlin, ob sie eine Holding aufsplittert, was mit Übergabe der kleinen Einheit an die jeweiligen Niederlassungen verbunden war, oder ob sie eine Holding von der Zentrale aus privatisieren möchte.

Bemühungen seitens der Landesregierung, Treuhandbetriebe verstärkt den Niederlassungen zu übertragen, waren von der Treuhandanstalt Berlin wiederholt zurückgewiesen worden. Im Gegenteil, mit Rückgang der Anzahl der zu verwaltenden Unternehmen wurden die Niederlassungen zunehmend aufgelöst, was das operative Geschäft betrifft. Es wurden Geschäftsstellen ins Leben gerufen.

Zu 2. und 3.: Die Landesregierung unterstützt in der Regel privatisierte Betriebe mit dem zur Verfügung stehenden Förderinstrumentarium. Um Privatisierungsprobleme zur erleichtern, wurden auch bei unmittelbar bevorstehenden

Privatisierungen schon Anträge bearbeitet, um Zeit zu gewinnen. Die Anträge müßten aber gestellt werden, wenigstens müßte sich ein Betroffener mit den zuständigen Stellen ins Benehmen setzen.

Über Kammern und Verbände, über Treuhandanstalt, Thüringer Landes-Wirtschaftsförderungsgesellschaft und auch über das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Verkehr kann sich jeder Interessierte über die Verfahrensweisen kundig machen.

Eine Vergabe im Sinne einer Aufforderung oder gar Anweisung kann es aus dem Selbstverständnis der Marktwirtschaft nicht geben.

Zu 4.: Wie eingangs ausgeführt, wurde der Vorstandssprecher nach Rücktritt des Privatisierers zur Übernahme des MBOProjektes gewonnen. Der Liquidator hat sich darum bemüht und das auch in der Form bestätigt.

Der Vorstandssprecher hat nur den Betriebsteil Modetreff der classique-moden übernommen. Der Stammbetrieb steht weiter in Liquidation.

Zu 5.: Die Thüringer Landesregierung ist zwar an den Vorgängen in Arnstadt interessiert, hat aber rechtlich keinerlei Einflußmöglichkeiten und auch keine rechtlichen Ansprüche auf Beteiligung am Verfahren. Sie hat die Treuhandanstalt um Auskunft gebeten, die ihr auch erteilt wurde.

Zu 6.: Es gibt in der Landesregierung große Bemühungen, sanierungsfähige Unternehmen als industrielle Zentren zu erhalten. Das kann immer nur da geschehen, wo sanierungsfähige Unternehmen wenigstens engagierte Geschäftsführer haben, die ein tragfähiges Konzept vorlegen. Darüber hinaus ist die Bereitschaft der Hausbank erforderlich, die Sanierung mitzutragen. Im textilen Bereich ist das nicht immer gegeben. In Arnstadt ist der Betriebsteil Modetreff durch die Übernahme erhalten. Damit steht das Förderinstrumentarium des Landes zur Verfügung.

Für den Stammbetrieb gibt es derzeit keinen Interessenten. Unter diesen Voraussetzungen wird es auch keine Wiederbelebung geben.

Die Landesregierung fördert die Ansiedlung von Investoren, dabei gibt es strukturpolitisch bedingte Förderunterschiede. Diese orientieren sich nicht an Branchen, sondern an Faktoren wie Arbeitslosenquote, Infrastruktur, Verkehrserschließung u. ä. Im allgemeinen entscheidet der Wille des Investors und nur sehr bedingt der Förderrahmen.