Wie sieht das Tätigkeitsbild eines Bewährungshelfers in Thüringen

Oktober 1993 hat folgenden Wortlaut:

Durch die zunehmende Kriminalitätsquote in Thüringen ist der soziale Aspekt der Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach Beendigung der Haftstrafe oft eine wichtige Voraussetzung, um Wiederholungsstraftaten vorzubeugen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie sieht das Tätigkeitsbild eines Bewährungshelfers in Thüringen aus?

2. Welche Aufgabenbereiche werden dabei unterschieden?

3. Wie setzt sich die Personalstruktur in diesen Aufgabenbereichen zusammen (Anzahl, Geschlecht, Qualifizierung)?

4. Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit Ämtern, Behörden, der Kriminalpolizei, Wohlfahrtsverbänden etc.?

Das Thüringer Justizministerium hat die Kleine Anfrage namens der Landesregierung mit Schreiben vom 18. November 1993 wie folgt beantwortet:

Die Bewährungshilfe ist ein Teil der ambulanten Straffälligenhilfe und damit des sozialen Dienstes der Justiz. Sie ist Sozialarbeit am, mit und für den straffällig gewordenen Bürger und hilft ihm, ein eigenverantwortetes Leben ohne Straftaten zu führen. Auch dies ist ein Beitrag zur Sicherheit unserer Bürger.

Durch die Bewährungshilfe wurde die soziale Verpflichtung des Strafrechts institutionalisiert, strafrechtliche und soziale Belastungen der Vergangenheit nicht einfach festzustellen, sondern an ihrer Überwindung aktiv handelnd beizutragen. In der Jugendstrafrechtspflege ist sie ein wichtiges Instrument zur Verwirklichung des Erziehungsgedankens, der dem Jugendgerichtsgesetz zugrunde liegt.

Zu 1.: Das Tätigkeitsbild eines Bewährungshelfers ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) (§§ 56 d, 68 a §§ 24, 25, 38 Abs. 2 JGG). Aufgabe des Bewährungshelfers ist es, dem Verurteilten helfend und betreuend zur Seite zu stehen und im Einvernehmen mit dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen sowie der Anerbieten und Zusagen zu überwachen. Es ist Aufgabe des Bewährungshelfers, über die Lebensführung des Verurteilten in Zeitabständen, die das Gericht bestimmt, zu berichten und gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten und Zusagen unverzüglich dem Gericht mitzuteilen. Bei nach Jugendstrafrecht Verurteilten arbeitet er eng mit den Vertretern der Jugendgerichtshilfe zusammen.

Zu 2.: Es ist die Aufgabe eines Bewährungshelfers,

a) bei der Gestaltung der äußeren Lebensbedingungen zu helfen,

b) persönliche Hilfe zur Überwindung individueller Probleme zu leisten,

c) gesellschaftliche Hilfen zu aktivieren,

d) vorhandene gesetzliche Hilfen, u.a. aus dem Bundessozialhilfegesetz, Arbeitsförderungsgesetz sowie Kinder- und Jugendhilfegesetz, zielgerichtet zu vermitteln,

e) eng und vertrauensvoll mit den die Bewährungsaufsicht führenden Gerichten zusammenzuarbeiten und

f) mit den Vereinen und Verbänden der freien Straffälligenhilfe zu kooperieren,

g) für nach Jugendstrafrecht Verurteilte ergänzende Hilfen zur Erziehung beim Jugendamt anzuregen, wenn sich dies in der Bewährungszeit als erforderlich herausstellt.

Zu 3.: Zur Zeit arbeiten in Thüringen 13 Bewährungshelferinnen und zwölf Bewährungshelfer. Diese verteilen sich auf die Landgerichtsbezirke Erfurt 5 Bewährungshelfer Gera 9 Bewährungshelfer Meiningen 6 Bewährungshelfer Mühlhausen 5 Bewährungshelfer

Die Dienststellen der Bewährungshelfer befinden sich in Erfurt, Gera, Altenburg, Jena, Rudolstadt, Meiningen, Suhl, Sonneberg, Mühlhausen und Nordhausen.

Zur Zeit werden, Stichtag 30. September 1993, 1.336 Probanden betreut; dies entspricht einer durchschnittlichen Belastung je Bewährungshelfer/Bewährungshelferin von 54 Probanden.

Alle Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer verfügen über eine qualifizierte pädagogische Ausbildung und werden laufend durch justizeigene Seminare und Tagungen weitergebildet. Soweit die Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer über keinen Berufsabschluß an einer Fachhochschule verfügen oder bei ihnen keine Gleichstellung mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern aus den alten Bundesländern erfolgte, werden sie sich, nachdem nunmehr die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen sind, zur externen Prüfung an der Fachhochschule in Erfurt, Abteilung Sozialwesen, anmelden.

Aus den vorliegenden Beurteilungen durch die Präsidentinnen und Präsidenten der Landgerichte geht hervor, daß alle Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer gute und qualifizierte Arbeit leisten.

Zu 4.: Die Bewährungshelfer und Bewährungshelferinnen arbeiten eng mit den Vereinen und Verbänden der freien Straffälligenhilfe zusammen, mit denen ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch stattfindet. Auch die Zusammenarbeit mit den Sozial- und Jugendbehörden sowie der Arbeitsverwaltung ist ein Anliegen der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer.

Mit der Polizei erfolgt ein informeller Erfahrungsaustausch; ein probandenbezogener Austausch findet aus Datenschutzgründen nur in dem gesetzlich vorgesehenen Rahmen statt. Im Hinblick auf die Betreuungsarbeit, die nur dann gelingen kann, wenn ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wird, müssen die Bewährungshelferinnen und helfer die notwendige Distanz wahren, sowohl zum Probanden wie auch zu den Ermittlungsbehörden.

Die Bewährungshilfe wird weiter ausgebaut. Bis Ende dieses Jahres werden weitere sieben Bewährungshelfer/innen in den einzelnen Landgerichten eingestellt und weitere Beratungsbüros in Eisenach, Weimar und Greiz eröffnet werden.

Das Institut der Bewährungshilfe hat sich auch in Thüringen bewährt. Obgleich noch keine statistisch verwertbaren Zahlen über die Rückfallhäufigkeit von unter Bewährungsaufsicht stehenden Probanden vorliegt, kann gesagt werden, dass nach den vorliegenden Berichten aus der Bewährungshilfe diese mit Sicherheit nicht höher ist als in den alten Bundesländern. Dort liegt die Rückfallquote bei ca. 30 Prozent.